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Mit Beginn der Pandemie im Frühjahr 2020 wurde die virtuelle Hauptversammlung (vHV) schnell und flächendeckend eingeführt, sie war „alternativlos“, und der Gesetzgeber hatte mit der Einschränkung der Aktionärsrechte, insbesondere auch durch die weitestgehende Einschränkung der Anfechtungsmöglichkeit, die Bedenken zur Durchführbarkeit gemildert. Seit Sommer 2022 ist die vHV im Gesetz fest verankert und gewährt den Aktionären mit Ausnahme der physischen Präsenz alle Rechte. Ein Überblick

Gesellschaften, die ihr Aktionärstreffen in der ersten Hälfte des Jahres abhalten, haben die Entscheidung über das HV-Format wohl inzwischen mehrheitlich getroffen. Interessant wird sein, wie genau die Gestaltungsmöglichkeiten der virtuellen Variante genutzt werden, besteht hier doch deutlich mehr Spielraum als bei der Präsenzversammlung.

In folgender Tabelle sind die wichtigsten Neuerungen – von der Übergangsregelung, eine virtuelle HV bis Ende August 2023 auch ohne Satzungsregelung durchzuführen, bis hin zur Ausgestaltung des Fragerechts – zusammengestellt.

Ein Überblick über die wichtigsten Punkte:

Zugänglich zu machende Gegenanträge und Wahlvorschläge gelten weiterhin als gestellt und müssen in der Versammlung nicht nochmals mündlich gestellt werden; legitimierte Aktionäre müssen jedoch ab Zugänglichmachung darüber abstimmen können.

Aktionäre können vorab Stellungnahmen einreichen, die zugänglich zu machen sind.

Aktionäre haben ein Fragerecht in der HV per Textfeld im Portal und (oder ausschließlich) über Videokommunikation. Alternativ kann die Einreichung von Fragen auf das Vorfeld der Versammlung beschränkt werden. Fragen und Antworten müssen dann vorab auf der Internetseite der Gesellschaft eingestellt werden. In diesem Fall besteht ein Nachfragerecht und ein Recht auf Fragen zu neuen Sachverhalten in der HV.

• Zur Einlegung eines Widerspruchs ist keine Stimmrechtsausübung mehr erforderlich.

Die weitgehenden Einschränkungen der Anfechtbarkeit von Beschlüssen wurden wieder zurückgenommen, es bleibt beim Ausschluss der Anfechtbarkeit aufgrund technischer Störungen mit Ausnahme von Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit.

Fragerechte sind entscheidend

Auch die Gründe, die für eine virtuelle HV sprechen, sind hinlänglich erläutert. Besonders wichtig hier zu nennen sind die Nachhaltigkeit, die geringeren Kosten und die größere Erreichbarkeit des Aktio­nariats.

Die Unterschiede der vHV zu einer Präsenzversammlung liegen nun nicht mehr in den gewährten Aktionärsrechten, sondern vielmehr in deren Ausgestaltung. Insbesondere beim Fragerecht ist die virtuelle HV wesentlich flexibler. Trotzdem wird es wohl in den meisten Fällen auf die Variante der Fragenstellung ausschließlich in der Versammlung und dies via Videozuschaltung hinauslaufen. Zu groß scheinen die Hürden der vorab einzustellenden Informationen (Vorstandsbericht oder dessen wesentlichen Inhalt, Fragen und Antworten), zumal diese im Gegensatz zur Präsenz-HV nicht nur den vor Ort teilnehmenden Aktionären zur Verfügung stehen, sondern allen Aktionären und Interessierten, und dies in schriftlicher Form. Die Videozuschaltung schließt eine befürchtete übermäßige Übermittlung an Fragen in Textform aus, wie man sie teilweise zu Zeiten der COVID-19-HV erfahren hat.

Formaler Ablauf gleicht dem der Präsenz-HV

Somit wird der formale Ablauf vieler virtueller Hauptversammlungen in diesem Jahr sehr dem einer Präsenz-HV gleichen, mit einer Generaldebatte, in der Aktionäre live ihre Fragen stellen, die der Vorstand im Anschluss beantwortet. Auch zweite oder dritte Fragerunden wird es analog der Präsenzversammlung geben.

Dies erfordert ein Backoffice, welches im Umfang ähnlich aufgestellt sein wird wie zu Zeiten der letzten Präsenz-HV, aber dezentral organisiert sein kann. Hier sind wir wieder beim Nachhaltigkeitsgedanken, aber auch beim Kostenfaktor.

Fazit

Die virtuelle HV 2023 wird einer Präsenz-HV sehr ähnlich sein. Lediglich der direkte persönliche Kontakt wird fehlen. Daher wird bei erklärungsbedürftigeren Tagesordnungspunkten oder z.B. einem Managementwechsel die Präsenzversammlung die richtige Wahl sein. Für alle anderen Versammlungen ist die virtuelle Welt, wie wir sie auch bei virtuellen Besprechungen kennen und schätzen gelernt haben, ein gutes Instrument.

Autor/Autorin

Nicola Bader

Nicola Bader ist Geschäftsführerin der BADER & HUBL GmbH. Sie berät Unternehmen in allen Phasen einer Veranstaltung, vom Kick-off-Meeting über Planung und Organisation bis hin zur Auswahl von Personal und Medientechnik.