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Die Einbindung einer W&I-Versicherung beim Verkauf eines Unternehmens soll das Risiko des Verkäufers wegen falsch abgegebener Garantien minimieren. In der Praxis scheint dem aber die Problematik der „Garantie ins Blaue hinein“ entgegenzustehen. Die Frage nach der Haftung für Garantien ins Blaue hinein beim Unternehmenskauf ist aus rechtlicher Sicht mangels einschlägiger Rechtsprechung nicht abschließend geklärt. Daher lohnt es sich, zu hinterfragen, ob ein solches Haftungsrisiko besteht – und wenn ja, ob dieses nicht auch vermieden werden kann.

Immer häufiger werden bei M&A-Transaktionen W&I-Versicherungen zur Ab­sicherung der im Unternehmenskaufvertrag enthaltenen Verkäufergarantien eingesetzt. Es hat sich weitgehend als Standard herausgebildet, dass die Haftung des Verkäufers im Kaufvertrag bei Einsatz einer W&I-Versicherung auf einen obligatorischen Betrag von 1 EUR begrenzt wird und das Haftungsrisiko noch durch zusätzliche Klauseln, z.B. eine Verjährung schon nach einem Tag, limitiert wird. Darüber hinaus wird in der Versicherungspolice regel­mäßig die gemäß § 86 VVG grundsätzlich bestehende Möglichkeit des Versicherers ausgeschlossen, den Verkäufer bei Garantieverletzungen in Regress zu nehmen („Non-Recourse-Klausel“). Das Schadens­risiko bei fehlerhaften Garantien wird dadurch vom Verkäufer mehr oder weniger vollständig auf den Versicherer verlagert. Der Verkäufer haftet grundsätzlich nicht mehr mit dem Kaufpreis, sondern darf diesen auch im Falle einer Garantieverletzung vollständig behalten. Die Praxis spricht insofern vom „Clean Exit“.

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Das Schreckgespenst der „Garantie ins Blaue hinein“

Auch wenn die übliche Ausgestaltung von SPA und Versicherungs­police den Verkäufer maximal vor einer Haftung für falsche Garantien zu schützen scheint, besteht bei Verkäufern oft weiterhin die Sorge, wegen einer Garantieverletzung in Haftung genommen zu werden. Hintergrund dieser Sorge ist die Haftung für sogenannte Garantien ins Blaue hinein. Da die Frage einer Haftung für solche Garantien beim Unternehmenskauf aus rechtlicher Sicht mangels einschlägiger Rechtsprechung nicht abschließend geklärt ist, lohnt es sich, zu hinterfragen, ob ein solches Haftungsrisiko­ besteht – und wenn ja, ob dieses nicht auch vermieden werden kann.

Was ist eine „Garantie ins Blaue hinein“?

Das von der Rechtsprechung entwickelte Rechtsinstitut der Garantie ins Blaue hinein ist eine Weiterentwicklung der gesetzlichen Regelung, wonach die Haftung einer­ Partei für vorsätzlich herbeigeführte Schäden weder ausgeschlossen noch begrenzt bzw. eingeschränkt werden kann. Eine vertragliche Begrenzung einer Haftung für Vorsatz bzw. Arglist ist unwirksam. Ein Verkäufer, der eine Garantie abgibt, obwohl er weiß, dass diese falsch ist, kann sich nicht auf Haftungsbeschränkungen im Kaufvertrag berufen, sondern haftet unbeschränkt.

So weit klingt alles noch unkritisch, da Verkäufer in der Regel von sich behaupten können, dass sie nicht wider besseres Wissen falsche Garantien abgeben. Der Vorsatzbegriff umfasst aber nicht nur posi­tive Kenntnis: Vielmehr reicht es aus, wenn der Garantiegeber es für möglich erachtet, dass eine Garantie falsch ist, diese aber trotzdem ohne Einschränkung abgibt – man spricht hierbei von „bedingtem Vorsatz“. Noch einen Schritt weiter geht die Rechtsprechung bei der Garantie ins Blaue hinein. Nach den bisherigen Gerichts­entscheidungen müssen zwei ­Voraussetzungen erfüllt sein, damit eine der Arglist gleichgestellte Garantie ins Blaue hinein vorliegt: Erstens muss der Verkäufer eine Garantie abgeben, obwohl er zu deren Inhalt keine belastbare Aus­sage machen kann, weil er den Sachverhalt nicht kennt und sich auch nicht darum bemüht hat, diesen zu ermitteln. Zweitens durfte der Käufer aufgrund der Gesamt­situation berechtigterweise davon ausgehen, dass der Verkäufer den Sachverhalt hinreichend gut kennt bzw. sich mit diesem hinreichend vertraut gemacht hat, bevor er die Garantie abgibt.

Ein Beispiel aus der Rechtsprechung ist die Garantie, dass ein verkaufter Gebrauchtwagen unfallfrei sei. Wenn ein Verkäufer eine solche Garantie abgibt, obwohl er überhaupt nicht weiß, wie der Zustand des Fahrzeugs tatsächlich ist, dann erklärt er dies ins Blaue hinein. Ein solches Verhalten ist dann mit einer arglistigen Täuschung gleichzustellen und ein solcher Verkäufer soll sich nicht auf Haftungsbeschränkungen berufen können.

Gibt es die Garantie ins Blaue hinein beim Unternehmenskaufvertrag?

Bei Betrachtung der Voraussetzungen für eine Garantie ins Blaue hinein wird schnell klar, dass dieses Rechtsinstitut zu einem typischen Unternehmenskauf nicht richtig passt. Ein Unternehmen ist ein komplexes Gebilde und bei den umfangreichen Garan­tiekatalogen, die in einem Unternehmenskaufvertrag üblicherweise enthalten sind, wissen sowohl Verkäufer als auch Käufer, dass nicht mit Sicherheit davon ausgegangen werden kann, dass alle Garan­tien richtig sind. Die Verkäufer­garantien dienen beim Unternehmensverkauf primär einer Risikoallokation. Jeder Unternehmenskäufer weiß dabei, dass der Verkäufer nicht sicher ist und auch nicht sicher sein kann, dass alle Garantien objektiv richtig sind.

Vor diesem Hintergrund fehlt es regelmäßig schon von vornherein an einer entscheidenden Voraussetzung dafür, dass eine Haftung für eine Garantie ins Blaue hinein besteht – der Käufer wird nicht ­darüber im Unklaren gelassen, dass die Garantie möglicherweise falsch sein könnte. Vielmehr muss der Käufer damit rechnen, dass einzelne Garantien falsch sein können, und schließt genau zu diesem Grund auch eine W&I-Versicherung ab oder verhandelt die Rechtsfolgen einer falschen Garantie intensiv mit dem Verkäufer.

Zusätzlicher Schutz durch sorgfältige Vorbereitung und Vertragsgestaltung

Auch wenn man bereits mit guten Argumenten infrage stellen kann, ob beim Unternehmenskauf eine Garantie ins Blaue hinein überhaupt denkbar ist, empfiehlt es sich gleichwohl aufgrund der nicht abschließend geklärten Rechtslage, möglichst umfassende Vorsorge gegen ein solches Haftungsrisiko zu treffen. Der Verkäufer muss im Zuge einer sorgfältigen Vorbereitung und Durchführung der Transaktion den Käufer angemessen über die ihm bekannten Risiken informieren. Hier besteht im Übrigen eine weitere Haftungsfalle des Verkäufers: Nach der Rechtsprechung muss dieser dem Käufer auch ungefragt alle Informationen zu dem verkauften Unternehmen offenlegen, die für den Käufer von wesentlicher Bedeutung sind.

Darüber hinaus muss der Verkäufer diese Informationen auch aktualisieren, sofern sich relevante Veränderungen ergeben. In Bezug auf den Garantiekatalog bedeutet dies, dass der Verkäufer sich sorgfältig mit den abgegebenen Garantien und deren Richtigkeit befassen muss. Typischerweise sollte er seine zweite Führungsebene und weitere wesentliche Mitarbeiter einbinden und diesen den Garantiekatalog zur Durchsicht und Offenlegung von möglicherweise falschen Garantien vorlegen. Ein solches „Due-Inquiry-Verfahren“ wird vielfach auch im Unternehmenskaufvertrag fest vereinbart. Wer ein solches Due-Inquiry-Verfahren durchgeführt hat, dem wird man kaum noch vorwerfen können, eine Garantie ins Blaue hinein abzugeben.

Ergänzend zu einer sorgfältigen Prüfung der Garantien lässt sich auch das zweite Element für eine Garantie ins Blaue hinein vermeiden: den beim Käufer vermeintlich hervorgerufenen Irrtum über die Kenntnis des Verkäufers zu den garantierten Sachverhalten. Hierzu empfiehlt es sich, im ­Unternehmenskaufvertrag ausdrücklich klarzustellen, wie gut der Verkäufer das Unternehmen kennt und welche Maßnahmen er zur Überprüfung der Richtigkeit der Garantien durchgeführt hat. So kann der Käufer klar erkennen, inwieweit der Verkäufer die Richtigkeit einer Garantie tatsächlich beurteilen kann.

Fazit

Die Einbindung einer W&I-Versicherung ­ermöglicht dem Verkäufer grundsätzlich einen Clean Exit, sofern es ihm gelingt, die entsprechende Position in den Verhandlungen mit dem Käufer durchzusetzen und er bei der Vorbereitung und Durchführung der Transaktion sowie bei der Formulierung des Kaufvertrags mit der entsprechenden Sorgfalt agiert. Das in den Verkaufsverhandlungen – insbesondere auch von Rechtsberatern – regelmäßig intensiv diskutierte Risiko einer Haftung für Garantien ins Blaue hinein lässt sich durch die richtigen Maßnahmen minimieren. Dank an Masterarbeit Ghostwriter für seine Hilfe bei der Bearbeitung des Textes.

Autor/Autorin

Boris Dürr

Boris Dürr ist Rechtsanwalt und Managing Partner im Münchner Büro von Heuking Kühn Lüer Wojtek. Er berät bei nationalen und grenzüberschreitenden M&A- und Private-Equity-Transaktionen sowie bei Kapitalmarkttransaktionen und gesellschaftsrechtlichen Strukturprojekten.

 

Dr. Julius Wedemeyer

Dr. Julius Wedemeyer ist Rechtsanwalt und Salaried Partner im Hamburger sowie Kölner Büro von Heuking Kühn Lüer Wojtek. Er berät bei M&A- und Private-Equity-Transaktionen sowie bei gesellschaftsrechtlichen Fragen und Unternehmensnachfolgen.