In einer Zeit, in der Marken, Dienstleistungen und Produkte immer ähnlicher werden, in der die Reproduzierbarkeit von Inhalten und Visualisierungen von Kommunikationskanälen angetrieben wird, gilt es, neue Differenzierungsfaktoren zu identifizieren und gezielt auszuspielen. Circular Reporting am Beispiel der ESG-Strategie.

Wie schaffen es nun Marken, eine Beziehung mit ihren Stakeholdern aufzubauen, statt nur zu informieren? Wie gelingt es einer Marke, von Menschen geliebt statt kritisch beobachtet zu werden? Wie lassen sich Erfolgsgeschichten im Zuge des sozialen und gesellschaftlichen Engagements inszenieren, statt nur Sachzusammenhänge zu präsentieren? Wie lässt sich somit der Wirkungskreis im Reporting erweitern?

Die Lösung liegt in einem neuen Verständnis von Marke und ihrer Verantwortung; einer Verantwortung, die an der EU-Richtlinie ausgerichtet ist, ESRS und ESG aber nicht zu pauschal-bürokratischen Akronymen verkümmern, sondern – richtig übersetzt – künftig zu unerlässlichen Differenzierungsfaktoren werden lässt.

Die Analogie eines Kreises

Um zu beschreiben, wie wir alle mehr Verantwortung für die Menschen und die Umwelt um uns herum übernehmen können, verwendete der Virgin-Gründer Richard Branson die Analogie eines Kreises. Demnach sollte jeder und jede zunächst einen Kreis um sich selbst ziehen und sicherstellen, dass es einem innerhalb dieses Kreises gut geht. Dann erweitert man sukzessive den Kreis um die Familie, Freunde und vielleicht auch um die Nachbarn oder das Wohngebiet mit Blick auf ein gesundes soziales, gesellschaftliches und ökologisches Gefüge. Als Unternehmen zieht man den Kreis um die Mitarbeitenden, erweitert dann den Wirkungskreis um weitere Anspruchsgruppen wie Kunden und Lieferanten. Zunehmend wird der Kreis größer und bezieht die Stadt und das Land ein. Dieses Denkmodell hilft dabei, Bedürfnisse oder Herausforderungen zu erkennen und Lösungen zu finden. Aus diesem Gedanken ergibt sich ein Ansatz, der sich als Baustein des Circular Reporting auf ESG übertragen lässt.

ESG-Relevanzmodell

Das ESG-Relevanzmodell bietet die Chance, den positiven Einfluss der Marke und die Wirkung ihres verantwortungsvollen Handelns einzukreisen. Dazu bedarf es einer konsistenten Kommunikation, die alle Anforderungen der internen Stakeholder berücksichtigt und die Interessen der externen Stakeholder im Blick hat. Jeder Unternehmensbereich folgt dabei einer übergeordneten Zielsetzung, kann aber individuelle Ansprüche geltend machen.

Um bei dem Bild von Branson zu bleiben: Man zieht den Kreis um die spezifischen, für alle Stakeholder relevanten ESG-Faktoren und legt dann weitere Kreise um die Unternehmensbereiche mit ihren individuellen Ambitionen. Daraus ergeben sich Schnittmengen und Aspekte, die mit dem Sinn und Zweck der Marke verbunden sind und eine entsprechende Wirkung künftiger Handlungen erzielen – Handlungen, die in Beiträge gegossen zur Differenzierung und Positionierung beitragen.

Tektonische Verschiebung

Stakeholder erwarten verlässliche, glaubwürdige Beiträge und Botschaften über den Sinn und Zweck der Marke hinsichtlich des sozialen Engagements und der gesellschaftlichen Relevanz. So verschiebt sich die kommunikative Ausrichtung vom Kapitalmarkt hin zum Gemeinschaftssinn. Genau das ist der Anker für entsprechende Inhalte; Inhalte, die schwungvoll das Lasso um den Zweck und den Nutzen für zum Beispiel Mitarbeitende oder die Gesellschaft werfen, mit dem Ziel, das Unternehmen inhaltlich zu „branden“ und eine glaubwürdige und verlässliche Antwort auf die Frage zu geben: Welche Rolle und Bedeutung wollen wir im Leben der Menschen spielen?

Die gemeinsam mit Mitarbeitenden unterschiedlicher Unternehmensbereiche (wie im ESG-Relevanzmodell skizziert) erarbeiteten Inhalte sind nicht Nabelschau, sondern sollen die Entscheidung der Stakeholder für die Marke oder für den potenziellen Arbeitgeber positiv beeinflussen, das Unternehmen besser positionieren als ein langweiliges Strategiepapier. Die meisten Unternehmen wollen ihre Mission erklären und zeigen, wie authentisch und sozial verantwortlich sie sind. Wenn sie sich jedoch scheuen, entsprechende Geschichten zu erzählen, zählt das alles nichts.

Die Kommunikation passt sich gesellschaftlich relevanten Themen und der öffentlichen Diskussion an.

Culture of Content

Im Rahmen des Reporting können inhaltliche Lustinseln (im Kontext der Pflichtberichterstattung nach ESRS oder GRI) belegen, wie Maßnahmen im Zuge des sozialen, gesellschaftlichen und ökologischen Engagements umgesetzt werden. In einer Phase, in der die Paragrafenreiter der EU mit ihren Berichtsstandards die Unternehmen wie eine Rinderherde wild vor sich hertreiben, fehlt einfach die eindeutig, aber großzügig umzäunte Weide als Spielwiese für die Nachhaltigkeitskommunikation. Im Folgenden dazu drei Trends einer Kultur der Inhalte:

Outside in statt inside out: Die Kommunikation orientiert sich nicht allein an internen Prioritäten. Vielmehr passt sie sich gesellschaftlich relevanten Themen und der öffentlichen Diskussion an. Ein Beispiel dafür sind die Themen „Mobilität der Zukunft“, „Nachhaltigkeit“ und „Cybersecurity“ im Geschäftsbericht 2022 der DEKRA – ein Bericht, der aus der Marke heraus entwickelt wurde, von den Themen getragen wird und so ESG glaubwürdig ausfüllt.

Multicasting: Beiträge werden nicht mit maximaler Aktualität einmalig veröffentlicht, sondern so erstellt, dass sie in Substorys teilbar und in unterschiedlichen Kanälen sowie auf diversen Devices konsumierbar sind. Das Energieunternehmen EnBW hat hierfür einen anpassungsfähigen, konzeptionellen Rahmen für das Reporting geschaffen. Die EnBW sieht sich in der Verantwortung, mit innovativen Lösungen einen Beitrag zur Energiewende und Klimaneutralität zu leisten. Der aktuelle Bericht zeigt, wie das im Geschäftsjahr 2022 gelungen ist. Content-Snacks führen via Link zu „Longscrollern“ online. Dabei gilt es nicht zwingend, Inhalte neu zu erstellen. Teaser im Berichts-PDF führen zu Beiträgen im Onlinemagazin „ECO*Journal“.

Business Care: Sinn und Nutzen stehen im Zentrum der inhaltlichen Ausrichtung im Rahmen der Content Creation mit Blick auf die Erfüllung von Stakeholdererwartungen (z.B. Mitarbeiter- und Kundeninteressen, Geschäftsfeldentwicklung mit nachhaltiger Ausrichtung, langfristige Unternehmenssicherung, Governance) und eine Verbesserung der Reputation, intrinsisch motiviert. Die Ausrichtung des unternehmerischen Handelns an den ESG-Kriterien gehört seit vielen Jahren zum Leitbild der DIC Asset AG, eines der führenden deutschen börsennotierten Gewerbeimmobilienunternehmen. Der aktuelle Nachhaltigkeitsbericht schlägt inhaltlich und konzeptionell geschickt die Brücke zum Geschäftsbericht. DIC rückt die ESG-Orientierung weiter in den Fokus und beschreibt ausführlich ihre Fortschritte in der Erreichung aller gesetzten ESG-Ziele.

Das Reporting kann zunehmend die klassische Unternehmens- oder Imagekommunikation ablösen und helfen, eine Marke zukunftsfähig aufzuladen und neu zu definieren.

Reporting ist ein, nein, der Kanal für die Markenkommunikation und wird immer wichtiger für die Marke. Eine steile These? Nicht zwingend: Denn das Reporting kann zunehmend die klassische Unternehmens- oder Imagekommunikation ablösen und helfen, eine Marke zukunftsfähig aufzuladen und neu zu definieren. Dabei spielt es zunächst keine Rolle, ob integriert, kombiniert oder separiert. Impulse gibt die EU, umsetzen müssen wir. Eine sattgrüne Weide, die noch lange nicht abgegrast ist.

Autor/Autorin

Thorsten Greinus

Seit vielen Jahren entwickelt Thorsten Greinus Marken, stets mit dem Ziel, diese inhaltlich und visuell zu positionieren. Seit 2015 unterstützt der Hamburger als Creative Director die Agentur wirDesign in den Bereichen Branding und Reporting sowie bei der Entwicklung von Contentstrategien.