Die in der Praxis häufigsten Aktionärsanträge und ihre rechtliche Behandlung werden in der nachfolgenden Übersicht veranschaulicht:

Zweifelsfragen bleiben
Aus der Übersicht wird deutlich, dass noch eine Reihe von Zweifelsfragen bezüglich der Voraussetzungen und der richtigen Behandlung einzelner Aktionärsanträge in der Hauptversammlung verbleiben. Diese betreffen insbesondere die Frage der Abwahl eines (satzungsmäßig berufenen) Versammlungsleiters (siehe zur Häufigkeit und dem Inhalt statutarischer Regelungen zur Person des Versammlungsleiters bei DAX-Unternehmen die empirische Studie von Bayer/Hoffmann, AG 2012, R 339 ff. Eine Regelung zum Versammlungsleiter enthalten danach alle untersuchten Satzungen). Immerhin hat das LG Frankfurt/Main in dem eingangs erwähnten Urteil vom 20.12.2011, Az. 3-5 O 37/11 – Deutsche Bank HV 2011, juris-Tz. 55 (n.rkr.) entschieden, dass ein Abwahlantrag dann vom Versammlungsleiter wegen Missbräuchlichkeit übergangen werden kann, wenn dieser mit identischer Begründung schon im Vorjahr vorgebracht und von der Hauptversammlung abgelehnt wurde.

In der zweiten eingangs erwähnten gerichtlichen Entscheidung hat das OLG Hamburg, Urteil vom 23.12.2010, Az. 11 U 185/09, AG 2011, S. 677, 678 f. klargestellt, dass es zwar das Recht und die Pflicht des Versammlungsleiters ist, die Reihenfolge zu bestimmen, mit der über mehrere Anträge zu demselben Beschlusspunkt abgestimmt werden soll. Jedoch bedeutet es einen grundsätzlich zur Anfechtbarkeit eines Beschlusses führenden Verstoß gegen das Rederecht eines Aktionärs, wenn dieser seinen Gegenantrag nicht vor der Abstimmung über den Vorschlag der Verwaltung mündlich präsentieren durfte. Durch dieses Vorgehen würde ihm nämlich die Möglichkeit entzogen, mit seinem eigenen Antrag die Willensbildung bei der Abstimmung über den Antrag der Verwaltung zu beeinflussen. Die Einräumung des Rederechts, nachdem die Hauptversammlung zu diesem Beschlusspunkt bereits ihre Entscheidung getroffen hatte, erweist sich dabei als nicht gleichwertig. Ungeachtet der streitigen Frage, ob die Hauptversammlung überhaupt eine von ihr einmal getroffene Entscheidung in derselben Versammlung wieder aufheben kann, dürfte die Bereitschaft der Mitaktionäre, von ihrer bereits getroffenen Entscheidung nach kurzer Zeit wieder abzuweichen, aus allgemeinen psychologischen Gründen besonders gering sein.

Fazit
Für den mit der Durchführung von Hauptversammlungen betrauten Praktiker ergibt sich aus dem Vorstehenden, dass er sich zwar bei der Behandlung einer Reihe von Aktionärsanträgen in der Hauptversammlung auf sicherem Boden bewegt, jedoch Situationen entstehen können, die bislang ungeklärte Zweifelsfragen aufwerfen können. Dabei ist es nicht nur die Aufgabe des Versammlungsleiters, den jeweiligen Antrag rechtmäßig abzuwickeln, sondern er muss auch auf die Wahrung seiner Autorität sowie darauf achten, dass die Hauptversammlung durch die Anträge und deren Behandlung nicht über Gebühr verzögert wird. Dies erfordert eine freundliche, verbindliche und souveräne Versammlungsleitung, wobei es sich immer wieder als sinnvoll erwiesen hat, auch erfahrenen Versammlungsleitern einen mit dem Recht der Hauptversammlung bestens vertrauten und praxiserfahrenen Berater zur Bewältigung allfälliger Zweifelsfragen und zur Abstimmung der jeweils zu wählenden Vorgehensweise zur Seite zu stellen.

Autor/Autorin