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Transaktionsversicherungen entwickeln sich stetig weiter. Der nächste große Schritt wird die Einbindung künstlicher Intelligenz (KI) in die Risikobewertung sein.

Warranty-&-Indemnity-Policen haben sich in den vergangenen Jahren als Standardtool im M&A-Prozess etabliert. Befürchtungen, dass der rapide Zinsanstieg die Kapazitäten der Versicherer schmälert, haben sich nicht bewahrheitet. „Die Zahl der Broker und der Versicherungen ist so groß, dass man als Kunde in der Regel eine ausreichend große Auswahl hat“, konstatiert daher Mark Suderow, Partner bei der Deutschen Private Equity (DPE). „Bei unseren jüngsten Transaktionen hatte das keine nennenswerte Auswirkung.“ Das Unternehmen setzt das Produkt standardmäßig auf beiden Seiten der Transaktion ein und sieht das auch so bei den Marktbegleitern. Am Ende sei die W&I-Versicherung ein klarer Deal-Enabler und erleichtere die Verhandlungen erheblich. „In einem Fall konnten wir auch eine sehr konkrete Steuerfreistellung versichern. Das war zwar teuer, hätte uns aber sonst für eine lange Zeit in erheblichem Umfang sehr wehgetan und hat sich daher in jedem Fall gelohnt.“

Die Zahl der Broker und der Versicherungen ist so groß, dass man als Kunde in der Regel eine ausreichend große Auswahl hat.

Mark Suderow, Deutsche Private Equity (DPE)

Contingent Risk häufiger Teil der Policen

Bekannte Risiken, deren Manifestation nicht ausgeschlossen und deren Höhe schwer abschätzbar sind, fließen nun häufiger in Verhandlungen und Policen ein, beobachtet Dr. Heiko Bertelmann, Partner bei Norton Rose Fulbright in Hamburg: „Wir sehen vermehrt Anfragen für sogenannte Contingent-Risk-Versicherungen, für Steuerrisiken (Tax Risks), aber vor allem auch für andere, weniger etablierte Risikobereiche wie z.B. Genehmigungen (Permits), drohende Prozessrisiken und Rechtsstreitigkeiten (Litigation).“

Die gestiegene Nachfrage zur Absicherung bekannter (Eventual-)Risiken führt er zum einen auf das diesjährige generelle M&A-Marktumfeld zurück, in dem Einigungspotenzial und -bereitschaft für Unternehmensbewertungen, Kaufpreise und wirtschaftliche Risikoallokationen zwischen Verkäufer und Käufer sowie die Risikobereitschaft der Käufer teilweise abgenommen haben. „Zum anderen auf das W&I-Marktumfeld, mit neuen Brokern und Versicherern, aber auch etablierten Marktteilnehmern, die ihr Spektrum und ihren Fokus erweitern angesichts des gegenüber den Vorjahren vorübergehend reduzierten klassischen W&I-Versicherungsmarktvolumens und kompetitiveren Markts.“

Kompetitives Umfeld drückt auf Prämienhöhe

Dieses kompetitive Umfeld nimmt auch Suderow wahr, mit für Nutzer angenehmen Auswirkungen auf die Kosten. Diese hängen stark von der Deckung und dem Selbstbehalt ab – aber: „Im Großen und Ganzen bewegt sich eine kompetitive Prämie für Standardfälle bei etwa 1% oder knapp darunter. In professionellen Auktionen ist dieser Wert typischerweise spätestens bei den bindenden Angeboten aus dem Interessentenkreis eingepreist.“ Dr. Bertelmann bestätigt den harten Wettbewerb: „Die Versicherer haben vor diesem Hintergrund nach unserer Wahrnehmung eine durchaus größere Bereitschaft, sich bereits im Vorfeld einer Mandatierung für einen offiziellen Underwritingprozess intensiver und für den Kunden kostenneutral mit dem Risiko zu beschäftigen und während des Prozesses nach kreativen Versicherungslösungen zu suchen, um Frustrationen im Prozess zu vermeiden.“ Auch neue, zweiphasige Prozessansätze könnten dabei helfen.

Dr. Heiko Bertelmann, Norton Rose Fulbright

Wir sehen vermehrt Anfragen für sogenannte Contingent-Risk-Versicherungen, für Steuerrisiken, aber vor allem auch für andere, weniger etablierte Risikobereiche.

Angesichts des derzeit geringeren Transaktionsvolumens und der kompetitiven Situation bei MGAs und Versicherern kommt dem Element der Kostensenkung weitreichende Bedeutung zu, befindet Kai Hesselmann, CEO von DealCircle. Auch nach seiner Marktbeobachtung haben sich M&A-Versicherungen als Standardinstrument in der Transaktionslandschaft etabliert, „doch die Standardisierung der Policen bleibt eine komplexe Herausforderung. Durch die Integration von Digitalisierung und KI können Prozesseffizienzen erzielt werden.“

Digitale Plattformen senken Kosten erheblich

Digitale Plattformen ermöglichen laut Hesselmann eine nahtlose Verwaltung und Automatisierung der Policenerstellung, während KI-Algorithmen, insbesondere maschinelles Lernen, die Risikomodellierung und -bewertung verfeinern könnten. „Dies ermöglicht eine präzisere Analyse historischer Daten und Markttrends, die zu individuelleren und marktkonformen Policen führt. Der Einsatz von KI im Due-Diligence-Prozess kann auch die Identifizierung von Risikofaktoren verbessern, die menschlichen Prüfern entgehen könnten.“ Insgesamt förderten diese Technologien eine agilere, datengesteuerte Herangehensweise an M&A-Versicherungen, die die Branche weiter modernisiert.

Künstliche Intelligenz sorgt dabei nicht nur für passgenaue Policen, sondern eröffnet auch den Weg zum Einsatz bei kleineren Transaktionen. Die Untergrenze für W&I-Policen variiert je nach Versicherungsmarkt und Risikoprofil, liegt Hesselmann zufolge aber häufig im Bereich von 5 Mio. bis 10 Mio. EUR. „Die Einsatzmöglichkeiten bei kleineren Deals wurden traditionell durch hohe Verwaltungskosten und Komplexität begrenzt. Jedoch eröffnet die fortlaufende Standardisierung von Prozessen, unterstützt durch Digitalisierung und Automatisierung, Möglichkeiten, diese Untergrenze zu verschieben.“ Durch schlanke, automatisierte Prozesse könnten die Kosten für die Policenerstellung und -verwaltung reduziert werden, wodurch W&I-Versicherungen auch für kleinere Transaktionen wirtschaftlich sinnvoll werden könnten.

Ganz so weit wähnt Suderow die Branche noch nicht. „Wir sehen in der Tat eine Unterscheidung nach Dealgröße. Deals im Bereich 40 Mio. bis 50 Mio. EUR sind in der Regel fast vollständig versichert, sowohl bei Business- als auch bei Steuergarantien.“ Bei 20 Mio. bis 30 Mio. EUR habe man aber Transaktionen ohne W&I-Versicherung gesehen. „Hier empfanden die Verkäufer den Aufwand und die Kosten als vergleichsweise hoch“, so Suderow. Zudem sei die Komplexität der Geschäftsaktivitäten überschaubar gewesen. Auch wenn das nicht repräsentativ sei: „Gefühlt nimmt die Durchdringung von W&I-Versicherungen unter dieser Schwelle in der Tat ab“, betont Suderow. Das müsse nicht so bleiben, befindet Hesselmann: „Einige Versicherer experimentieren bereits mit KI-Modellen, und es gibt Ansätze, spezialisierte Produkte für den Markt kleinerer M&A-Deals zu entwickeln. Diese Entwicklungen könnten die Zugänglichkeit und Attraktivität von W&I-Versicherungen bei Transaktionen mit geringerem Volumen erhöhen und somit das Spektrum der versicherbaren Deals erweitern.“

Virtual Reality im Datenraum

Neuerungen gibt es auch im Bereich der Datenräume. „Die verstärkte Nutzung künstlicher Intelligenz und maschinellen Lernens ermöglicht eine schnellere und genauere Analyse großer Datenmengen. Fortschritte in der Cloudtechnologie fördern eine sicherere und effizientere Datenverwaltung“, analysiert Hesselmann die Situation. Virtual Reality (VR) biete Potenzial für immersive Datenraumerfahrungen, während Blockchain-Technologie die Integrität und Nachverfolgbarkeit der Daten sicherstellen könne. Die Integration von fortschrittlichen Analysewerkzeugen, die Echtzeitanalysen ermöglichen, und die Verbesserung der Benutzererfahrung durch intuitive Benutzeroberflächen seien weitere signifikante Entwicklungen. „Diese Trends tragen zu einer effizienteren Due Diligence und einer insgesamt reibungsloseren Transaktionsabwicklung bei“, konstatiert der DealCircle-CEO.

 

Kai Hesselmann, DealCircle

Durch die Integration von Digitalisierung und KI können Prozesseffizienzen erzielt werden.

Fazit

W&I-Policen entwickeln sich ebenso dynamisch weiter wie das Umfeld, in dem sie genutzt werden. Künstliche Intelligenz dürfte dabei eine umwälzende Rolle spielen. Mag hinter deren Einsatz in vielen Bereichen einstweilen noch häufig ein Fragezeichen stehen – bei der Durchsicht und Bewertung immenser Datenmengen, wie sie bei einem M&A-Deal abzuarbeiten sind, wird sie sich nach Lage der Dinge durchsetzen.

Autor/Autorin

Stefan Preuss

Stefan Preuß ist Mitglied der GoingPublic Redaktion.