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In der Rentenpolitik ist es fünf vor zwölf. Das Umlageverfahren der gesetzlichen Rente, auf das wir uns in Deutschland zu sehr verlassen, hat ein Finanzierungsproblem. Wegen des demografischen Wandels gerät das System mehr und mehr in eine Schieflage: Während die Zahl der Rentner stark wächst, sinkt die Zahl der Beitragszahler spürbar. In den nächsten zehn Jahren gehen die Babyboomer in Rente, was die Situation weiter verschärft. Hinzu kommt, dass Renten immer länger bezahlt werden, weil die Lebenserwartung steigt.

Um das Defizit in der Rentenkasse zu stopfen, nimmt der Staat jährlich immense Summen in die Hand – schon jetzt ist der Staatshaushalt mit über 100 Mrd. EUR jährlich belastet. Ohne diese Zuschüsse aus Steuermitteln würden die Rentenbeiträge stark steigen oder das Rentenniveau erheblich sinken.

Andere Länder haben klüger vorgesorgt. Von ihnen können wir lernen: Sie legen die Altersvorsorgebeiträge breit gestreut und rentabel in Aktien an. So machen sich Staaten wie die USA, Kanada, Schweden oder auch die Niederlande von der demografischen Entwicklung unabhängig.

Mehr Kapitalmarkt in der Rente

Wir fordern seit Jahren mehr Aktien und mehr Kapitalmarkt in der Rente. Jüngst haben auch die Wirtschaftsweisen in ihrem Jahresgutachten diesem Thema ein ganzes Kapitel gewidmet und die Politik zum Handeln aufgefordert.

Die Bundesregierung hat das Thema ­Altersvorsorge in den Koalitionsvertrag aufgenommen. Sie hebt sich damit erfreulich von ihren Vorgängern ab. In der gesetzlichen Rente soll ein Kapitalstock mit Aktien aufgebaut werden. Die Erträge aus diesem Kapitalstock sollen langfristig das Rentenniveau und die Beitragssätze stabilisieren.

In einem ersten Schritt waren hierfür 10 Mrd. EUR im Haushalt vorgesehen, die allerdings anders als ursprünglich geplant nun nicht mehr im Jahr 2023 angelegt werden. So sieht es der Entwurf des Nachtragshaushalts vor, der von der Bundesregierung Ende November angesichts des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zum Umgang mit dem Corona-Sondervermögen vorgelegt wurde.

Stärkung der gesetzlichen Rente

Die erneute Verzögerung ist ärgerlich, und abgesehen von der wohlklingenden Bezeichnung Generationenkapital fehlt bisher jegliche gesetzliche Grundlage. Weder steht abschließend fest, welche Institution dieses Geld verwalten soll, noch ist klar, wie es nach der ersten Anlage weitergeht. Ein einmaliger Anlagebetrag von 10 Mrd. EUR hätte leider überhaupt keinen Effekt. Was Anschlusszahlungen angeht, wird kolportiert, dass das Generationenkapital bis 2035 auf ein Volumen von 200 Mrd. EUR wachsen soll. Wirklich fixiert ist das nicht.

Die Stärkung der gesetzlichen Rente ist definitiv dringend. Eine kapitalgedeckte Altersvorsorge muss endlich etabliert werden. Der Aufbau eines Kapitalstocks wurde schon viel zu lange versäumt. Der Weckruf an die Politik darf nicht ungehört bleiben!

Autor/Autorin

Dr. Christine Bortenlänger

Seit dem 1. September 2012 ist Dr. Christine Bortenlänger geschäftsführende Vorständin des Deutsche Aktieninstitut in Frankfurt am Main. Sie war von 2000 bis 2012 Vor­stand der Bayerischen Börse und Geschäfts­führerin der Börse München.