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Die Kommunikation und das Reporting von börsennotierten Unternehmen und Börsenkandidaten sind von einem zunehmend schwierigeren und unsicheren Umfeld geprägt. Insbesondere das Erwartungsmanagement von Risiken gegenüber Aktionären und Investoren stellt die Investor Relations (IR) vor große Herausforderungen. Mit den Risiken im Blick, gleicht die Investorenkommunikation einem Balanceakt und IR navigiert professionell durch einen Mix an Unsicherheiten. Von Dr. Martin Steinbach und Christina Ohde
Die gefühlte „Permavolatilität“ an den Kapitalmärkten zeigt sich und ist verursacht durch die gestiegene Häufigkeit von global wirkenden Schocks und Krisen wie geopolitischen Spannungen und Handelskonflikten, Unruhen und Kriegen, wirtschaftspolitischen Konflikten, Pandemien, konjunkturellen Belastungen, Inflations- und Zinsentwicklungen oder Störungen in Lieferketten.
Eine aktuelle Studie – die DIRK- und EY-Studie 2025 zum Erwartungsmanagement von Investor Relations im Multi-Risiken-und-Krisen-Umfeld – beschäftigt sich mit den Fragen: Wie bereitet sich IR auf den Multi-Risiken-und-Krisen-Modus vor? Was sind neue Anforderungen an das Risikomanagement, die Corporate Governance, die Krisenkommunikation, an das Erwartungsmanagement und an die Organisation der IR-Funktion?
Anforderungen an das Erwartungsmanagement von Risiken werden komplexer
In Zeiten großer Verunsicherung am Kapitalmarkt aufgrund multipler Risiken und Krisen sehen sich die IR-Officer mit mehreren Herausforderungen konfrontiert. Die größten werden im zunehmenden Rückgang der Liquidität an den Börsen, insbesondere der Fragmentierung von Liquidität an den Handelsplätzen, und der höheren Kapitalmarktregulierung mit sinkender Attraktivität der Börsennotiz gesehen. Als weitere Herausforderungen werden die komplexe Risikolandschaft und die Risikobeurteilung für die Ad-hoc-Relevanz, die geringere Sichtbarkeit am Kapitalmarkt und die Schnelligkeit der Informationen und Verarbeitung in hoch vernetzten Märkten angeführt.
Abb. 1: Größte Herausforderungen im Multi-Risiken-und-Krisen-Modus. Quelle EY
Zu den bedeutendsten Veränderungen in dieser Zeitenwende zählen für IR die generell höhere Komplexität im Erwartungsmanagement von Risiken, insbesondere in Bezug auf Marktvolatilitäten, und der häufigere Anpassungsbedarf von Prognosen und der Analyst Guidance – ein effizientes und systematisches Risikomanagement ist daher wichtiger denn je. Auch der intensivere Austausch und die Beziehungspflege mit Stakeholdern sowie der Druck und die Erwartungen an eine transparente und nachhaltige Kommunikation wie auch ein erhöhter interner Abstimmungsbedarf und die Vernetzung nach innen und nach außen gewinnen für IR an Bedeutung.
Eine gute Risikomanagementinfrastruktur ist das A und O
Zu den für die IR-Officer bedeutsamsten Risiken gehören geopolitische Spannungen und Handelskonflikte und Transformationsthemen wie Risiken aus Cyberunsicherheiten, Arbeitskräftemangel oder IT- und Digitalisierungsrisiken. Auch Risiken aus Unruhen und Kriegen oder Lieferkettenstörungen sind nach Ansicht der IR-Befragten relevant. Dabei hat IR mehrheitlich einen detaillierten Einblick in das Risikomanagement des Unternehmens. Vor allem große Unternehmen verfügen dabei über klare, professionell aufgesetzte Strukturen im Risikomanagement, vermutlich aufgrund größerer Kapazitäten und eines größeren Budgets.
Bei der Mehrheit der Unternehmen, ob groß, mittelgroß oder Nichtindexunternehmen, sind wesentliche Risiken identifiziert und ein reguläres Managementreporting ist aufgesetzt. Risiken sind evaluiert und in einer Risikomatrix aufgenommen, insbesondere bei großen Unternehmen. Maßnahmen zur Risikovermeidung sind hingegen gerade bei Nichtindexunternehmen, aber auch bei den großen Unternehmen etabliert. Gerade bei großen Unternehmen sind im Gegensatz zu mittelgroßen und Nichtindexunternehmen Risikofrühwarnindikatoren (Key Risk Indicators) aufgenommen, eine Risikopräferenz und ein Risikoappetit festgelegt und eine Risikostrategie etabliert. Größere Unternehmen verfügen außerdem eher über integrierte IT-Tools im Risikomanagement, beispielsweise im Meldeprozess und in der laufenden Überwachung (siehe Abb. 2).
Die Überprüfung der Risikomatrix, das Risikoreporting an die Geschäftsleitung und Diskussionen im Risikokomitee erfolgen dabei regulär und fortlaufend.
Engerer Austausch mit dem Risikomanagement gewinnt an Bedeutung
Die komplexere Risikolandschaft kann zu Veränderungen der Prozesse und Infrastrukturen in der IR-Organisation führen. Dies zeigt sich insbesondere dadurch, dass IR im Multi-Risiken-und-Krisen-Modus stärker im Risikomanagement des Unternehmens eingebunden ist. Dabei gewinnt vor allem die vermehrte Interaktion von IR mit dem Vorstand an Bedeutung, insbesondere bei mittelgroßen und Nichtindexunternehmen.
Je größer die Unternehmen, desto eher existiert ein Disclosure-Komitee, das unter anderem die Ad-hoc-Notwendigkeiten von Informationen überprüft, IR ist stärker ins Management-Risikoreporting einbezogen und es werden Leitfäden oder Guidelines (z.B. eine Krisenkommunikations-Guideline) entwickelt. Für die IR-Officer von Nichtindexunternehmen rücken im gestiegenen Risikoumfeld die stärkere Einbindung von IR bei der Risikoevaluation und -bewertung sowie die Verbesserung der Prozesse zwischen IR und dem Risikomanagement in den Vordergrund.
Die IR-Officer geben an, dass sich die inhaltliche Zusammenarbeit von IR mit fast allen wichtigen IR-Funktionsträgern, insbesondere mit Compliance und Recht, dem Risikomanagement und Communications, intensiviert. Risiken sind für IR-Officer mehrheitlich wichtiger Bestandteil des Annahmensets des Umsatz-und-Ergebnis-Forecasting-Prozesses, Teil der One Voice Policy, z.B. über unternehmensspezifische FAQ, und der Diskussionen rund um die Analyst Guidance. Das meistgenutzte Format im Erwartungsmanagement von Risiken ist der Risikobericht und der Prognosebericht im Lagebericht. Geeignete Medien sind nach Ansicht der IR-Officer Analystencalls und Investorenkonferenzen.
IR ist Navigator in einem dynamischeren Risikoumfeld
Die aktuelle Studie zeigt, dass sich Unternehmen im heutigen Alltag tagtäglich mit vielen Unsicherheiten, Gefahren und Bedrohungen – eben einer komplexeren und sich öfter ändernden Risikolandschaft – befassen müssen; die Rahmenbedingungen für IR-Officer könnten im derzeitigen Umfeld nicht herausfordernder sein. IR kann in diesem komplexen Risikoumfeld einen erheblichen Beitrag leisten, die Erwartungen im Kapitalmarkt, bei Investoren und Analysten zu steuern und Überraschungen weitestgehend zu vermeiden.