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Mit vollzogenem BrExit, den allgegenwärtigen Sorgen, die uns das Coronavirus beschert, und dem sich abzeichnenden wirtschaftlichen Abschwung hat das neue Jahrzehnt erst einmal keinen guten Start hingelegt. Doch während das Ausmaß der Auswirkungen der Pandemie auf die Wirtschaft noch nicht klar ist, lassen sich zumindest mit Blick auf die europäische Kapitalmarktregulierung schon erste Aussagen zu einigen wichtigen Kapitalmarktthemen 2020 treffen. Von Maximilian Lück

Seit 2015 diskutiert die Europäische Union unter dem Stichwort Kapitalmarktunion, dass die europäischen Kapitalmärkte besser integriert und als Finanzierungsquelle gestärkt werden sollen. Doch gegen Ende der Amtszeit der Juncker-Kommission war es um das Projekt still geworden.

Nicht zuletzt durch den BrExit hat sich dies geändert: In einer Entschließung des Rates vom Dezember 2019 haben die Mitgliedstaaten festgelegt, bürokratische Vorgaben im Interesse der Unternehmen abzubauen, Compliance-Kosten zu senken sowie mehr Konsistenz, Kohärenz und Verhältnismäßigkeit in der Kapitalmarktregulierung anzustreben.

Die neue EU-Kommission hat gleich zu Beginn ihrer Amtszeit eine hochrangige Expertengruppe eingesetzt, die das Thema Kapitalmarktunion weiter vorantreiben soll. Ihr Abschlussbericht soll im Mai 2020 vorliegen. Der Zwischenbericht vom Februar 2020 enthält zwar viele wichtige und richtige Punkte, schweigt aber bedauerlicherweise zu den Hürden, die sich für die Emittenten aus der Regulierung ergeben.

Bislang fehlt allzu oft der politische Wille, die Pflichten von börsennotierten Unternehmen von Bürokratie zu befreien und die Attraktivität der Börsenfinanzierung zu stärken. Es wäre daher zu begrüßen, wenn in diesem Jahr den Ankündigungen wirklich Taten folgen. Anders wird es nicht gelingen, den steigenden Delistings entgegenzuwirken.

Überarbeitung der Marktmissbrauchsverordnung geplant

Zahlreiche wichtige Publizitätspflichten von Unternehmen resultieren aus der EU-Marktmissbrauchsverordnung (MAR). Für diese steht eine Überarbeitung an. Die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde ZUM AUTOR Maximilian Lück ist seit Juni 2014 für das Deutsche Aktieninstitut (DAI) im Brüsseler Verbindungsbüro tätig. Er verfolgt als Leiter Europarecht hierbei vor allem die Entwicklungen auf europäischer Ebene in den Bereichen Corporate Governance, Corporate Finance und Steuerrecht. (ESMA) arbeitet auf Bitten der EU-Kommission derzeit an einem Technical Advice hierzu. Für Mai 2020 werden die Ergebnisse einer ESMA-Konsultation erwartet, die die Grundlage für spätere Vorschläge der EU-Kommission bilden sollen. Ob diese noch in diesem Jahr präsentiert werden, scheint allerdings fraglich.

Die EU-Kommission sollte bei der Überarbeitung auf jeden Fall den Mut beweisen, über kosmetische Veränderungen hinauszugehen. Dringend erforderlich sind mehr Rechtssicherheit und Praxisnähe bei der Ad-hoc-Publizität und ein genereller Bürokratieabbau bei den Pflichten aus der MAR. Die Revision der Marktmissbrauchsverordnung sollte daher auch ein zentrales Vorhaben der Kapitalmarktunion sein. Das Konsultationsdokument der ESMA wirkt vor diesem Hintergrund nicht nur mutlos, sondern stellt sogar zusätzliche Compliance-Anforderungen in den Raum. Es bleibt zu hoffen, dass der EU-Kommission die vielen kritischen Stellungnahmen vonseiten der Unternehmen zu denken geben und sie die angesprochenen Punkte in ihren Vorschlägen berücksichtigt.

Sustainable Finance

Ein wichtiges aktuelles Gesetzesvorhaben der EU-Kommission im Bereich Sustainable Finance ist das Klassifizierungssystem für nachhaltige Wirtschaftsaktivitäten, die sogenannte EU-Taxonomie. Auf die Taxonomie-Verordnung wurde sich Mitte Dezember 2019 geeinigt. Sie richtet sich an Finanzmarktteilnehmer, an die EU, ihre Mitgliedstaaten und an Unternehmen, die unter die CSR-Richtlinie fallen. Neben der Festlegung, wie nachhaltige Wirtschaftsaktivitäten zu bestimmen sind, führt die Verordnung ab 2022 eine neue Offenlegungspflicht für die Unternehmen ein, die gemäß der CSR-Richtlinie eine nicht-finanzielle Erklärung abgeben müssen. Zum 31. Dezember 2021 müssen Finanzmarktteilnehmer, die in der EU Finanzprodukte anbieten, erstmals Angaben zur Taxonomie machen. Ausstehend sind noch die Prüfkriterien, die die EU-Kommission in Form von Delegated Acts verabschieden wird. Für die Bereiche Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel sollen die Prüfkriterien im Dezember 2021 in Kraft treten, für die restlichen Umweltziele im Dezember 2022. Eine in diesem Jahr einzurichtende Plattform für Sustainable Finance soll die Taxonomie kontinuierlich weiterentwickeln. Dabei ist es unbedingt erforderlich, die Unternehmen der Realwirtschaft stärker in die Arbeit zu den Prüfkriterien einzubinden.

Im Herbst dieses Jahres wird die EU-Kommission eine aktualisierte Sustainable-Finance-Strategie veröffentlichen. Dabei handelt es sich um eine Weiterentwicklung des Aktionsplans zur Finanzierung nachhaltigen Wachstums vom März 2018. Im Rahmen der neuen Strategie soll dann auch die Überarbeitung der CSR-Richtlinie erfolgen.