Michael Schwartzkopff und Axel Hoppe, LLR Legerlotz Laschet

In Hauptversammlungen von AGs häufig wiederkehrende Situationen sind die, dass Aktionäre Anträge zum Verfahren der Hauptversammlung (Geschäftsordnungsanträge),  von den veröffentlichten Beschlussvorschlägen der Verwaltung abweichende bzw. ergänzende Sachanträge (Gegen- bzw. Annexanträge) oder abweichende Wahlvorschläge unterbreiten. In der Praxis haben sich erprobte Vorgehensweisen herausgebildet, wie mit solchen Situationen umzugehen ist. Gleichwohl sind noch eine Reihe von Fragen offen, wie nicht zuletzt neuere instanzgerichtliche Urteile (siehe OLG Hamburg, Urteil vom 23.12.2010, Az. 11 U 185/09, AG 2011, S. 677 ff. und LG Frankfurt/Main, Urteil vom 20.12.2011, Az. 3-5 O 37/11 – Deutsche Bank HV 2011, n.rkr.) und Stellungnahmen im Schrifttum zeigen.

Aktionärsverlangen in der Hauptversammlung

Aktionärsverlangen in der Hauptversammlung können zum einen auf die Gestaltung des Verfahrens der Hauptversammlung und zum anderen auf ihre sachliche Entscheidungsfindung gerichtet sein. Bei Verfahrensanträgen handelt es sich um Begehren, die sich darauf beziehen, ob und wie und ggf. durch wen die Hauptversammlung die Gegenstände der Tagesordnung abhandelt. Sachanträge bzw. Wahlvorschläge der Aktionäre sind hingegen auf den Inhalt der Entscheidung der Hauptversammlung in einer Sachfrage gerichtet. Dabei gilt es zu beachten, dass entsprechende Anträge, insbesondere zum Verfahren – wie z.B. der Antrag auf Abwahl des Versammlungsleiters – von querulatorischen Aktionären nicht selten genutzt werden, um den Ablauf der Hauptversammlung zu verzögern, die Autorität des Versammlungsleiters zu schwächen und nicht zuletzt Fehler bei der Abwicklung der Hauptversammlung zu provozieren, die die Grundlage für spätere Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen bilden sollen. Solche „Vorgehensweisen“ bleiben mitunter auch nicht auf den Versammlungsleiter und die Verwaltung beschränkt, sondern mitunter wird insbesondere auch der Notar durch umfassende Protokollierungswünsche und dergleichen mit einbezogen.

Wird ein Aktionärsantrag bzw. Verlangen in der Hauptversammlung gestellt, ist für eine sachgerechte Handhabung essentiell, dass der Versammlungsleiter sich hierdurch nicht verunsichern oder gar, wenn ein persönlicher Angriff hiermit verbunden ist, provozieren lässt, sondern auch weiterhin souverän vermittelt und aufzeigt, uneingeschränkt „Herr des Verfahrens“ zu sein. Das setzt zunächst voraus, dass dem Antragsteller verbindlich mitgeteilt wird, dass man seinen Antrag bzw. sein Verlangen wahrgenommen hat, eine Prüfung vornehmen und zu gegebener Zeit darauf zurückkommen wird.

Eine der wichtigsten Regeln bei der Behandlung von Anträgen lautet: Ruhe bewahren, den Antrag sorgsam prüfen und Herr des Verfahrens bleiben! Illustration : PantherMedia / Pixilery

Verlangen von Aktionären, die mit der Ankündigung verbunden werden, bis zur Entscheidung über das Verlangen, die unmittelbar erfolgen müsse, das Rednerpult nicht verlassen zu wollen, können vom Versammlungsleiter getrost zurückgewiesen werden. Kein Antrag ist so eilig und dringend, dass der Versammlungsleiter beispielsweise nicht noch einen weiteren Redner aufrufen oder aber dem Vorstand das Wort für die Beantwortung von Fragen erteilen könnte. Eines sollte aber zwingend unterlassen werden: Die Abstimmung über Sachanträge, wenn nicht klar ist, ob noch unerledigte Verfahrensanträge vorliegen. Bei Anträgen auf Abwahl des Versammlungsleiters sollte zudem nicht lange mit der Abstimmung zugewartet werden, um nicht ein durch den Antrag verursachtes Legitimationsdefizit des Versammlungsleiters entstehen zu lassen. Im Übrigen ist bei der Abstimmung über Verfahrensanträge ein Zeitpunkt zu währen, der sich optimal in das gesamte Zeitgefüge integriert; so kann z.B. dem Back-Office für die Abarbeitung offener Fragen Luft verschafft werden, wenn über Verfahrensanträge, sozusagen als Lückenfüller, im Rahmen der Generaldebatte abgestimmt wird. Im Übrigen kann es sinnvoll sein, eine erforderliche Aussprache über Verfahrensanträge vor die Generaldebatte zu ziehen bzw. zu isolieren, wobei auf eine solche nicht hingewirkt werden sollte, um eine zeitliche Belastung der Hauptversammlung zu vermeiden.

Sodann ist folgende Prüfung durch das Backoffice bzw. den HV-Berater vorzunehmen und in Abhängigkeit vom Ergebnis weiter durch den Versammlungsleiter zu verfahren:

  • Liegt ein Verfahrens- oder Sachantrag vor?

Bei Verfahrensanträgen

  • Fällt die Entscheidung über eine Verfahrensfrage in die Kompetenz des Versammlungsleiters oder in die der Hauptversammlung?
  • Liegen die materiellen Voraussetzungen vor, den Antrag zur Abstimmung zu stellen (z.B. Vortrag eines wichtigen Grundes bei der Anwahl des Versammlungsleiters)?
  • Ist eine Aussprache über den Antrag geboten und wenn ja, in welchem Umfang und zu welchem Zeitpunkt?
  • Wann ist über den Antrag zu entscheiden?
  • Gibt es ggf. weitere vorrangig zu behandelnde Verfahrensanträge (so wäre z.B. der Antrag auf Vertagung der HV auf Grund seiner größeren Reichweite vor einem Antrag auf Vertagung eines einzelnen TOP abzustimmen)?
  • Welche Mehrheiten müssen erreicht werden und bestehen Stimmverbote?