Ausgehend von den jüngsten Bilanzskandalen in England, aber auch vor dem Hintergrund des ‚EU-Fitness-Checks‘ mehren sich in der Wirtschaftspresse und im Berufsstand die Hinweise, dass eine neue Regulierungsrunde für die Abschlussprüfung bevorstehen könnte. Von Prof. Dr. W. Edelfried Schneider

Insbesondere die krachende Insolvenz des britischen Baudienstleisters Carillion PLC hat die Diskussion in Gang gebracht. Der harte Vorwurf an den Berufsstand lautet, dass letztlich alle großen Prüfungsgesellschaften involviert waren und erhebliche Gebühren berechnet haben – es aber letztlich zu keinen durchgreifenden Besserungen oder frühzeitigen Warnungen an alle relevanten Stakeholder dieses Unternehmens gekommen ist. Besonders belastend ist die Tatsache, dass Carillion ein sehr bedeutender Baudienstleister und Lieferant der Öffentlichen Hand war. Vor diesem Hintergrund ist auch die englische Regulierungsbehörde Financial Reporting Council (FRC) in den Fokus der Kritik geraten – mit entsprechenden Änderungskonsequenzen.

Zusammenfassend kann man die aktuelle Lage dahingehend kennzeichnen, dass derzeit ein Höchstmaß öffentlichen Misstrauens gegenüber der Wirtschaft und der in ihr tätigen Personen besteht, die Abschlussprüfer sind besonders im Fokus. Die verschiedenen Steuerskandale von Lux Leaks über Panama- und Paradise Papers haben ein Übriges dazu getan.

Überstrahlungseffekte
Die Wahrnehmung der Bilanzskandale äußert sich in einer Kombination von Einschätzung und Überzeugung einerseits sowie Realität andererseits. Fakt ist, dass einige wenige negative Vorkommnisse nun wiederum eine ganze Branche in Verruf bringen. Über die Anzahl hunderttausender korrekt abgewickelter Abschlussprüfungen und zutreffender Bestätigungsvermerke in Europa redet derzeit keiner. Vielmehr sieht sich die Branche genötigt, erneut Vorschläge zur Überwindung insbesondere der Erwartungslücke im Prüfungswesen zu machen. Im Prinzip geht es hierbei um die weitere Stärkung der Unabhängigkeit des Abschlussprüfers, aber auch vorrangig um die Steigerung der Prüfungsqualität.

Ohne auf die einzelnen Vorschläge einzugehen, sei im Folgenden lediglich der Vorschlag der sogenannten „Audit only firms“ besprochen. Aus England kommt der Vorschlag einer strikten Trennung von Prüfung und Beratung, dies jedoch nicht in der Funktion, sondern bereits in der Zulassung beziehungsweise Lizenz der Prüfungsfirmen und -praxen: sogenannte Audit only firms.

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Es sollen also Prüfungsgesellschaften etabliert werden, die nur und ausschließlich gesetzliche oder freiwillige Jahresabschlussprüfungen und keinerlei andere Dienstleistungen anbieten dürfen. Ein solcher Ansatz ist strikt zu unterscheiden von einer gegebenenfalls auch harten Trennung von Prüfung und Beratung im identischen Mandat. Demnach darf der Abschlussprüfer im geprüften Mandat keinerlei weitere Dienstleistungen erbringen. Bereits die letzte Abschlussprüfer-Regulierung vom 16. Juni 2014 enthält im Kern eine solche Trennung von Prüfung und Beratung. Wenn man ehrlich ist, wird man das Konzept von verbotenen Nicht-Prüfungsleistungen einerseits und doch zulässigen Beratungsleistungen andererseits insbesondere im steuerlichen Bereich in Frage stellen müssen.

Fakt ist, dass im Segment der Public Interest Entities (PIE) in der Praxis ganz überwiegend bereits jetzt eine klare Trennung von Prüfung und Beratung vorherrscht. Deshalb kann man den Vorschlag einer Trennung von Prüfung und Beratung im identischen Mandat gut nachvollziehen; er würde gegebenenfalls keine wesentlichen Änderungen in dem gehobenen Segment der Branche bedeuten.

Es bleiben jedoch zwei große Themen, die auch wiederum deutlich zu unterscheiden sind:

Der Begriff der multidisziplinären Prüfungsgesellschaften (multi-disciplinary firms) hat letztlich nichts zu tun mit der Frage der angebotenen Dienstleistungen. Auch in Zukunft wird eine sinnvolle Methodik der Abschlussprüfung auf einem multidisziplinären Ansatz beruhen; dies soll heißen, dass nicht nur vorwiegend betriebswirtschaftlich ausgebildete Wirtschaftsprüfer, sondern auch IT- und Steuerspezialisten, eventuell Ingenieure und andere Fachleute an einer Prüfung mitwirken müssen, um eine hohe, den oftmals komplexen Geschäftsmodellen angemessene Qualität der Abschlussprüfung zu gewährleisten.So sehr die Trennung von Prüfung und Beratung im PIE-Segment bereits Fakt ist, so sehr muss sie für den Bereich der privaten und mittelständischen Unternehmen strikt abgelehnt werden. Die Fragestellung in beiden Segmenten ist diametral anders: Während im PIE-Segment des Kapitalmarktes insbesondere die relevanten Stakeholder-Informationen und deren neutrale Prüfung durch den unabhängigen Abschlussprüfer im Vordergrund stehen, ist bei den privaten und mittelständischen Unternehmen überwiegend die umfassende begleitende Rolle für das Unternehmen gefragt. Die Jahresabschlussprüfung beinhaltet hier eine starke Korrektur- sowie Verbesserungsfunktion. Eine Trennung von Prüfung und Beratung, insbesondere Steuerberatung, würde in diesem Segment die Beratungskosten extrem erhöhen, weil die Dienstleistungen der Abschlussprüfung und Beratung nicht mehr aus einer Hand angeboten würden, sondern jeder Prüfer/Berater sich individuell tiefer einarbeiten müsste.Allerdings müssen auch im privaten und Mittelstands-Sektor die Grenzen der Unabhängigkeit gewahrt werden: Man kann nicht prüfen, was man selbst beraten und implementiert hat.

Schließlich stellt sich die Frage, ob ein Audit-only-Modell überhaupt ein wirtschaftlich tragfähiges Konzept darstellt. Dies ist weitgehend zu verneinen. Zum einen kann angenommen werden, dass derart in ihrer Tätigkeit eingeengte Firmen deutlich an Attraktivität für den Berufsnachwuchs verlieren. Der weiterhin notwendige multidisziplinäre Prüfungsansatz würde in Frage gestellt sein und die Prüfungsqualität sinken. Auch würden sich bei einem solchen Unternehmen Kapazitätsauslastungsprobleme abzeichnen, sodass ohne deutliche Erhöhung der Prüfungskosten die Prüfungsunternehmen wirtschaftlich nicht überlebensfähig wären.Zusammenfassend würden beide Aspekte wahrscheinlich zu einer deutlich höheren Konzentration im Prüfermarkt führen, als dies bisher schon der Fall ist. Das kann letztlich niemand wollen.

Prof. Dr. W.E. Schneider

Fazit
Fraglich ist, ob der Berufstand im Sinne einer progressiven Debatte mit einem Vorschlag zur Trennung von Prüfung und Beratung im identischen PIE-Mandat an die breite Öffentlichkeit treten sollte. Hierfür sprechen einige Gründe, insbesondere hat die Vergangenheit gezeigt, dass eine ausschließlich reaktionäre Verteidigung der Berufsposition nicht erfolgreich war.


Über den Autor
Prof. Dr. W. Edelfried Schneider ist Geschäftsführer des Wirtschaftsprüfer- und Steuerberaternetzwerks HLB Deutschland und Präsident des europäischen Wirtschaftsprüferverbands Accountancy Europe.

Bildquelle: HLB Dr. Dienst & Partner/Dietmar Guth

Autor/Autorin

Falko Bozicevic ist Mitglied des Redaktionsteams des GoingPublic Magazins sowie verantwortlich für das Portal BondGuide (www.bondguide.de)