Bernhard Orlik, Geschäftsführer, Haubrok Corporate Events GmbH

Der Begriff „Gläubigerversammlung“ ist eigentlich nur ein Sammelbegriff. Genau genommen sind mindestens drei Arten von Gläubigerversammlungen zu unterscheiden.

Arten von Gläubigerversammlungen

Zunächst ist die Versammlung von Anleihegläubigern zu nennen. Die Rechtsgrundlage findet sich in § 9 ff des Schuldverschreibungsgesetzes (SchVG). Zuständig für die Einberufung dieser Gläubigerversammlung ist der Anleiheemittent.

Befindet sich die Gesellschaft bereits in der Insolvenz, sind zwei weitere Gläubigerversammlungen auszumachen. Beide werden jeweils vom zuständigen Insolvenzgericht einberufen. Teilnahmeberechtigt sind im Wesentlichen alle Gläubiger.

Im Rahmen einer Insolvenz kann die erste Form der Gläubigerversammlung mehrmals einberufen werden, um Beschlüsse zu fassen oder aber auch nur um Informationen, z.B. durch den Insolvenzverwalter, zu erhalten. In der Insolvenzordnung (InsO) beschäftigen sich die § 74ff InsO mit dieser Art der Gläubigerversammlung.

„Last but not least“ gibt es dann noch eine ganz spezielle Form der Gläubigerversammlung bei Gesellschaften, die im Wege der Planinsolvenz saniert werden sollen. Am Ende der Planinsolvenz steht die Annahme und Bestätigung des Insolvenzplans im Rahmen eines Erörterungs- und Abstimmungstermins. § 235 ff InsO beschreibt hier die rechtliche Grundlage.

Eckpunkte des Erörterungs- und Abstimmungstermins

Im Vergleich, bspw. zu einer Hauptversammlung nach dem Aktienrecht, ist für die Einberufung eines vom Insolvenzgericht anberaumten Erörterungs- und Abstimmungstermins keine Mindestfrist zu beachten. Die InsO bestimmt vielmehr, dass der Termin nach Bekanntmachung binnen Monatsfrist stattzufinden hat. Gesondert eingeladen werden müssen die Gläubiger, die Forderungen angemeldet haben, die absonderungsberechtigten Gläubiger (das sind Gläubiger, die besichert sind) sowie Insolvenzverwalter, Schuldner und Betriebsrat. Ausdrücklich nicht gesondert geladen werden müssen Aktionäre der Gesellschaft sowie die Gläubiger einer nachrangigen Anleihe, wenn auch geregelt ist, dass Informationen zum Insolvenzplan in Analogie zu § 121 Abs. 4a AktG über die Website der insolventen Gesellschaft zugänglich gemacht werden müssen, sofern die Gesellschaft börsennotiert ist, sowie im Bundesanzeiger eine Bekanntgabe erfolgen muss. Im Rahmen des Erörterungs- und Abstimmungstermins werden zunächst das Stimmrecht der Beteiligten und dann der aufgestellte Insolvenzplan erörtert, um schließlich über den Insolvenzplan abzustimmen.

In einem ersten Teil des Erörterungs- und Abstimmungstermins wird nun diskutiert, mit welchen Stimmrechten die Gläubiger bei der folgenden Abstimmung über den Insolvenzplan stimmberechtigt sind (z.B. haben nachrangige Gläubiger, deren Forderungen durch den Insolvenzplan nicht beeinträchtigt werden, kein Stimmrecht). Das Ergebnis des Erörterungstermins wird von einem Urkundsbeamten in einer Stimmliste festgehalten. Hier gibt es eine Besonderheit: Sofern auch Anteilseigner (z.B. Aktionäre) Stimmrechte haben, bestimmt sich deren Stimmgewicht nur an der Höhe des gezeichneten Kapitals. Stimmrechtsverbote oder Mehrfachstimmrechte bleiben außen vor.

Gläubigerversammlung ist nicht gleich Gläubigerversammlung. Foto: PantherMedia / Mohamad Razi Bin Husin

Die Abstimmung erfolgt getrennt nach Gläubigergruppen, die schon zu einem früheren Zeitpunkt im Planinsolvenzverfahren vom Sachwalter und nach anschließender Überprüfung durch das Insolvenzgericht festgelegt wurden. Dabei erfolgt die Einteilung der Beteiligten in Gruppen dergestalt, dass diese den unterschiedlichen wirtschaftlichen und rechtlichen Gegebenheiten der Betroffenen Rechnung tragen. Seit dem am 1. März 2012 in Kraft getretenen Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) kann für Anteilseigner auch eine eigene Gruppe gebildet werden.

Jede Gruppe stimmt nun für sich getrennt über den vorgelegten Insolvenzplan ab. Damit der Plan angenommen wird, ist in jeder Gruppe gesondert sowohl eine Summenmehrheit (Summe der in der Stimmliste festgelegten Stimmrechte) als auch eine Kopfmehrheit (Anzahl der abstimmenden Gläubiger) erforderlich. In der Gruppe der Anteilseigner wird auf die Kopfmehrheit verzichtet und nur auf eine Mehrheit der Aktien abgestellt. Eine Mehrheit über alle Gruppen ist ausdrücklich nicht erforderlich.

Sollte der Insolvenzplan nun doch nicht in jeder Gruppe die erforderliche(n) Mehrheit(en) erreicht haben, so könnte das Obstruktionsverbot greifen. Der Gesetzgeber will hiermit verhindern, dass eine Minderheit die Umsetzung des Insolvenzplans „stört“ (Obstruktion). Nach § 245 InsO gilt die Zustimmung einer Abstimmgruppe als erteilt, wenn die Beteiligten dieser Gruppe im Ergebnis des Insolvenzplans nicht schlechter gestellt werden als ohne Umsetzung des Plans. Weitere Voraussetzungen sind, dass die Angehörigen der fraglichen Gruppe angemessen am wirtschaftlichen Wert beteiligt werden, der laut Plan den Beteiligten zufließen soll und letztlich eine Mehrheit der Gruppen dem Plan mit den erforderlichen Mehrheiten zugestimmt hat (Deshalb ist der Aufsteller des Plans gut beraten, eine ungerade Anzahl von Gruppen zu bilden).

Blick in die Praxis

Am 12. September 2012 fand ein derartiger Erörterungs- und Abstimmungstermin des ehemaligen MDAX-Wertes Pfleiderer in Düsseldorf statt. Geleitet wurde der Termin vom zuständigen Richter. Die Diskussion dauerte ca. drei Stunden und es waren auch einige aus der Welt der Hauptversammlung bekannte Gesichter anwesend.

Letztlich stimmten alle Gruppen mit jeweils mehr als 99% dem vorgelegten Plan zu. Die formale Aufhebung des Insolvenzverfahrens wird noch für Dezember 2012 erwartet. Die Durchführung des Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung nach dem ESUG hat geholfen, die 3.600 Arbeitsplätze der Pfleiderer-Gruppe zu erhalten – es musste keine betriebsbedingte Kündigung ausgesprochen werden.

Die Technik zur Abstimmung wurde von einem erfahrenen Dienstleister gestellt, die Stimmsammlung im Saal war jedoch den anwesenden Justizwachtmeistern vorbehalten. Das Insolvenzrecht ist eben doch eine eigene Welt!

Dieser Artikel ist erschienen im HV Magazin 4/2012.

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