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Die europaweite Energiewende ist ein komplexes Unterfangen, bei dessen Umsetzung Regulatorik, Realwirtschaft und Kapitalmärkte ineinandergreifen. Eine Schlüsselrolle als Energieträger kommt dabei dem Wasserstoff zu. Er treibt Lkw, Busse und Züge an – und verleiht dem Geschäft der Wolftank Group Schub.
Im Verkehrssektor ist der Einsatz von Wasserstoff vor allem bei schweren Lkw, Bussen und Zügen sinnvoll. Bei der praktischen Umsetzung steht die Energiewende vor einem klassischen Henne-Ei-Problem: Lkw-Flotten und Betankungsinfrastruktur bedingen einander. Um den Betrieb von wasserstoffbetriebenen Lkw voranzubringen, fördert die EU daher einen zügigen Ausbau des erforderlichen Tankstellennetzes. Der Plan: An den europäischen Fernstraßen sollen alle 200 Kilometer Tankstellen bereitstehen, ergänzt durch Stützpunkte in urbanen Zentren. Dafür sollen europaweit bis zum Jahr 2026 rund 1.750 Wasserstofftankstellen errichtet werden; nur vier Jahre später sollen es 5.000 sein. Aktuell stehen in ganz Europa weniger als 200 solcher Tankstellen zur Verfügung.
Drei Geschäftsfelder unter einem Dach
Die Wolftank Group befasst sich seit mehr als 70 Jahren mit Tank- und Umwelttechnologien und hat in den letzten Jahren den Bereich Wasserstoff kräftig ausgebaut. Ihre Aktivitäten sind in drei Geschäftsfeldern gebündelt. „Wasserstoff und erneuerbare Energien“ umfasst über die Wasserstoffaktivitäten hinaus Ladesäulen für E-Fahrzeuge sowie Tankanlagen für LNG. „Industrielle Beschichtungen und Wartung“ beinhaltet die Sanierung von Tanks, Rohren und Auffangwannen sowie den Umbau von einwandigen zu doppelwandigen Tanks. Da angesichts der Energiewende kaum noch neue Tanks für fossile Energieträger projektiert werden dürften, gewinnt die Sanierung noch mehr an Bedeutung. Zu den „Umweltdienstleistungen“ schließlich zählen die Reinigung von kontaminiertem Grundwasser und Böden, Umwelt-Due-Diligences sowie der Rückbau nicht mehr benötigter Anlagen.
Referenz in Bozen, weitere neue Aufträge aus Italien
Weltweit sind bereits über 100 Wasserstoffstandorte in 15 Ländern für Speicherung, Transport und Betankung in Betrieb mit Wolftanks EDC-Betankungssoftware aus dem Wasserstoff-Kompetenzzentrum in Tulln an der Donau. 2021 errichtete das Unternehmen im Auftrag der Bozener Verkehrsbetriebe SASA sein bislang wichtigstes Referenzprojekt: eine Tankstelle für zwölf wasserstoffbetriebene städtische Busse. Solche geschlossenen Systeme sind eine ideale Umgebung, um praktische Erfahrungen mit der Technologie zu sammeln. Im Januar 2024 konnte die globale Gruppe in einer Bietergemeinschaft das Bozener Nachfolgeprojekt für sich entscheiden und rund 2,5 Mio. EUR des Auftragsvolumens für sich verbuchen. Bereits Ende November 2023 vermeldete man zudem den Zuschlag bei einer Wasserstoffbetankungsanlage für Züge in Norditalien mit einem Volumen von rund 10 Mio. EUR.
100 Mio. EUR Umsatz in Reichweite
Die Umsätze der Gruppe stiegen in den letzten Jahren stetig und sollen 2024 erstmals die Marke von 100 Mio. EUR überschreiten. Den Jahresabschluss 2023 legt das Unternehmen am 17. Mai vor. Mit Vorlage der Halbjahreszahlen stellte der Vorstand für das Gesamtjahr 2023 Umsätze von 74 Mio. bis 91 Mio. EUR bei einem EBITDA von 4,9 Mio. bis 6,7 Mio. EUR in Aussicht. Unter dem Strich schrieben die Innsbrucker in den letzten Jahren rote Zahlen, was mit den Auswirkungen der Pandemie und signifikanten Investitionen für die Technologieführerschaft in den einzelnen Geschäftsfeldern begründet wird. Die Analysten erwarten für 2023 die Wende hin zu positiven Nettoergebnissen.
„Der ‚Wasserstoffzug‘ nimmt Fahrt auf“
Im Gespräch mit Simon Reckla, Mitglied des Vorstands, Wolftank Group
Going Public: Herr Reckla, Mitte Mai veröffentlichen Sie den Abschluss 2023. Können Sie uns eine erste Einschätzung des abgelaufenen Geschäftsjahres geben?
Reckla: Den Zahlen kann ich natürlich nicht vorgreifen, aber mit der Markterwartung, wie sie in den Schätzungen der Analysten zum Ausdruck kommt, fühlen wir uns wohl.
Ende Juni 2023 hatten Sie einen sehr soliden Auftragsbestand von 44 Mio. EUR, in den letzten Monaten haben Sie zudem größere Aufträge aus Italien gemeldet. Das müsste Sie für 2024 und 2025 zuversichtlich stimmen.
So ist es: Der „Wasserstoffzug“ nimmt Fahrt auf und wir beginnen, die Früchte unserer Vorleistungen der letzten Jahre zu ernten. Die Pandemie hat unser Geschäft erheblich belastet. Dennoch haben wir unser Personal gehalten, die Technologien weiterentwickelt und uns an technisch komplexen Ausschreibungen beteiligt. Das spiegelt sich nun im Auftragsbestand und in ersten konkreten Projekten wider. Insgesamt sind wir sehr zuversichtlich. Betonen möchte ich, dass sich unsere breite Aufstellung mit drei Geschäftsbereichen ausdrücklich bewährt hat. Sie ergänzen sich entlang der Wertschöpfungskette der Betankungsinfrastruktur und profitieren von der Energiewende hin zur emissionsfreien Mobilität.
Derzeit dominiert der italienische Markt. Wo wollen Sie wachsen?
In der Tat sind wir in Italien stark vertreten. Aber auch in Deutschland ist viel zu holen – hier sind wir auf einem guten Weg. Insgesamt adressieren wir mehr als 20 Länder, die wir auf unterschiedliche Art bearbeiten. So sind wir seit einem Jahr auch in Kalifornien präsent.
Verspricht eine zunehmend größer werdende „Installed Base“ Servicegeschäft?
Bereits jetzt führen wir in einem Joint Venture den Service für ein Netz von 3.000 Tankstellen durch. Je mehr Wasserstoffanlagen wir errichten, desto mehr Servicegeschäft generieren wir in der Folge. Wichtig in diesem Zusammenhang ist unsere eigene Software: Die Betankung mit Wasserstoff bringt wesentlich komplexere Anforderungen mit sich, als es bei Benzin oder Diesel der Fall ist. Die Software hat daher auch eine eminent hohe sicherheitstechnische Relevanz und ist ein starkes Verkaufsargument.
Vielen Dank für das Gespräch.
Das Gespräch führte Oliver Vollbrecht.
Die Aktie: ESG und Wachstum
Die in Wien und in m:access gelistete Aktie pendelt zwischen 10 und 14 EUR. In den letzten Jahren wurden regelmäßig (verwässernde) Kapitalerhöhungen durchgeführt, aktuell liegt die Marktkapitalisierung bei rund 60 Mio. EUR. Die Analysten verströmen Optimismus und erwarten für die kommenden Jahre zweistelliges Umsatzwachstum und nachhaltig positive Ergebnisse bei Kurszielen deutlich über dem aktuellen Niveau. Wer im Mittelstand nach einem ESG-konformen Geschäftsmodell sucht, ist bei Wolftank ohnehin gut bedient: Unternehmensangaben zufolge spart jedes Gramm CO2, das die Gruppe emittiert, 10 Gramm CO2 ein – und das nicht mit komplexen Technologien, die es erst noch zu entwickeln gilt, sondern auf Basis von praxistauglichem, im robusten Einsatz bewährten Know-how.
Fazit
Noch teilt der Markt die Zuversicht der Analysten nicht. Doch die schiere Menge der zu errichtenden Tankstellen sowie die Expertise und die Referenzen der Wolftank Gruppe sprechen dafür, dass Wolftank bei der Energiewende nicht zu kurz kommt. Nicht zu vergessen: Das Stammgeschäft läuft ja weiter. Und die wachsende Installed Base verspricht ansteigendes Servicegeschäft. Wenn der Auftragsbestand wächst und sukzessive zu profitablem Umsatz wird, dann kann auch beim Aktienkurs die Wende kommen.