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Interview mit Dr. Martin Steinbach von EY.

GoingPublic: Herr Steinbach, zur Mitte dieses Jahres lautete Ihre Einschätzung, dass sich das IPO-Sentiment in der zweiten Jahreshälfte aufhellt. Ist dies bereits eingetreten?

Quelle: © Dr. Martin Steinbach – EY Global PO Trends Q3 2025

Martin Steinbach: Ja, das IPO-Sentiment hat sich nach einem turbulenten ersten Halbjahr verbessert und die internationalen IPO-Märkte legten nach der Sommerpause deutlich zu. Es zeichnet sich trotz der bekannten und weiterhin bestehenden makroökonomischen Unsicherheiten ein gutes IPO-Jahr ab. Positive Effekte haben jüngst überwogen: Die Volatilität der großen Indizes ging auf normale Werte zurück, Notenbanken wie die Fed und EZB erwägen eher Zinssenkungen als Anhebungen, und die Aktienindizes blieben von größeren Rücksetzern verschont. So gingen im dritten Quartal 2025 weltweit 370 Unternehmen an die Börse – ein Plus von 19 %. Das Emissionsvolumen stieg sogar um 89 % auf 48,3 Mrd. USD. Für die bisherige IPO-Aktivität in 2025 bedeutet das mit 914 Börsengängen ein leichtes Plus von 5 % bei einem deutlichen Anstieg des Platzierungsvolumens um 41 % auf 110,1 Mrd. USD.

GoingPublic: In Deutschland gab es jüngst mit dem IPO des Prothesenherstellers Ottobock hierzulande einen weiteren größeren Börsengang. Könnte der erfolgreiche Börsenstart des Unternehmens anderen Firmen anspornen, sich ebenfalls aufs Parkett zu trauen?

Martin Steinbach: In Deutschland gab es zudem im dritten Quartal einen großen Börsengang mit dem Listing der Aumovio SE. Das Unternehmen – eine Aufspaltung (Spin-off) aus der Continental AG – erreichte mit seiner Erstnotiz eine Marktkapitalisierung von rund 3,5 Mrd. EUR. Mit der Aumovio SE fanden in diesem Jahr insgesamt vier Börsengänge an der Frankfurter Börse statt. Seit Mai 2025 sind bereits die innoscripta SE, TIN INN Holding AG und die Pfisterer Holding SE an der Börse Frankfurt gelistet. Mit dem Börsengang von Ottobock im Prime Standard haben wir einen guten Auftakt für das letzte Quartal mit Signalwirkung für andere Kandidaten in der Pipeline.

GoingPublic: Beteiligungsgesellschaften wie Mutares bringen Tochterfirmen an die Börse. Dies kann als Ausstiegsstrategie dienen. Gibt es derzeit einen Trend in diese Richtung?

Martin Steinbach: Börsengänge von Private Equity (PE) finanzierten Börsenkandidaten haben zuletzt an Bedeutung gewonnen. Weltweit repräsentieren sie 12 % der Börsengänge und haben mit einem Anteil von 43 % am globalen Platzierungsvolumen einen hohen Stellenwert für die Märkte. In 2025 haben sie sich damit verdoppelt. Traditionell führt hier der amerikanische Markt. Exits von Beteiligungsgesellschaften sind üblicherweise als Multi-Track-Exit, bei dem ein Verkauf auf verschiedene Weisen möglich ist, organisiert. Neben dem Trade-Sale an eine weitere Beteiligungsgesellschaft oder den Verkauf über einen klassischen M&A-Prozess innerhalb der Industrie ist der Börsengang eine weitere Option. Die IPO-PE-Exit-Pipeline ist gut gefüllt, auch wenn Private-Equity-Firmen aktuell länger als im historischen Durchschnitt ihre Beteiligungen halten beziehungsweise Venture-Capital-finanzierte Scale-ups länger privat bleiben.

GoingPublic: In welchen Regionen auf der Welt gibt es verstärkte IPO-Aktivitäten?

Quelle: © Dr. Martin Steinbach – EY Global PO Trends Q3 2025

Martin Steinbach: Auffällig ist die deutliche Verbesserung des IPO-Sentiments in Amerika und Asien auf Jahressicht – und ein Aufhellen der IPO-Aktivität in Europa in Q3. Die Zahl der IPOs wuchs in den USA deutlich auf 180 IPOs (Vorjahr: 121) mit einem Emissionsvolumen von 33 Mrd. USD gegenüber dem Vorjahr von 27,3 Mrd. USD und mit einer hohen Dominanz von 50 % und Abhängigkeit von Börsenneulingen von außerhalb der USA – primär Asien. Der Markt für Börsengänge in Greater China stieg ebenfalls signifikant und erreichte 155 IPOs – im Vergleich zum Vorjahr von 119 –mit einem Emissionsvolumen von 35,9 Mrd. USD (Vorjahr: 14,1 Mrd. USD). An europäischen Börsen ließen sich mit 73 nach 97 im Vorjahr bedingt durch die erhöhten Unsicherheiten im ersten Halbjahr auf Jahressicht weniger Unternehmen listen, das Emissionsvolumen erreichte 9,4 Mrd. USD. Im Vorjahr waren es 15,4 Mrd. USD. Aus Europa schafften es dennoch die IPOs von Klarna und SMG unter die Global Top Ten. Die IPO-Aktivität ist von den großen Transformationsprozessen in Industrien wie dem der Digitalisierung und der KI geprägt. Sektoral entfielen die höchsten Anteile am weltweiten Emissionsvolumen auf die Branchen Technologie, Mobility und RE/Hospitality & Construction.

GoingPublic: Wir danken Ihnen für dieses Gespräch, Herr Dr. Steinbach.

Das Interview führte Gian Hessami

 

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Dr. Martin Steinbach, Partner & EY EMEIA IPO Leader; © EY
Dr. Martin Steinbach, Partner & EY EMEIA IPO Leader; © EY

Dr. Martin Steinbach ist Partner bei EY und Head of IPO and Listing Services in Deutschland. Außerdem ist er EY EMEIA (Europe, Middle East, India & Africa) IPO Leader. Steinbach konzentriert sich bei seiner Tätigkeit auf ganzheitliche IPO Readiness Beratung, Boardroom Advisory und Investor Relations Implementierung. Seine Erfahrung vereint unterschiedliche Disziplinen und Perspektiven: die eines Investors, Emittenten, Beraters ebenso wie die einer Bank, eines Eigenkapital aufnehmenden Unternehmens und einer Börse.

Autor/Autorin

Gian Hessami
Finanzjournalist at  | Website

Gian Hessami ist freiberuflicher Finanzjournalist und schreibt für GoingPublic Beiträge rund um Aktien und den Kapitalmarkt. Dabei stehen die Perspektive des Anlegers sowie die Chancen und Risiken der Investments im Vordergrund. Mit den Finanzmärkten beschäftigt sich der gelernte Zeitungsredakteur bereits seit 2004. Bei Investments fokussiert er sich auf Anlageklassen wie Aktien, Anleihen und Rohstoffe. Darüber hinaus hat er sich auf Derivate wie Zertifikate und Hebelprodukte spezialisiert. Hessami Corporate Publishing