Bildnachweis: © Coloures-Pic – Adobestoc.comk, © 3D generator – stockadobe.com, © stock.adobe.com.

W&I-Versicherungen sind bei M&A-Deals ab einem gewissen Transaktionsvolumen gewissermaßen Standard. Die M&A-Praxis hat sich daher auf die parallele Verhandlung des Kaufvertrags mit dem Verkäufer und der W&I-Police mit dem Versicherer eingespielt. 

Dabei finden sich zahlreiche Regelungen in der W&I-Police, die den ­Deckungsschutz des Käufers maßgeblich beeinflussen. Hohe Relevanz hat ­dabei der übliche Haftungsausschluss für bekannte Risiken (Known Risk Exclusion), der in der Praxis oft nicht mit ausreichender Sorgfalt gewürdigt wird. In vielen Fällen erfolgt die Einbindung der W&I-Versicherung auf Veranlassung des Verkäufers, der sich seines Haftungsrisikos resultierend aus üblichen Garantien zur verkauften Gesellschaft und deren operativen Unternehmen entledigen möchte (Clean Exit). Aber auch aus Käufersicht kann der Abschluss einer W&I-Versicherung vorteilhaft sein (vgl. „W&I-Versicherung aus Käufersicht“ von Boris Dürr und Dr. Philipp Giessen in GoingPublic, 30. August 2021).

Für den Käufer kommt neben der Verhandlung des Garantiekatalogs im Kaufvertrag insbesondere der Ausgestaltung der W&I-Police eine entscheidende Bedeutung zu. Dementsprechend muss die W&I-Police von den Rechtsberatern des Käufers genauso sorgfältig geprüft und ggf. verhandelt werden wie der Kaufvertrag selbst. In der Praxis liegt der Fokus zumeist auf dem sogenannten Warranty Spreadsheet, in dem zu jeder Verkäufergarantie jeweils die konkrete Deckungsposition der W&I-Versicherung abgebildet wird.

Neben dem Warranty Spreadsheet gibt es weitere Parameter, die für den Deckungsschutz des Käufers von wesentlicher Bedeutung sind. Hierzu zählen nicht zuletzt die allgemeinen Haftungsausschlüsse (General Exclusions), insbesondere die in jeder W&I-Police enthaltene Regelung, dass eine Schadensdeckung durch den Versicherer ausscheidet, wenn der Versicherungsnehmer (also der Käufer des Unternehmens) die Umstände kannte, die zum Schaden ­geführt haben (Known Risk Exclusion). Die Bedeutung dieses Haftungsausschlusses wird in der Praxis oftmals unterschätzt.

Haftungsausschluss für bekannte Risiken

Nach den üblichen Formulierungen in W&I-Policen erfasst der Haftungsausschluss für bekannte Risiken typischerweise sowohl ­Umstände, die dem Käufer positiv bekannt sind, als auch Umstände, die im Rahmen der Transaktion vom Verkäufer offengelegt wurden. Zu beiden Aspekten kann im Einzelfall Regelungsbedarf bestehen, um den Haftungsausschluss angemessen einzuschränken.

  • Bei der Frage, ob ein Risiko dem Käufer bekannt ist, ist zu klären, wessen Kenntnis entscheidend ist. Sofern es sich beim Käufer um eine Gesellschaft handelt, wird der Gesellschaft zunächst die Kenntnis ihrer Geschäftsführer zugerechnet. Darüber hinaus kommt auch eine gesetzliche Wissenszurechnung von anderen Vertretern und Beratern in Betracht (z.B. aus ­§ 166 Abs. 1 BGB, § 242 BGB oder § 278 BGB). Vor diesem Hintergrund sollte in der W&I-Police klargestellt werden, wessen Kenntnis allein maßgeblich ist. Die Geschäftsführer des Käufers werden ­häufig nicht jedes Detail der Transaktion kennen. Dementsprechend wird der Versicherer darauf bestehen, dass zumindest die Kenntnis der Schlüsselpersonen aus dem internen Dealteam des Käufers auch zugerechnet wird. Die Zurechnung von Wissen der externen Berater des Käufers lässt sich demgegenüber in der Regel vermeiden, wovon auch Gebrauch gemacht werden sollte.
  • Für die Frage der positiven Kenntnis des Käufers sind ebenso die Due Diligence Reports der eingeschalteten Berater relevant, da die Durchführung einer angemessenen Due Diligence Voraussetzung für eine W&I-Versicherung ist. Der Ver­sicherer wird nur für die Bereiche einen Deckungsschutz anbieten, die im Rahmen einer marktüblichen Due Diligence geprüft wurden. Im Einzelfall kann auch eine Due Diligence durch Mitarbeiter des Käufers ausreichen, sofern sie zu einer Due Diligence durch externe Berater gleichwertig erscheint. Für den Haftungsausschluss für bekannte Risiken ist dabei entscheidend, ob dem Käufer bestimmte Risiken aus den Due Diligence Reports bekannt sind. Insoweit kommt auch der konkreten Ausgestaltung und Formulierung der Due Diligence Reports eine maßgebliche Bedeutung zu.
  • Sollte im Report ausdrücklich ein bestimmtes Risiko identifiziert werden, liegt es auf der Hand, dass dem Käufer im Schadensfall seine Kenntnis des Risikos entgegengehalten wird. Aber auch weniger deutliche Formulierungen können ausreichen, um später dem Käufer eine Kenntnis entgegenzuhalten und ­damit die Haftung des Versicherers auszuschließen. Daher sollte der Käufer gemeinsam mit seinen Beratern sorgfältig auf die konkrete Formulierung des Due Diligence Report achten. Insbesondere sollte nichtabstrakt ein Risiko aufgezeigt werden, wenn es gar keine tatsächlichen Hinweise auf ein konkretes Risiko gibt, sondern vielmehr vom Verkäufer nicht ausreichend Informationen offengelegt wurden, um eine abschließende Prüfung durchzuführen. In diesem Fall sollte im Due Diligence Report klargestellt werden, dass eine abschließende Prüfung nicht möglich war. In der Praxis finden sich vielfach Formulierungen, dass ein Risiko bestehe, da mangels zur Verfügung gestellter Unterlagen die Sach- und Rechtslage nicht abschließend geprüft werden konnte. Bei genauerer Betrachtung gibt es dann gar keine konkreten Hinweise auf ein Risiko, es wurde vielmehr von dem Berater „kon­struiert“.
  • Auch wenn es nachvollziehbar ist, dass sich Berater durch solche vorsorglichen Hinweise vor einer eigenen Haftung wegen nicht ausreichender Risikohinweise schützen wollen, erweisen sie dem Käufer damit einen Bärendienst. In der Praxis lässt sich durch die richtige Formulierung das Haftungsrisiko der Berater vermeiden, ohne den Käufer zugleich mit ­einer möglichen Kenntnis eines theoretisch bestehenden Risikos zu belasten. Die Kunst liegt darin, sich auf die Darlegung zu beschränken, was nicht geprüft werden konnte. Durch diese Offenlegung sind sowohl der Käufer als auch insbesondere der Versicherer, der den Due Diligence Report im Rahmen des Under­writings vorgelegt bekommt, ausreichend informiert und können eigenständig entscheiden, ob sie auf eine weitergehende Prüfung durch Anforderung zusätzlicher Informationen bestehen, ohne dass zugleich aus der Formulierung im Due Diligence Report eine Kenntnis des Käufers bestimmter Risiken suggeriert wird.
  • Im Zusammenhang mit dem Haftungsausschluss für bekannte Risiken muss der Käufer typischerweise eine sogenannte No Claims Declaration gegenüber dem Versicherer abgeben: Der Käufer erklärt für sich und regelmäßig auch für Mitglieder seines Dealteams, dass keine Kenntnis einer Garantieverletzung besteht. Diese No Claims Declaration ist für alle versicherten Verkäufergarantien zum Signing Date abzugeben. Für solche Verkäufergarantien, die auch zum Closing abgegeben und versichert werden ­sollen, muss am Tag des Closings die No Claims Declaration wiederholt werden. Für in der No Claims Declaration offen­gelegte Garantieverletzungen besteht kein Ver­sicherungsschutz. Daher sollte auch ihr Wortlaut sorgfältig geprüft werden. Teilweise erstrecken sich die von den Ver­sicherern vorgegebenen Muster nicht nur auf bekannte Verletzungen von Garantien, sondern erfassen auch Tat­sachen, bei denen zu erwarten ist, dass sie zu einer Garantieverletzung führen. Solche Formu­lierungen sollten möglichst vermieden werden.
  • Bei der Frage, ob eine Haftung ausgeschlossen ist, weil die die Garantieverletzung begründenden Umstände im Rahmen der Transaktion vom Verkäufer offengelegt wurden, sollte klar geregelt werden, was als offengelegt gilt. Das Mindestmaß aus Sicht des Käufers ist hier, dass die ­Offenlegung auf das im Kaufvertrag üblicherweise geregelte Fairly-Disclosed-Prinzip reduziert wird. Danach gelten nur ­solche Tatsachen als offengelegt, die bei einer mit der üblichen Sorgfalt durchgeführten Due Diligence typischerweise auch erkannt werden können.
  • Informationen aus einem Dokument, welches in einen umfangreichen elektronischen Datenraum in einem Unterordner eingestellt wurde, in dem man derartige Informationen nicht erwarten muss, gelten damit nicht als offengelegt. Im Einzelfall kann auch versucht werden, mit dem Versicherer ein noch eingeschränkteres Konzept für die Zurechnung aus offengelegten Informationen festzulegen. Die nahezu vollständige ­Zurechnung des gesamten Datenrauminhalts als fiktive Kenntnis ist zwar in Deutschland auch bei Transaktionen ohne W&I-Versicherung recht weit verbreitet. Im angloamerikanischen Rechtsraum wird die Zurechnung hingegen deutlich restriktiver gehandhabt, was sich auch auf die Ausgestaltung der W&I-Policen auswirkt.

Fazit

Der Haftungsausschluss für Kenntnis beeinflusst maßgeblich den Wert einer W&I-Versicherung. Daher sollte der Käufer mit Unterstützung seiner Berater diesen Aspekt der W&I-Police auch angemessen berücksichtigen. Dabei sollte auch vor kontroversen Verhandlungen mit dem Versicherer nicht zurückgeschreckt werden. Nur weil bestimmte Formulierungen in W&I-Policen üblich sind, heißt dies nicht, dass für den konkreten Einzelfall kein Spielraum für abweichende Ausgestaltungen besteht.

Autor/Autorin

Boris Dürr

Boris Dürr ist Rechtsanwalt und Managing Partner im Münchner Büro von Heuking Kühn Lüer Wojtek. Er berät bei nationalen und grenzüberschreitenden M&A- und Private-Equity-Transaktionen sowie bei Kapitalmarkttransaktionen und gesellschaftsrechtlichen Strukturprojekten.

 

Dr. Jörg Schewe

Dr. Jörg Schewe ist Rechtsanwalt/Steuerberater im Hamburger Büro und Co-Leiter der Praxisgruppe M&A/Corporate von Heuking Kühn Lüer Wojtek. Er berät bei nationalen und grenzüberschreitenden M&A- und Private-Equity-Transaktionen sowie bei Umstrukturierungen, Carve-out-Transaktionen und Joint Ventures.

Dr. Julius Wedemeyer

Dr. Julius Wedemeyer ist Rechtsanwalt und Salaried Partner im Hamburger sowie Kölner Büro von Heuking Kühn Lüer Wojtek. Er berät bei M&A- und Private-Equity-Transaktionen sowie bei gesellschaftsrechtlichen Fragen und Unternehmensnachfolgen.