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Markt wird bestimmt durch regulatorische Vorgaben

Der Hauptwachstumstreiber für die Geschäftszahlen ist die anhaltende Energiewende in Europa. Die EU beabsichtigt den Kontinent bis 2050 in die Klimaneutralität zu führen, was zu signifikanten Investitionen von staatlicher und privater Seite in die Energieinfrastruktur führt. Bereits seit Jahren substituiert Erdgas die kohlenstoffhaltigeren Brennstoffe wie Kohle und Öl und ergänzt die schwankungsanfälligen Erneuerbaren Energien. Hier haben sich die deutschen Fernnetzbetreiber verpflichtet, bis 2030 fast 9 Mrd. EUR in die Modernisierung und den Ausbau des Erdgasnetzes zu investieren.

Der Transport der wachsenden Stromproduktion aus Sonne, Wind und Biomasse erfordert auch den massiven Ausbau bestehender Stromleitungsnetze. Hier wollen die deutschen Betreiber bis 2030 61 Mrd. EUR investieren. Etwa die Hälfte davon entfällt auf die Realisierung der erdverlegten Stromautobahnen Deutschlands, 17 Mrd. EUR allein sollen in die Suedlink-, Suedostlink- und Korridor A-Nord-Projekte fließen.

Bei Wirtschaftsbereichen, in denen die Elektrifizierung keine geeignete Lösung darstellt, wird Wasserstoff derzeit als die einzige realistische Alternative zur Dekarbonisierung gesehen. Dies gilt insbesondere für den Transportsektor mit dem Schwerlastverkehr oder den öffentlichen Nahverkehr, aber auch industrielle Hersteller beschäftigen sich zunehmend mit Wasserstoff als Energiequelle. Wie erwähnt hat die EU beschlossen, bis 2030 mehr als 430 Mrd. EUR in diesen Sektor zu investieren. Allein 64 Mrd. EUR sollen in ein europäisches Wasserstoffleitungsnetz, den „European Hydrogen Backbone“ fließen.

Einschätzung zur Aktienentwicklung & Peers

Durch die Abdeckung der gesamten Wertschöpfungskette über seine Geschäftsbereiche hat FRIEDRICH VORWERK das Potenzial an vielen Projekten beteiligt zu werden. Das ist eine klare Stärke des Unternehmens, da die meisten anderen Anbieter sich in einzelnen Segmenten spezialisiert haben:

Neles Oyj ist ein finnischer Anbieter, der sich auf die Produktion von Systemen zur Flusskontrolle spezialisiert hat. 2020 hat Neles einen Umsatz von 576 Mio. EUR gemacht, der 2021 auf 599 Mio. EUR taxiert wird. Bei einer Marktkapitalisierung von 1,6 Mrd. EUR kommt Neles auf ein Verhältnis Marktkapitalisierung/Umsatz von 2,8. Das Nettoergebnis wird 2021 auf 63 Mio. EUR und 2022 auf 74 Mio. EUR geschätzt. Damit käme Neles auf ein KGV ca. 25 und 22.

Alfa Laval AB aus Schweden hat sich auf die Herstellung von industriellen Systemen zum Heizen, Kühlen, Trennen und Transportieren von Substanzen wie u.a. Öl, Wasser, chemische Stoffe spezialisiert. Das Unternehmen erzielte 2020 einen Umsatz von 4,1 Mrd. EUR (2021*: 3,9 Mrd. EUR). Bei einer Marktkapitalisierung von 11,3 Mrd. EUR liegt das Verhältnis Marktkapitalisierung/Umsatz 2020 bei 2,4. Das Nettoergebnis betrug 410 Mio. EUR, 2021 werden 440 Mio. EUR geschätzt. Somit läge das KGV bei ca. 28 bzw. 26.

Die Weir Group aus GB ist auf Ingenieurdienstleistungen mit Bezug zu Infrastruktur und der Öl- und Gasindustrie und Bergbau spezialisiert. Der Umsatz lag 2020 bei 2,4 Mrd. EUR (2021*: 2,3 Mrd. EUR), bei einer Marktkapitalisierung von 5,5 Mrd. EUR liegt das Verhältnis Marktkapitalisierung/Umsatz 2020 bei 2,3. Der Nettogewinn 2020 belief sich auf 97 Mio. EUR, 2021 werden bereits 195 Mio. EUR geschätzt. Somit ergäbe sich ein KGV von 54 bzw. 29.

Plug Power aus den USA ist Entwickler von Wasserstoff-Brennstoffzellensystemen für den industriellen Offroad-Markt und den stationären Energiemarkt. Der Umsatz 2020 betrug 255 Mio. EUR (2021*: 390 Mio. EUR) was bei einer Market Cap von 21 Mrd. EUR zu einem Verhältnis Marktkapitalisierung/Umsatz von 82 führt (2021*: 54). Das Unternehmen erwirtschaftet noch Verluste in Höhe von 110 Mio. EUR (2021*: 100 Mio. EUR), somit ergibt sich noch ein weit negatives KGV.

Nel ASA aus Norwegen liefert Lösungen zur Herstellung, Speicherung und Verteilung von Wasserstoff aus erneuerbaren Energien. Der Umsatz lag 2020 bei 60 Mio. EUR (2021*:100 Mio. EUR), die Market Cap von 3,3 Mrd. EUR bedeutet somit ein Verhältnis Marktkapitalisierung/Umsatz von 55 (2021*: 33). Das Nettoergebnis 2020 zeigte 117 Mio. EUR an, das KGV 2020 beziffert sich aktuell auf 26. 2021 werden Verluste von 34 Mio. EUR geschätzt, daher besteht kein KGV-Vergleich.

Mit Bezug auf FRIEDRICH VORWERK fällt so auf, dass sich die Kennziffern Marktkapitalisierung/Umsatz und KGV zumindest bei den drei ersten Anbietern in etwa ähneln. Abhängig vom festgelegten Emissionspreis käme FRIEDRICH VORWERK auf eine Marktkapitalisierung/Umsatz-Ratio 2020 von 2,8 bis 3,7. Das KGV würde sich 2020 zwischen 27 und 37 einpendeln und nach einer tendenziell (angesichts des jüngeren Gewinnwachstums) eher konservativen Prognose 2021 auf 22 bis 30.

Man kann also nicht sagen, dass der avisierte Börsenwert zu teuer ist. Im Gegenteil: Angesichts der breiten Aufstellung in allen Marktsegmenten und dem bereits bestehendem Kontakt zu allen größeren Energieversorgern erscheint die Preisspanne durchaus fair und lässt Potenzial offen.

Die beiden Wasserstoffplayer Plug Power und Nel ASA spielen dagegen angesichts des Zukunftsfeldes Wasserstofftechnologie in Teilen noch in einer anderen Liga, insbesondere die hohe Marktkapitalisierung deutet aber darauf hin, dass im Wasserstoff die großen Hoffnungen liegen. Diesbezüglich hat sich FRIEDRICH VORWERK ebenso klar positioniert.

Fazit

FRIEDRICH VORWERK ist ein sehr interessantes IPO, das durch den Mehrheitseigentümer MBB begleitet wird, der bereits erfolgreich Börsengänge seiner Beteiligungen umgesetzt hat. Die Unternehmenszahlen sind gut – gerade im Vergleich zu einigen großen Energieversorgern. Auch die zuletzt getätigten Zukäufe von Bohlen & Doyen sowie der Korrupt GmbH erscheinen sorgfältig ausgewählt, um das Leistungsspektrum zu erhöhen.

Die auf Rekordniveau tendierenden Auftragsbestände sprechen zudem für den anhaltenden Wachstumskurs, der zudem politisch gewollt und gefördert ist. Sicherlich sieht sich auch FRIEDRICH VORWERK spezifischen Risiken ausgesetzt, etwa dass die Wasserstofftechnologie nicht die in sie gesetzten Fortschrittserwartungen bzgl. der Wettbewerbsfähigkeit erfüllt. Unter dem Strich aber dürfte das IPO guten Anklang finden und das Unternehmen auch künftig das Interesse von Investoren an sich ziehen.

Autor/Autorin

Ike Nünchert

Ike Nünchert ist freier Autor für das GoingPublic Magazin sowie für GoingPublic Online.