Bildnachweis: Bild: GESCO AG.
Julia Pschribülla ist mitten in der Coronapandemie zu GESCO gekommen und hat den IR-Bereich des Unternehmens übernommen – nach einem schwierigen Jahr für die börsennotierte Beteiligungsgesellschaft. Im Interview erklärt Pschribülla, welche Herausforderungen es zu überwinden galt und warum der Ausblick durchaus positiv ist.
GoingPublic: Sie sind seit Januar 2021 bei GESCO. Wie läuft Ihr erstes Jahr bisher – welche Herausforderungen gab und gibt es, was hat Sie positiv überrascht?
Pschribülla: Tatsächlich war der Anfang des Jahres mehr oder weniger ein Kaltstart für mich. Das Geschäftsmodell und externe Stakeholder der GESCO AG waren mir größtenteils bekannt. Es galt allerdings, in sehr kurzer Zeit die internen Akteure und Prozesse kennenzulernen – und wer schon länger im IR- und Kommunikationsbereich tätig ist, weiß, dass sich zu Jahresbeginn üblicherweise die Großprojekte des ersten Halbjahres ankündigen: Jahresabschluss, Geschäftsbericht, Konferenzen, Q1-Berichterstattung, Hauptversammlung, Gremiensitzungen etc.
Besonders unterstützt haben mich in den ersten Monaten meine Kollegen. Sehr hilfreich waren außerdem die bereits etablierten und gut dokumentierten Abläufe.
Wie steht GESCO Mitte des Jahres da – können Sie die ausgegebenen Ziele
halten?
In Anbetracht des negativen Ergebnisses für das Geschäftsjahr 2020 hatte GESCO die Dividendenzahlung ausgesetzt. Das war sehr schade für alle Beteiligten und für GESCO als klassischen Dividendenwert, leider aber unumgänglich. Nach dem vergangenen anspruchsvollen Geschäftsjahr konnten unsere Unternehmen nun wieder mit Rückenwind ins laufende Jahr starten. Im Rahmen der virtuellen Hauptversammlung am 30. Juni 2021 haben wir die im Frühjahr veröffentlichte Prognose für 2021 noch einmal bestätigt und darüber hinaus konkretisiert, und zwar auf den oberen Rand der jeweiligen Bandbreite (Konzernumsatz: 445 Mio. bis 465 Mio. EUR, Konzernjahresüberschuss nach Anteilen Dritter: 16,5 Mio. bis 18,5 Mio. EUR, beides vor Unternehmenstransaktionen). Auf dieser Grundlage wird es 2022 wieder eine Dividende geben. Das sind gute Nachrichten.
„Die GESCO-Aktie ermöglicht Anlegern den Zugang zum deutschen Mittelstand.“
Wie entwickelt sich der Aktienkurs?
Die GESCO-Aktie ist einer der wenigen börsengehandelten Werte, die ihren Aktionären Zugang zum deutschen Mittelstand ermöglichen – das ist etwas Besonderes. Aber auch der deutsche Mittelstand blieb zuletzt nicht verschont von den schwierigen Rahmenbedingen, die schließlich in der Pandemie gipfelten. Im vergangenen Jahr haben wir ein sehr schmerzliches Kurstief von 10,28 EUR hinnehmen müssen. Umso mehr freut es uns, dass wir dieses Tief nachhaltig überwinden konnten. Anfang April erreichte die Aktie ihr erstes diesjähriges Hoch von 24,20 EUR. Seitdem hält sich der Kurs stabil über der 20-EUR-Marke und überperformt den SDAX. Die nun wieder eingeschlagene Richtung ist eine gute Grundlage, um weiter nach vorne zu schauen.
Sie haben Ihr Portfolio stark ausgedünnt und jüngst zugekauft. Welche Strategie hat GESCO für den Rest des Jahres und die nächsten Jahre – Stichwort „NEXT LEVEL“?
Im vergangenen und laufenden Jahr ist GESCO mit der Strategie NEXT LEVEL wieder ein gutes Stück vorangekommen. Mit dem Verkauf einer Gruppe von sechs Tochtergesellschaften Ende 2020 und einem Management-Buy-out Anfang 2021 haben wir die direkte Abhängigkeit vom Automotive-Markt auf ein ausgewogenes Niveau gebracht und das Mobilitätssegment geschlossen. Mit den strategischen Excellence-Programmen wurden zudem erfreuliche Fortschritte gemacht. Das Geschäftsjahr 2021 steht unter der Überschrift „In Transition“. Wir verfolgen unsere Zielportfolioarchitektur weiter intensiv. Einen erfolgreichen Zukauf konnten wir in diesem Jahr mit der United MedTec-Gruppe bereits vermelden. Oberstes Ziel unserer Aktivitäten ist es, die Zukunftsfähigkeit unserer Tochtergesellschaften zu wahren und durch organisches wie anorganisches Wachstum langfristig erfolgreich zu bleiben. Das gilt selbstredend auch für die nächsten Jahre.
Da gibt es als IR-Head einiges zu kommunizieren. Wie hat Corona Ihre Arbeit verändert?
Oh ja, das stimmt. Corona hat meine Arbeit allerdings schon vor meiner Tätigkeit
bei GESCO stark verändert. Wie viele andere auch habe ich Anfang 2020 erlebt, was es bedeutet, den eigenen Arbeitsablauf innerhalb kürzester Zeit umstellen zu müssen. Zu Beginn am Küchentisch sitzend, persönlicher Austausch nur noch in rein virtuellem Format. Das war gewöhnungsbedürftig, schliff sich allerdings schnell ein. Meinen Hut ziehe ich aber vor den Unternehmen, die ihr Geld im operativen Geschäft verdienen und kurzfristig pandemiegeeignete Lösungen finden mussten.
IR-seitig überrascht haben mich die Anzahl und Frequenz der Investorenkontakte, die auf einmal möglich waren, allerdings auch die nachlassende Aufmerksamkeit mit fortschreitender Gewöhnung an das Format. Corona dürfte der digitalen Arbeit einen Schub gegeben haben – den persönlichen Austausch ersetzen die virtuellen Formate aus meiner Sicht jedoch nicht. Die dazugewonnene digitale Flexibilität wird uns nach der Pandemie an verschiedenen Stellen erhalten bleiben. Eine ausgewogene Mischung aus beidem hat sicher Mehrwert für uns alle.
Welche Herausforderungen sehen Sie auf die eigene Abteilung und IR generell in den nächsten Jahren zukommen?
Eine dem Fachbereich immanente Herausforderung ist der stetige Wandel – und damit meine ich nicht ausschließlich die klassischen Bereiche wie die digitale Transformation. Schon in der Vergangenheit war es wichtig, sich regelmäßig auf dem Laufenden zu halten und auszutauschen.
Ein gutes Netzwerk ist das A und O, insbesondere für kleinere Unternehmen wie unseres. Der DIRK und der IR Club sind da eine echte Stütze. In den nächsten Jahren werden uns die verschiedensten Themen beschäftigen, seien es neue HV-Formate, aktivere Investoren, aber auch als kleines Unternehmen ausreichend Aufmerksamkeit am Markt zu erzeugen, ARUG II oder die neue EU-Taxonomie-Verordnung. Die Vielfalt der Themen macht den IR-Bereich im Grunde aus. Es wird nie langweilig.
Ziehen Sie doch einmal ein erstes Fazit – warum haben Sie sich im Januar für den Wechsel zu GESCO entschieden? Konnten Ihre Erwartungen erfüllt werden?
2021 war bisher ein spannendes und herausforderndes Jahr für mich. Ich war bis Mai 2020 über mehrere Jahre für den Fachbereich Investor Relations der INDUS Holding AG verantwortlich. So wohl ich mich dort fühlte und so sehr ich Fan des Geschäftsmodells war, so sehr reizte mich letztlich ein Tapetenwechsel, um meinen Horizont noch etwas zu erweitern. Andere Branche, größeres Team, andere Stakeholder, Sparringmöglichkeiten. So startete ich im Juni 2020 als Mitglied im IR-Bereich der LEG Immobilien SE: ein international aufgestelltes Unternehmen, in einem attraktiven Segment, im MDAX gelistet, mit einem kleinen sympathischen IR-Team. Im Herbst 2020 war GESCO dann auf der Suche nach einer Besetzung für die Leitung des IR- und Pressebereichs. Für mich stellte sich im Rahmen der Gespräche schnell heraus, dass der deutsche Mittelstand eine Welt ist, für die ich mich begeistere – eine Welt zum Anfassen. Parameter wie Marktkapitalisierung oder Kursentwicklung spielen in diesem Zusammenhang nicht immer die größte Rolle. Identifikation, Vertrauen, Freiheit im täglichen Doing und ein gutes Arbeitsklima stehen letztlich für mich an erster Stelle.
In Zukunft wollen wir GESCO und seine unvergleichlichen Nischenplayer am Kapitalmarkt und in der Öffentlichkeit noch bekannter machen und unsere Alleinstellungsmerkmale stärker herausstellen. Es gibt viel zu tun bei GESCO – darauf freue ich mich.
Frau Pschribülla, vielen Dank für das gute Gespräch.
Das Interview führte Isabella-Alessa Bauer.
Zur Interviewpartnerin
Julia Pschribülla, CIRO, studierte germanistische Sprachwissenschaft (M.A.) und war zunächst für die VOLKSWAGEN AG sowie die Salzgitter AG im Einsatz. Im Rahmen ihrer Tätigkeit für die Swiss Steel Holding AG wechselte sie in den IR-Bereich. Sie war mehrere Jahre für den Fachbereich Investor Relations der INDUS Holding AG in Bergisch Gladbach verantwortlich. Seit Anfang 2021 leitet sie den Fachbereich Investor Relations & Communications der in Wuppertal ansässigen GESCO AG, einer Industriegruppe mittelständischer markt- und technologieführender Unternehmen.