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Die vorgeschlagenen Änderungen des Zukunftsfinanzierungsgesetzes (ZuFinG) sind großteils begrüßenswert, gehen jedoch nicht den gesamten Weg zur Realisierung eines modernen, standardsetzenden Finanzplatzes für ambitionierte Wachstumsunternehmen.

Der am 12. April 2023 vom Bundesministerium für Finanzen und dem Bundesministerium für Justiz veröffentlichte 143 Seiten umfassende Entwurf des ZuFinG verfolgt ein Ziel: die Stärkung des Kapitalmarktstandorts Deutschland im internationalen Vergleich. Hierzu sind umfassende Änderungen in 29 Gesetzen vorgesehen, insbesondere im Finanzmarktrecht, Gesellschaftsrecht und Steuerrecht. Ergänzend sollen verschiedene Maßnahmen der Entbürokratisierung, Digitalisierung und Innovation die Attraktivität des hiesigen Finanzmarkts für nationale und internationale Unternehmen und Investoren ausbauen. Insbesondere sollen Start-ups, Wachstumsunternehmen sowie kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) als Treibern von Innovation der Zugang zum Kapitalmarkt und die Aufnahme von Eigenkapital erleichtert werden. Bislang fällt die Reaktion betroffener Verbände auf den Gesetzesentwurf größtenteils positiv aus – es besteht allerdings Nachbesserungsbedarf.

Leichterer Zugang zum Kapitalmarkt

Ein zentrales Ziel ist die Erleichterung des Zugangs zum Kapitalmarkt, um Start-ups, Wachstumsunternehmen und KMU für diesen zu gewinnen. Dies soll durch eine Erleichterung der Börsenzulassungsanforderungen sowie der Zulassungsfolgepflichten für klassische IPOs erreicht werden. Als konkrete Maßnahme ist u.a. die Reduzierung des Mindestkapitals für einen Börsengang von derzeit 1,25 Mio. auf 1 Mio. EUR vorgesehen (§ 2 BörsZulV). Der Börsenzulassungsantrag soll zukünftig ohne den bislang vorgeschriebenen Emissionsbegleiter als Mitantragsteller möglich sein und die Zulassungskosten für Emittenten sollen gesenkt werden.

Ergänzend sollen die rechtlichen Voraussetzungen für Börsenmantelgesellschaften (BöMaGs) bzw. Special Purpose Acquisition Companies (SPACs), die in den USA und anderen europäischen Ländern schon länger etabliert sind, geschaffen werden. Beispielsweise soll mit der Aufhebung des Verbots der Einlagenrückgewähr (§§ 71 AktG Abs. 1 und 57 Abs. 2) für BöMaGs ein zentraler Aspekt für deren Kapitalmarktkompatibilität gewährleistet werden. Allerdings wird dies nur für deutsche AGs, nicht für deutsche SEs gelten – somit ist fraglich, inwiefern die geplanten Änderungen ausreichen, die deutsche AG der gesellschaftsrechtlich moderneren luxemburgischen SE gleichzustellen.

Einführung von Mehrstimmrechtsaktien

In den USA und anderen Rechtsordnungen gehören Mehrstimmrechtsaktien zur Tagesordnung. Sie stellen sicher, dass Gründer trotz Verwässerung durch Kapitalerhöhungen die Stimmrechtsmehrheit in ihrem Unternehmen behalten und die Geschäftsentwicklung entsprechend weiter maßgeblich vorgeben können. Die Einführung von Mehrstimmrechtsaktien für nicht-börsennotierte Aktiengesellschaften ist daher zu begrüßen, da sie Gründern die Zweifel vor einem Going Public nehmen kann.

Jedoch bedarf ein Beschluss zur Ausstattung bzw. Ausgabe von Mehrstimmrechtsaktien der Zustimmung aller Aktionäre. Die in § 134 AktG geplante Änderung geht somit über die Anforderungen des Vorschlags der EU-Kommission zum European Listing Act hinaus, welcher lediglich eine qualifizierte Mehrheit vorsieht. Das Erfordernis der Einstimmigkeit wird sehr wahrscheinlich dazu führen, dass dieses gut gemeinte „Instrument“ nur sehr selten umgesetzt werden wird, da es oftmals nicht gelingen dürfte, den nach einigen Finanzierungsrunden typischerweise bereits größeren Aktionärskreis in Gänze von der Sinnhaftigkeit dieses Vorhabens zu überzeugen.

Erleichterung von Kapitalerhöhungen

Der primäre Grund für IPOs ist die Erschließung zusätzlicher Kapitalquellen. Das ZuFinG wird Kapitalerhöhungen unter gewissen Bedingungen erleichtern und deren Durchführung beschleunigen.

Positiv hervorzuheben ist die Erhöhung des vereinfachten Bezugsrechtsauschlusses bei Kapitalerhöhungen gegen Bareinlage von 10% auf 20% des Grundkapitals (§ 186 AktG). Kapitalerhöhungen unter Ausschluss des Bezugsrechts bedürfen in der Regel keines Prospekts und die zweiwöchige Bezugsfrist greift nicht, sodass frisches Kapital schneller aufgenommen werden kann. Die Anhebung der Grenze des bedingten Kapitals bei Unternehmenszusammenschlüssen von 50% auf 60% des Grundkapitals (§ 192 AktG) ist ebenfalls eine Verbesserung des Status quo, da hierdurch eine höhere Flexibilität und ein größerer Spielraum beim Zusammenschluss mit anderen Gesellschaften ermöglicht werden.

Wünschenswerte weitere Anpassungen an internationale Standards wären insbesondere die Ausweitung des genehmigten Kapitals auf deutlich mehr als 50% des Grundkapitals (bei niederländischen N.V. ist beispielsweise in Einzelfällen ein Mehrfaches des Grundkapitals zulässig) sowie des angemessenen Preisabschlags bei Kapitalerhöhungen unter Ausschluss des Bezugsrechts auf 5% bis 10 % (derzeit werden 3% bis 5 % als angemessen erachtet).

Steuerliche Rahmenbedingungen für Mitarbeiterkapitalbeteiligungen

Start-ups benötigen eine motivierte Belegschaft zur Etablierung ihrer (innovativen) Geschäftsmodelle am Markt. Attraktive Mitarbeiterkapitalbeteiligungsprogramme gleichen ihre, im Vergleich zu großen Unternehmen, typischerweise geringere Finanzkraft und Gehälter aus. Daher sind die geplante Anhebung des Steuerfreibetrags für Mitarbeiterbeteiligungen von 1.440 auf 5.000 EUR (§ 3 Nr.39 EStG) und die Erweiterung der Vorschrift zur aufgeschobenen Besteuerung (§ 19a EstG), insbesondere die Ausweitung des Kreises der erfassten Unternehmen, die Verlängerung der nachgelagerten Besteuerung des geldwerten Vorteils aus der Vermögensbeteiligung von zwölf auf 20 Jahre sowie die Möglichkeit einer Pauschalbesteuerung mit einem Steuersatz von 25%, sehr zu begrüßen.

Bedauerlich ist jedoch, dass der neue Freibetrag in Höhe von 5.000 EUR entgegen der bisherigen Regelung nicht durch eine Entgeltumwandlung finanziert werden kann, sondern nur zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn gewährt wird.

Sonstiges

Das ZuFinG sieht zudem einige für kapitalmarktaffine Unternehmen interessante „Modernisierungsmaßnahmen“ vor.

So haben Emittenten zukünftig die Wahl, ihre Aktien als herkömmlich verbriefte oder als elektronische Aktien auf der Grundlage der Blockchain-Technologie begeben. Sie können zudem bereits herkömmlich verbriefte Aktien durch elektronische Aktien ersetzen (§ 10 AktG). Ebenso haben IPO-Kandidaten die Wahl, ihren Wertpapierzulassungsprospekt zukünftig auf Englisch anstatt auf Deutsch bei der BaFin einzureichen (§ 10 MarktAngV).

Fazit

Der Entwurf des ZuFinG findet bislang sowohl in der Finanzbranche als auch in der Start-up-Branche positive Resonanz und bietet die Chance, den deutschen Finanzmarkt zu stärken und für internationale Teilnehmer attraktiver und somit wettbewerbsfähiger zu werden. Allerdings bleibt festzuhalten, dass in allen angesprochenen IPO-relevanten Themen offene Punkte verbleiben, um den deutschen Finanzmarkt international deutlich kompetitiver zu positionieren.

Autor/Autorin

Sven-Roger von Schilling

Sven-Roger von Schilling blickt auf langjährige Erfahrung als CFO börsennotierter Techunternehmen zurück. Als Partner der WTS Advisory berät er börsennotierte wie auch privat gehaltene Unternehmen bei IPO- und M&A-Themen.