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Im Zuge der ESEF-Regulierungen und Nachhaltigkeitsrichtlinien müssen die Unternehmen ihre Zahlenwerke und Geschäftsberichte standardisieren, sämtlich elektronisch und vieles maschinenlesbar erfassen und dazu gleichzeitig die zunehmenden Anforderungen der EU an das Sustainability Management erfüllen. Ein Gespräch über Technik, Tagging, Taxonomie und das richtige Timing bei der Umsetzung.

GoingPublic: Seit 2020 ist das European Single Electronic Format (ESEF) nun für börsennotierte Unternehmen vorgeschrieben. Wie ist Ihre Erfahrung damit im Allgemeinen?
Negro:
Als XBRL-Pionier und mit mehr als zehn Jahren Erfahrung im Bereich XBRL Reporting für die amerikanische Börsenaufsichtsbehörde SEC waren wir gut vorbereitet auf die Einführung von ESEF. Die Einführung im ersten Jahr mit dem Tagging der konsolidierten Jahresrechnung war relativ problemlos. Vielmehr war und ist es herausfordernd, den Kunden das notwendige Know-how zu vermitteln.

Fabio Negro ist seit 2021 Chief Operating Officer (COO) bei der Management Digital Data AG (MDD) und hat die Verantwortung über die Bereiche Backoffice, Sales & Marketing sowie das Projektmanagement.

Was läuft gut, in welchen Bereichen besteht Verbesserungsbedarf?
Wir sind zufrieden mit der Entwicklung vom letzten auf dieses Jahr. Natürlich ist es für viele Unternehmen eine Herausforderung gewesen, bestimmt immer noch in diesem Jahr sowie in Zukunft aufgrund möglicher Anpassungen. Jedoch sehen wir auch, dass sich Unternehmen besser aufgestellt haben. Es werden intern mehr Ressourcen zur Verfügung gestellt bzgl. Wissensaufbau, Softwareeinkauf und Beratung.

Zudem hat sich seit Einführung von ESEF die digitale Konzernberichterstattung verbessert. Wir sind der Meinung, dass die Verwendung von XBRL-Tagging-Technologien die Vergleichbarkeit und Effizienz von Finanzberichten verbessert und die Verbreitung von Informationen erleichtert hat. Wir sehen aber immer noch Bereiche, in denen Verbesserungsbedarf besteht.

Welche Bereiche betrifft das?
Zum Beispiel wird es für einige Unternehmen eine Herausforderung, das volle Potenzial von ESEF auszuschöpfen, insbesondere hinsichtlich der Tagging-Qualität und -Konsistenz geht, wenn nicht ein modernes Softwaretool verwendet wird. Darüber hinaus könnte es auch für einige Unternehmen schwierig werden, nicht-finanzielle Informationen, z.B. ESG-Daten, zu integrieren und in ESEF-konformen Berichten zu präsentieren. Hier müssen weitere Fortschritte erzielt werden, um sicherzustellen, dass ESEF nicht nur für Finanzdaten, sondern auch für nicht-finanzielle Daten genutzt werden kann. Zusammenfassend sehen wir also noch Verbesserungspotenzial bei der Qualität und Konsistenz des Taggings sowie der Integration von nicht-finanziellen Informationen.

Sehen Sie Unterschiede im Umsetzungstempo und der Umsetzungsfähigkeit innerhalb des DACH-Raums?
Ja, es bestehen Unterschiede in der Umsetzungsgeschwindigkeit und -fähigkeit der digitalen Konzernberichterstattung innerhalb des DACH-Raums. Während einige Unternehmen in Deutschland, Österreich und der Schweiz bereits fortschrittliche Technologien zur digitalen Berichterstattung nutzen, sind andere Unternehmen noch nicht sehr weit fortgeschritten. Dies kann auf unterschiedliche Gründe zurückzuführen sein, etwa die Größe des Unternehmens, die Art der Geschäftstätigkeit oder die individuelle digitale Strategie. Es gibt jedoch auch Bestrebungen auf nationaler und europäischer Ebene, die Umsetzung der digitalen Berichterstattung voranzutreiben und Unternehmen dabei zu unterstützen, digitale Lösungen zu implementieren.

Auch in der Welt der Reporting-Plattform-Anbieter lassen sich Unterschiede feststellen. Einige Anbieter haben das Tagging direkt in den Reportingprozess integriert. Der Vorteil hierbei ist, dass Zahlen und Textblöcke nur einmal getaggt werden müssen und danach automatisch in allen Ausgabeformaten verfügbar sind. Dies bietet eine höhere Prozesssicherheit und vermeidet Medienbrüche. Ebenfalls sind beim integrierten Ansatz im Jahr zwei eigentlich bereits alle Arbeiten geleistet und es müssen nur eventuelle Updates der Taxonomie oder inhaltliche Veränderungen berücksichtigt werden.

Andere Anbieter hingegen wenden einen anderen Ansatz an und führen das Tagging erst am finalen Ausgabeformat am Ende des Reportingprozesses durch, was möglicherweise zu unnötigen Verzögerungen und Inkonsistenzen führen kann.

Die Anforderungen steigen von Jahr zu Jahr. Für die Geschäftsberichte 2022 müssen erstmals mehr Daten aus dem Anhang der Geschäftsberichte getaggt werden. Wie viel zusätzliche Kapazität sollten die Unternehmen hier einplanen?
Für uns war die Produktion der Berichte für das Jahr 2022 sicher aufwendiger als im Vorjahr. Es herrschte am Anfang eine gewisse Unsicherheit bzgl. der Implementierung der neuen Anforderungen. Wir waren aus technischer Sicht gut aufgestellt und mit der Zusammenarbeit mit den Auditoren haben sich die Implementierungsaufwände in Grenzen gehalten. In unserem Fall würden wir den zusätzliche Initialaufwand für das Taggen von Daten aus dem Anhang der Geschäftsberichte im Rahmen von ESEF auf ca. 50% schätzen. Die genaue zusätzliche Kapazität, die generell ein Unternehmen einplanen sollten, hängt von verschiedenen Faktoren ab, z.B. der Größe des Unternehmens, der Komplexität des Anhangs und der verwendeten Softwareplattform. Zudem sollten Unternehmen damit rechnen, dass das Tagging von Daten aus dem Anhang mehr Zeit und Ressourcen erfordert als das Tagging der konsolidierten Jahresrechnung. Daher empfehlen wir, frühzeitig mit der Planung und Umsetzung des Prozesses zu beginnen.

Für 2024 muss dann erstmals in den Lagebericht auch der getaggte ESG-Report integriert werden. Wann und wie ist hier am besten vorzugehen?
Um sicherzustellen, dass relevante ESG-Daten korrekt erfasst und getaggt werden, ist es notwendig, dass Unternehmen über geeignete Systeme und Technologien verfügen. Es ist wichtig, dass die Technologie nicht nur den aktuellen Anforderungen entspricht, sondern auch für zukünftige Anforderungen skalierbar ist.

Eine weitere wichtige Maßnahme ist die Schulung der Mitarbeiter im Hinblick auf die ESG-Berichterstattung. Mitarbeiter der Nachhaltigkeitsabteilung sollten über das notwendige Wissen verfügen, um die ESG-Daten richtig zu taggen. Hierbei ist eine Zusammenarbeit mit der Finanzabteilung empfehlenswert, um von deren Erfahrung zu profitieren.

Gibt es eine Art Fahrplan, den Sie Unternehmen für die kommenden Herausforderungen empfehlen können?
Wir sind der Überzeugung, dass eine sorgfältige Planung bei der Umsetzung neuer Richtlinien unerlässlich ist. Unsere Erfahrung zeigt, dass Unternehmen, die Checklisten verwenden, ihre Prozesssicherheit erhöhen und ihre Effizienz steigern können. Wir empfehlen dringend, Tools in den Prozess einzubeziehen, um die Arbeit zu erleichtern und sicherzustellen, dass die erforderlichen Daten korrekt erfasst und getaggt werden. Ebenfalls empfehlen wir, die neuen Richtlinien in einem „Trockenlauf“ umzusetzen.

Im Zuge der Umsetzung von Nachhaltigkeits- und Digitalisierungsmaßgaben müssen Unternehmen in der Finanzfunktion in den nächsten zwei Jahren viele Dinge gleichzeitig umsetzen. Wo sehen Sie die organisatorische und ggf. auch strategische Ansiedlung der damit verbundenen Themen am besten aufgehoben?
Unserer Meinung nach sind die Funktionen im Department des Finanzvorstands oder CFOs am besten aufgehoben. Datenerhebung und -management, für alle Bereiche des Unternehmens, sehen wir immer öfter bei den Finanzabteilungen angesiedelt, wobei die Verantwortung über die Publikationen teilweise bei der Kommunikationsabteilung bleibt.

Die Finanzabteilung hat im Thema Tagging, Taxonomie und XBRL die nötige Erfahrung. Dadurch können Ressourcen gebündelt werden und Know-how transferiert werden.

Welches Thema liegt Ihnen im Zusammenhang mit der Digitalisierung des Reportings ggf. noch besonders am Herzen?
Ein Thema, das häufig unterschätzt wird, jedoch äußerst wichtig ist im Zusammenhang mit der Digitalisierung des Reportings, ist die Datenqualität. Bei der Übertragung von Berichtsinformationen in digitale Formate wie XBRL ist es von entscheidender Bedeutung, dass die Daten korrekt, vollständig und konsistent sind. Fehlerhafte oder unvollständige Daten können zu falschen Analysen und Entscheidungen führen und das Vertrauen von Investoren und anderen Stakeholdern beeinträchtigen. Daher ist unser Anliegen, dass Unternehmen sicherstellen, dass ihre Datenquellen und Prozesse robust genug sind, um die Anforderungen der Digitalisierung des Reportings zu erfüllen.

Die Fragen stellte Simone Boehringer

Autor/Autorin

Simone Boehringer

Simone Boehringer ist die Redaktionsleiterin "Kapitalmarktmedien" der GoingPublic Media AG.