Prof. Dr. Wolfgang Blättchen
Prof. Dr. Wolfgang Blättchen

Der Börsengang deutscher Unternehmen an amerikanischen Börsenplätzen ist zurzeit in aller Munde und wird von vielen Marktteilnehmern wie Banken, Beratern und Anwälten sehr stark propagiert. In der Tat ist der US-IPO-Markt im Vergleich zum deutschen bzw. europäischen Kapitalmarkt sehr aufnahmefähig. Bereits in den ersten fünf Monaten sind 83 Börseneinführungen mit einem Volumen von rund 14 Mrd. USD an der NSDAQ bzw. NYSE registriert worden. 

Obwohl wir in Deutschland derzeit eine kleine „IPO-Rallye“ erleben, bewegen wir uns relativ gesehen mit bis dato insgesamt fünf Neuemissionen bei einem Emissionsvolumen von 1,4 Mrd. EUR auf niedrigstem Niveau. Ein häufig angeführtes Argument für den Gang an den US-Markt ist das höhere Bewertungsniveau, das deutsche Emittenten dort erzielen können. An dieser grundsätzlichen Aussage sind durchaus Zweifel angebracht, wie der Fall VOXELJET (US-Listing) versus SLM Solutions (Prime Standard) zeigt. Beide Emittenten weisen zum IPO-Zeitpunkt den gleichen Umsatzmultiplikator auf Basis des Geschäftsjahrs vor Börseneinführung („pre-money“) von etwa 11,5 auf. Ein weiteres Argument für ein US-Listing ist das bessere Investorenverständnis für spezielle Branchen insbesondere in der Biotechnologie. In den letzten zwei Jahren fand an den US-Börsen ein IPO-Boom von Biotechunternehmen statt, den wir am heimischen Markt leider vermissen. Vermutlich wären die beiden US-Börsengänge der deutschen Emittenten Innocoll und Affimed am hiesigen Börsenplatz nicht oder nur schwer möglich gewesen. Der Schritt an die US Börse für solche IPO Kandidaten kann durchaus Sinn machen, sofern auch eine operative Verbindung zum US-Markt besteht bzw. aufgebaut werden soll. Jedoch muss hier das Kosten-/Nutzenverhältnis hinterfragt werden, da ein US Listing signifikant höhere Kosten für das IPO selbst, aber auch eine erhöhte Komplexität bei den Börsenfolgepflichten mit ausländischem Kapitalmarktrecht verursachen.