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Bessere Absicherung über weitere Stellschrauben

Über die W&I-Versicherung kann ein Käufer nicht nur umfangreichere Garantiekataloge abgesichert bekommen, sondern auch über andere Stellschrauben eine bessere Absicherung erzielen. Während die Fristen für die Verjährung möglicher Garantieansprüche ohne W&I-Versicherung mit dem Verkäufer verhandelt werden müssen – was dazu geführt hat, dass in der Praxis operative Garantien einschließlich der Bilanzgarantien oft bereits nach 18 oder 24 Monaten verjähren – können bei W&I-Versicherungen regelmäßig Verjährungsfristen von drei Jahren oder teilweise auch mehr vereinbart werden. Muss der Käufer im Unternehmenskaufvertrag häufig eine stark eingeschränkte Definition des vertraglichen Schadensbegriffes (z.B. über den Ausschluss von indirekten bzw. mittelbaren Schäden und entgangenem Gewinn) hinnehmen, kann er mit dem W&I-Versicherer eine erweiterte Schadensdefinition vereinbaren, die diese Schadenselemente abdeckt. Teilweise lassen W&I-Versicherer sogar den Minderwert der gekauften Anteile als Schadenskomponente zu. Erweiterte Deckung kann der Käufer auch bei der Definition von Verkäuferwissen erreichen: Während der Verkäufer die Definition meist auf tatsächliches Wissen beschränkt, um seine Garantiehaftung bestmöglich zu limi­tieren, bieten einige W&I-Versicherer in der Police eine für den Käufer bessere Wissensdefinition an, die grob fahrlässige Unkenntnis dem tatsächlichen Wissen gleichstellt.

Direktes Vertragsverhältnis zwischen Käufer und Versicherer

Weitere Vorteile der W&I-Versicherung ergeben sich für den Käufer zudem aus der Rolle als Versicherungsnehmer der W&I-Versicherung und den zugrundeliegenden Deckungsverhältnissen. Aufgrund der direkten Vertragsbeziehung zwischen Käufer und W&I-Versicherer können Ansprüche sogar bei ­bewusst falschen Aussagen des Verkäufers noch gegenüber dem Versicherer geltend ­gemacht werden; der Versicherer kann dann den täuschenden Verkäufer in Regress nehmen. Auch bedingt das direkte Vertragsverhältnis mit dem W&I-Versicherer, dass dem Käufer ein solventer Anspruchsgegner zur Verfügung steht. Vor diesem Hintergrund ­erübrigt sich die Absicherung möglicher ­Garantieansprüche durch einen Einbehalt ­eines Teils des Kaufpreises (Escrow), der von Verkäufern kritisch gesehen wird. Sofern der Käufer im Rahmen der Verhandlung früh­zeitig selbst den Abschluss einer W&I-Versicherung anbietet, kann dies seine Verhandlungsposition verbessern, da der gesamte Kaufpreis mit Closing an den Verkäufer ausbezahlt wird (vorbehaltlich etwaiger nach­gelagerter Zahlungen z.B. bei Earn-outs oder einem Vendor Loan).

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Das direkte Verhältnis zwischen dem Käufer und dem Versicherer ist bei etwaigen Schadensfällen ebenfalls vorteilhaft. Der Frieden zwischen den Verkäufern, die häufig zumindest teilweise noch eine Funktion im verkauften Unternehmen innehaben (z.B. aufgrund eines sog. Roll-over), und Käufern bleibt damit erhalten (sofern nicht Arglist und damit ein Versicherer-Regress gegen den Verkäufer im Raum steht). Sofern es zudem noch operative Beziehungen zwischen Verkäufer einerseits und dem Zielunternehmen und/oder dem Käufer andererseits gibt, was z.B. bei Carve-out-Transaktionen häufig der Fall ist, wird diese operative Beziehung nicht durch etwaige Rechtsstreitigkeiten gestört.

Vorteile im Schadenfall

Im Schadensfall hat die W&I-Versicherung für den Käufer den weiteren Vorteil, dass ein W&I-Versicherer neben der Frage, ob die ­Voraussetzungen für den Versicherungsfall eingetreten sind, auch seine Marktreputation im Blick hat. Denn in einem Markt, der sich auf eine überschaubare Anzahl von Versicherungsvermittlern als maßgebliche Neugeschäft-Lieferanten verteilt, kann der Ruf, im Schadensfall zu aggressiv zu agieren oder zu blocken, einen Versicherer starken Schaden in Bezug auf das Neugeschäft zufügen. Für die meisten Verkäufer ist die Reputation ­hingegen deutlich weniger wichtig, weshalb sie im Streitfall mit dem Käufer aggressiver agieren können.

Fazit

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass eine W&I-Versicherung auch für den Käufer regelmäßig Vorteile bietet, da er über die ­Versicherung in vielen Fällen eine bessere Absicherung als über den Verkäufer ­bekommt, selbst wenn dieser grundsätzlich bereit wäre, für Garantieverletzungen zu ­haften. Ein Käufer sollte daher eine W&I-­Versicherung, deren Abschluss vom Verkäufer im Rahmen des Verkaufsprozesses gefordert wird, nicht als notwendiges Übel sehen, ­sondern sich vielmehr der Vorteile bewusst sein und versuchen, durch Verhandlungen mit dem W&I-Versicherer seine Position zu verbessern. Wenn der Verkäufer nicht ­bereits von sich aus die W&I-Versicherung ins Spiel gebracht hat, sollte ein Käufer genau abwägen, welche strategischen Vorteile die Einbindung einer W&I-Versicherung ihm bietet – und dabei auch den positiven Effekt auf die Verhandlungen mit dem Verkäufer mit ­bedenken.

Zu den Autoren
Boris Dürr ist Rechtsanwalt und Partner im Münchner Büro der Sozietät Heuking Kühn Lüer Wojtek. Er berät Investoren und Unternehmen bei nationalen und internationalen M&A-Transaktionen, häufig auch mit Kapitalmarktbezug.
Nach über 5 Jahren Erfahrung als M&A-Anwalt bei Latham & Watkins ist Dr. Philipp Giessen seit 2017 bei Marsh tätig. Dr. Giessen hat eine Vielzahl von internationalen M&A- und Immobilientransaktionen in der DACH-Region für große strategische Investoren und Finanzinvestoren erfolgreich versichert. Er publiziert regelmäßig zu Themen rund um M&A und die Absicherung von Transaktionsrisiken.

1) Vgl. Rasner/Möllering, Betriebsberater 2019, 2120.
2) Vgl. Marsh JLT Specialty, Transactional Risk Insurance 2019: Year in Review, April 2020, S. 2.
3) Den Regress des W&I-Versicherers muss der Verkäufer nicht fürchten, da der W&I-Versicherer darauf in der Police darauf mit Schutzwirkung zugunsten des Verkäufers verzichtet. Eine Ausnahme greift allerdings für Arglistfälle.

Autor/Autorin

Boris Dürr

Boris Dürr ist Rechtsanwalt und Managing Partner im Münchner Büro von Heuking Kühn Lüer Wojtek. Er berät bei nationalen und grenzüberschreitenden M&A- und Private-Equity-Transaktionen sowie bei Kapitalmarkttransaktionen und gesellschaftsrechtlichen Strukturprojekten.

 

Dr. Philipp Giessen