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Plötzliche Kursstürze, verunsicherte Investoren, angekratzte Glaubwürdigkeit: Aktivistische Short-Seller treffen Unternehmen oft mit erheblicher Wucht und hinterlassen regelmäßig bleibende Spuren. Was als legitime Spekulation beginnt, kann sich im Extremfall zum gezielten Angriff auf börsennotierte Unternehmen entwickeln. Doch Unternehmen sind diesen Attacken nicht schutzlos ausgeliefert. Von Melissa Birkmann und Felix Zander

Short-Seller leihen sich Aktien, verkaufen sie und spekulieren auf fallende Kurse, um sie später günstiger zurückzukaufen – ein etabliertes Element funktionierender Kapitalmärkte. Aktivistische Short-Seller hingegen gehen darüber hinaus: Sie zielen mit öffentlichen Angriffen gezielt auf börsennotierte Unternehmen ab, um deren Aktienkurs unter Druck zu setzen. Dazu veröffentlichen sie in der Regel emotional aufgeladene, oft verzerrte Informationen – meist in Form ausführlicher Research-Reports, die über klassische und soziale Medien schnell verbreitet werden. Die Angriffe werden in der Regel über Monate, teils Jahre, im Voraus sorgfältig geplant, treffen Unternehmen aber fast immer überraschend und damit unvorbereitet.

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Aktuelle Auswertungen zeigen, dass sich über 62 % der betroffenen Unternehmen auch ein Jahr nach der Short-Attacke von den Kurseinbrüchen von teilweise über 40 % nicht erholt haben, einige von ihnen gar zum Spielball am Kapitalmarkt werden und unter Folgeattacken mit hohen Volatilitäten leiden. Auch intern können dadurch aktienbasierte Vergütungsprogramme für Führung und Belegschaft an Wirkung verlieren, somit die interne Motivation geschwächt und das Vertrauen in die Unternehmensführung beeinträchtigt werden.

Quelle: Eigene Darstellung.

Ein wesentlicher Grund für den Überraschungseffekt ist die aus den rechtlichen Meldepflichten resultierende Scheinsicherheit. So müssen Netto-Leerverkaufspositionen erstmalig der BaFin mitgeteilt werden, wenn diese 0,1 % des ausgegebenen Aktienkapitals eines Unternehmens erreichen. Erst ab 0,5 % ist die Position dann im Bundesanzeiger zu veröffentlichen. Dies kann zu deutlichen Abweichungen zwischen den tatsächlichen und den veröffentlichten Short-Positionen führen.

Die gezielten Attacken auf Unternehmen wie Grenke, Aurelius oder ProSiebenSat.1 verdeutlichen, dass nach den USA und UK inzwischen auch deutsche Small- und Midcaps zunehmend ins Visier aggressiver Short-Seller geraten. Die entscheidende Frage lautet daher:

Wie wirken Unternehmen präventiv derartigen Angriffen entgegen?

Eine wirksame Vorbereitung auf mögliche Short-Seller-Attacken verbindet Kapitalmarktkommunikation, interne Abläufe, Risikomanagement und datenbasierte Umfeldanalyse systematisch miteinander. Ziel ist es, im Krisenfall schnell, koordiniert und glaubwürdig reagieren zu können.

An erster Stelle steht eine konsistente und transparente Equity Story in Verbindung mit hohen Governance-Standards. Zentrales Element hierbei ist eine regelmäßige und strukturierte Analyse des Unternehmensumfelds, um ein klares Lagebild der eigenen Situation zu erhalten. Werttreiber und Strukturen können so regelmäßig überprüft und geschärft werden, um Risiken und Schwachstellen zu minimieren. Eine kontinuierliche sowie transparente Kommunikation mit Analysten, Investoren und Medien schafft Vertrauen und ermöglicht ein realistisches Erwartungsmanagement.

Eine Perception Study hilft, das externe Stimmungsbild und mögliche Irritationen frühzeitig zu identifizieren. Dazu werden wichtige Kapitalmarktteilnehmer nach ihrer Einschätzung gefragt. Die Ergebnisse solcher Studien sollten regelmäßig in die strategische Kommunikation und unternehmensinterne Analyse einfließen.

Gerade die internen Abläufe müssen auf den Ernstfall vorbereitet sein, mit Definition eines Krisenteams, klaren Zuständigkeiten und Entscheidungswegen. Die koordinierte Interaktion zentraler Funktionen wie Vorstand, Investor Relations, Kommunikation, Recht, Finanzen und Controlling ist essenziell. Ferner ist die Zusammenarbeit mit externen Beratern in Krisensituationen sinnvoll. Krisentrainings fördern das Zusammenspiel der Beteiligten und decken Schwachstellen in der internen Organisation frühzeitig auf. Dazu sollten Unternehmen belastbare Q&A-Kataloge sowie Holding-Statements für potenzielle Angriffsszenarien vorbereiten, um Reaktionszeiten und Abstimmungsprozesse bei einer Short-Seller-Attacke zu verkürzen und die Kommunikation zu optimieren.

Früh handeln statt spät verteidigen

Finanz-Aktivismus ist kein Störfall mehr, sondern vielmehr ein strukturelles Risiko. Eine OSINT-Analyse (Open Source Intelligence), die mit einer speziell entwickelten KI-Systemlandschaft eine große Anzahl an offiziell verfügbaren, dem Unternehmen meist unbekannten Daten verarbeitet, ist ein weiterer Baustein im Risikomanagement. Sie setzt konsequent auf Früherkennung und kontinuierliche Bewertung möglicher Schwachstellen auch anhand von Mustererkennungen und Sentiment-Analysen. Dabei liefert ein effektives Monitoring von Marktmeinungen, Social Media und Short-Positionen wichtige Hinweise auf potenzielle Risiken. Einzigartig in diesem Zusammenhang ist, dass insbesondere auch die Short-Positionen unterhalb der Veröffentlichungsschwelle aufgedeckt werden. Diese Daten sind auch im Hinblick auf den Streubesitz interessant und zeigen, dass auch ein starker Ankeraktionär nicht zwingend vor einer Short-Attacke schützt.

 

Quelle: Bundesanzeiger, Finanzaufsichtsbehörde, epp Research
Quelle: Bundesanzeiger, Finanzaufsichtsbehörde, epp Research

In einer volatilen Geschäftswelt ist Unsicherheit zum Dauerzustand geworden, was es zunehmend erschwert, Risiken und Schwachstellen im Blick zu behalten. Auch Risiken, über die nicht mehr berichtet wird, bestehen fort und stellen Unternehmen insbesondere bei Finanz-Aktivismus und Short-Selling vor große Herausforderungen. Schutz ist jedoch möglich: Unternehmen sollten sich frühzeitig vorbereiten – etwa durch regelmäßige Analysen des Unternehmensumfelds sowie eine kontinuierliche, transparente Kommunikation mit dem Kapitalmarkt. Dabei gilt es, die Wahrnehmung der Equity Story, Wertetreiber und Kernbotschaften turnusmäßig zu überprüfen.

Autor/Autorin

Melissa Birkmann
Melissa Birkmann
Beraterin für Investor Relations und Public Relations at  | Website

Melissa Birkmann ist bei Kirchhoff Consult als Beraterin für Investor Relations und Public Relations tätig. Zuvor schloss sie erfolgreich ihren Master in Communication Management an der Universität Leipzig ab. Im Rahmen ihres Studiums setzte sie sich schwerpunktmäßig mit Krisenkommunikation insbesondere bei Shortseller-Attacken auseinander.

Felix Zander
Felix Zander
CEO, Experte für Kapitalmarkt- und Krisenkommunikation at  | Website

Felix Zander ist CEO bei epp finance intelligence und Experte für Kapitalmarkt- & Krisenkommunikation. Er verfügt über 25 Jahre Führungserfahrung bei börsennotierten Unternehmen und wurde mehrfach für IR-Arbeit ausgezeichnet. Sein Schwerpunkt: strategische Kommunikation in sensiblen Marktphasen – von IPOs bis Finanz-Aktivismus.