Kerngeschäft Schienen und Nutzfahrzeuge

1905 von Georg Knorr in Berlin gegründet und mit Unternehmenshauptsitz in München ist Knorr-Bremse heute bezogen auf die Umsatzerlöse im Geschäftsjahr 2017 nach eigener Einschätzung  Weltmarktführer für Bremssysteme und Anbieter weiterer sicherheitskritischer Subsysteme für Schienen- und Nutzfahrzeuge. Eigenen Schätzungen zufolge lag im Jahr 2017 der Anteil von Knorr-Bremse am globalen Markt für Bremssysteme für Schienenfahrzeuge bei rund 50% und für pneumatische Bremssysteme für Nutzfahrzeuge bei 42%.

Knorr-Bremse liefert Brems-, Einstiegs-, Steuer- und Hilfsenergieversorgungssysteme, Klima- und Fahrerassistenzsysteme für Schienenfahrzeuge sowie Brems-, Lenk-, Antriebs- und Getriebesteuerungs- und Fahrerassistenzsysteme für Nutzfahrzeuge und beschäftigt ca. 29.000 Mitarbeitern in mehr als 30 Ländern.

Der Geschäftsbereich Systeme für Schienenfahrzeuge (2017: 53% Umsatz- und 55% EBIT-Anteil) stattet den öffentlichen und privaten Nahverkehr mit Bremssystemen, intelligenten Einstiegssystemen, Klimaanlagen, Energieversorgungssystemen, Steuerungskomponenten, Fahrerassistenzsystemen, elektronische Antriebsausrüstungen und Leittechnik aus. Die Marke RailServices bietet Serviceleistungen für Wartung und Reparatur für Schienenfahrzeuge im After-Market-Geschäft an.

Der leicht kleinere Geschäftsbereich Systeme für Nutzfahrzeuge (2017: 47% Umsatz- und 45% EBIT-Anteil) bietet Produkte für Lkw, Busse, Anhänger und Landmaschinen an, so etwa Bremssysteme einschließlich Fahrerassistenzsystemen, Lenksteuerungen, elektronische Stabilitätsprogramme, Energieversorgungs und -verteilungssysteme oder auch kraftstoffeffizienzsteigernde Motor- und Getriebekomponenten. Auch hier werden im After-Market über die Marke TruckServices Serviceleistungen für Nutzfahrzeuge angeboten. Aufgrund jeweils ähnlicher Haupttechnologien bilden beide Segmente zusammen Synergieeffekte, zudem werden übergreifend auch gleichartige Komponenten und Materialien eingesetzt.

Gute Wachstumsbilanz 

Seitdem Heinz Hermann Thiele 1985 nach einem Management-Buy-out der Gesellschaft, gravierende strukturelle Veränderungen einleitete und Knorr-Bremse auf das Kerngeschäft fokussierte, ist das Unternehmen sowohl organisch als auch durch Akquisitionen gewachsen; ab 1989 mit einem jährlichen Umsatzwachstum über als 10%. Allein in den letzten drei Jahren wurden acht Unternehmen übernommen: zuletzt der Elektriksystemeanbieter Vossloh Kiepe, währenddessen sich die geplante Übernahme des schwedischen Konkurrenten Haldex 2016 – der auch auf kartellrechtliche Bedenken stieß – sich dagegen nur in eine strategische Minderheitsbeteiligung ummünzen ließ. Seit 2010 wurden Umsatz und EBITDA durchschnittlich um rund 7 bzw. 9,7% p.a. gesteigert.

2017 erwirtschafteten die Münchner in beiden Geschäftsdivisionen einen Gesamtumsatz von 6,2 Mrd. EUR, das EBITDA belief sich auf 1,1 Mrd. EUR (Marge: 18%) und das EBIT betrug 904 Mio. EUR (Marge:14,7%).  In der ersten Hälfte 2018 stieg der Umsatz um 11,6% auf 3,3 Mrd. EUR, das EBITDA wuchs um 12,4% auf 582 Mio. EUR und das EBIT  kletterte um 16% auf 472 Mio. EUR

Das Management strebt mittelfristig ein organisches Umsatzwachstum von 4,5% bis 5,5% an und plant auch zukünftig wertsteigernde anorganische Wachstumsmöglichkeiten ein. Die   EBITDA-Marge soll mittelfristig 1,5% über der im Geschäftsjahr 2017 ausgewiesenen EBITDA-Marge liegen.

Knorr-Bremse – Zahlen und Bewertung
2016 2017 2018e 2019e
Umsatz *) 5471 6154 6462 6785
Nettoergebnis *) 567 587 610 635
EpS 3,52 3,65 3,79 3,94
KGV min. 20,4 19,7 19,0 18,3
KGV max. 24,7 23,9 23,0 22,1
*) in Mio., sämtliche Angaben in Euro; Quelle: GoingPublic Research

 

Marktstrategie folgt Zukunftstrends

Das zukünftige Wachstumspotential soll dabei unter Berücksichtigung der Markttrends Urbanisierung, Öko-Effizienz, Digitalisierung und automatisiertes Fahren generiert werden. Die Urbanisierung verlangt nach einer Steigerung der Transportkapazitäten und der Infrastrukturnutzung und ist mit wachsenden Anforderungen an Verfügbarkeit und Zuverlässigkeit von Schienenfahrzeugsystemen verbunden. Hinsichtlich des Trends der Öko-Effizienz setzt Knorr-Bremse auf emissionsfreundliche Mobilitätslösungen in Großstädten. Durch die Digitalisierung wird eine zunehmend optimierte Datenanalyse und vorausschauende Instandhaltung für eine Verbesserung der Lebenszykluskosten ermöglicht. Das Unternehmen erwartet zudem, dass der Bereich autonomes Fahren die Schienen- und Nutzfahrzeugindustrie in den nächsten Jahren dominieren wird. Somit werden neue Lösungen in Form von Fahrerassistenzfunktionen entwickelt, um Unfälle, Transportkosten und Emissionen zu reduzieren.

Wird der Kapitalmarkt das IPO goutieren?

Knorr-Bremse kann insbesondere dadurch überzeugen, dass es als weltweit einziges Unternehmen die beiden Segmente Schienen- und Nutzfahrzeuge vereinigt und in einem Markt mit hohen Eintrittsbarrieren etabliert ist. Die Synergievorteile spiegeln sich auch in den mehr als 10.000 erteilten oder angemeldeten Patenten wider. Das Unternehmen liegt bei den F&E-Investitionen mit einem Umsatzanteil von ca. 6% oberhalb des Wettbewerbslevels. Für den anstehenden Börsengang wird Knorr-Bremse nun mit 11,6 bis 14 Mrd. Euro bewertet – bei einem Nettogewinn 2017 von 587 Mio. EUR ein KGV von ca. 20 bis 24.

Vor ein paar Tagen meldete Morgan Stanley, dass nach der Öffnung der Orderbücher bereits Zeichnungsaufträge für mehr als 40 Mio. Knorr-Bremse-Aktien vorgelegen hätten. Das entspräche bereits einem Ordervolumen von mind. 2,9 Mrd. EUR. Laut Thomson-Reuters pendelten sich die ersten Angebote in der Mitte der Preisspanne ein. Das IPO belasten könnte die Bekanntmachung, dass sich ein Vertragsstreit mit Bosch verschärft. Diese werfen Knorr-Bremse vor, ihm absprachewidrig bei Lenksystemen für LKWs Konkurrenz zu machen und will nun aus dem gemeinsamen europäischen LKW-Bremsen-Geschäft aussteigen. Knorr-Bremse soll aufgrund der Vorwürfe die Bosch-Beteiligung an der Knorr-Bremse Systeme für Nutzfahrzeuge GmbH von 20% und an einer gemeinsamen Firma im Japan für 380 Mio. EUR zurückkaufen. Knorr-Bremse bestreitet die Rechtmäßigkeit der Verkaufsoption.

Fazit

Ein KGV von mind. 20 (langjähriges DAX-KGV 19/Dow Jones-KGV 25) ist sicherlich nicht als preiswert zu betrachten und noch muss Knorr-Bremse seine Kapitalmarkttauglichkeit attestieren. Die insbesondere aufgrund langwieriger Zulassungsverfahren hohen Markteintrittsbarrieren und die Fokussierung des Unternehmens auf Wachtumstrends die gut mit den Geschäftssegmenten korrelieren, lassen das Unternehmen aber in jedem Falle langfristig profitabel erscheinen. So wie es bislang aussieht, dürfte das IPO erfolgreich werden – danach folgende Kursschwankungen sind nicht zuletzt auch aufgrund des nach wie vor eher noch von Verunsicherung geprägten Börsenklimas durchaus wahrscheinlich.

Chancen

– Weltmarktführer für Bremssysteme

– Aktuell hohe Markteintrittsbarrieren

– Synergien zwischen Schienen- und Nutzfahrzeugbereichen

– Hohe Forschung und Entwicklungs-Investitionen

Risiken

– Technologisches Risiko aufgrund unklarer Entwicklung der zukünftigen Trends

– Abhängigkeit von einer Reihe größerer Hauptkunden

– zuletzt verstärkt zunehmende Konkurrenz sorgt für Preisdruck

 

Autor/Autorin

Ike Nünchert ist Mitglied des Autoren-Teams und schreibt für GoingPublic On- & Offline-News rund ums Börsengeschehen schwerpunktmäßig in Europa und den USA. Ein weiterer Berichtsfokus liegt beim Segment gründergeführter börsennotierter Unternehmen.