Bildnachweis: stock3.com.
Die Geschäftszahlen zum zweiten Quartal geben der Aktie von Formycon (DE000A1EWVY8) keinen neuen Schwung nach oben mit. Im Gegenteil: Als Reaktion gab der Aktienkurs des im TecDAX gelisteten Biosimilar-Entwicklers am gestrigen Mittwoch deutlich nach. Nach dem Aufschwung im Juni und Juli bewegt sich der Börsenwert oberhalb der 400 Mio. EUR. Neue Kaufargumente für die Aktie ergeben sich durch steigende Produktverkäufe und neue Vertragsabschlüsse – möglicherweise schon in den kommenden Monaten. Von Stefan Riedel
Das im TecDAX gelistete Unternehmen meldete im ersten Halbjahr einen deutlichen Umsatzrückgang gegenüber dem Vorjahr von 26,9 auf neun Mio. EUR. Als Hauptgründe für diese Entwicklung nennt Formycon zum einen Einbußen bei Meilensteinzahlungen, zum anderen rückläufige Einnahmen aus den Erstattungen von Entwicklungsleistungen. Der bereinigte operative Verlust auf EBITDA-Basis vergrößerte sich von 16,9 auf 17,9 Mio. EUR.
Vor allem die anhaltend hohen Forschungs- und Entwicklungskosten für den am weitesten fortgeschrittenen klinischen Kandidaten FYB206 sorgten dafür, dass sich die Cashreserven auf 27,3 Mio. EUR verringerten. Durch eine überzeichnete Anleiheplatzierung mit einem Emissionsvolumen in Höhe von 70 Mio. EUR mit Laufzeit bis Juli 2029 (NO0013586024) hat Formycon dafür gesorgt, dass der finanzielle Spielraum für das operative Geschäft bis zum Erreichen der Profitabilität nicht eingeschränkt wird.
Das zweite Halbjahr entscheidet
An seiner bisherigen Jahresprognose – und das ist aus Investorensicht positiv zu werten – hält Formycon fest. In Zahlen ausgedrückt bedeutet das: 55 bis 65 Millionen EUR Umsatz und ein Verlust auf EBITDA-Basis zwischen 10 und 20 Mio. EUR. Ein positives Ergebnis auf EBITDA will die Gesellschaft „frühestens 2026, spätestens aber 2027“ erreichen. „Die positiven Entwicklungen der letzten Wochen und Monate stärken unsere Erwartungen für eine dynamische zweite Jahreshälfte – insbesondere durch die weitere Etablierung von FYB202 sowie potenzielle Verpartnerungen für FYB206“, erläutert Enno Spillner, der Finanzvorstand von Formycon. „Signifikante Umsatzsteigerungen insbesondere im vierten Quartal“, so Vorstandschef Stefan Glombitza in der Analysten-Telefonkonferenz, sollen für Formycon die Basis bilden, um die gesteckten Jahresziele bei Umsatz und Ergebnis zu erreichen.
Mit FYB2021, FYB202 und FYB2023 hat Formycon inzwischen drei zugelassene Produkte. Die mit den Vermarktungspartnern vereinbarten Umsatzbeteiligungen bucht Formycon in der Bilanz ein. FYB202, ein Nachahmerprodukt der Schuppenflechtearznei Stelara von Johnson&Johnson, ist aktuell der mit Abstand wichtigste Umsatztreiber. In den ersten vier Monaten seit der Zulassung in den USA und in Europa erzielte das unter dem Produktnamen Otulfi verkaufte Biosimilar einen Umsatz von 1,7 Mio. EUR. Allerdings ist das Marktumfeld für FYB202 zurzeit überaus schwierig. Aufgrund der Probleme bei der Preissetzung hatte Formycon vor der Markteinführung im Februar durch Partner Fresenius Kabi in der 2024er-Bilanz Abschreibungen in Höhe von 108 Mio. EUR verbuchen müssen. Die Reaktion an den Finanzmärkten fiel drastisch aus: In den Wochen nach der Ankündigung stürzte der Aktienkurs um mehr als 50% ab.
Unsicherheitsfaktor USA
Von diesem Einbruch erholte sich die Aktie im Frühjahr teilweise, ehe Anfang August ein neuer Abwärtstrend einsetzte. Der größte Unsicherheitsfaktor für die Produktverkäufe bleibt der US-Markt. Präsident Trump hat 17 Pharmakonzernen in einem Brief eine Frist bis zum 29. September gesetzt, um ihre Medikamentenpreise in den USA deutlich zu senken. Diese Maßnahme begründet er damit, dass die Arzneimittelpreise in den USA teilweise dreimal so hoch wie auf anderen Märkten sind. Geben die Pharmakonzerne nach, so befürchten die meisten Branchenexperten, sinke bei Kliniken und Ärzten die Bereitschaft, ihren Patienten die aktuell deutlich günstigeren neuen Biosimilars zu verschreiben.
Hinsichtlich der möglichen Auswirkungen äußert sich Finanzvorstand Spillner vorsichtig: „Da Zeitpunkt, Umfang und konkrete Ausgestaltung der Maßnahmen noch offen sind, lassen sich potenzielle Effekte auf unsere Geschäftsplanung 2025 und 2026 derzeit nicht verlässlich quantifizieren. Sollte sich die Preisdifferenz zwischen Referenzarzneimittel und Biosimilar signifikant verringern, könnte das auch neue Chancen für kosteneffiziente Anbieter wie uns eröffnen.“ Umso mehr setzt Formycon auf eine breitere geografische Diversifikation der Produktverkäufe. Im ersten Halbjahr 2025 mit der Zulassung des Augenmittels FYB201 in Brasilien und mit der Markteinführung von FYB202 / Otulfi in Europa, den USA und Kanada. In Deutschland übernimmt Partner Teva Ratiopharm die Markteinführung im zweiten Halbjahr.
Hoffnungsträger FYB206
FYB206 könnte in Zukunft zum größten Umsatzbringer avancieren. Dabei handelt es sich um ein Nachahmerprodukt für das von Merck&Co entwickelte Keytruda. Für das weltweit umsatzstärkste Krebsmedikament laufen die Schlüsselpatente 2028 aus. Formycon sieht sich hier sehr gut positioniert, um beim Wettbewerb um das erste zugelassene Biosimilar das Rennen zu machen. Sobald Formycon erste Marketing-Deals abschließt, sind von den Partnern wahrscheinlich erste Vorabzahlungen zu erwarten.
Mit den jüngsten Erfolgen steigt die Wahrscheinlichkeit, dass Formycon in den nächsten Quartalen erste Vertragsabschlüsse unterzeichnen könnte. Laut Formycon befinden sich Auslizenzierungsgespräche in einem fortgeschrittenen Stadium – mit dem Ziel, im zweiten Halbjahr 2025 erste Lizenzpartnerschaften abzuschließen. „Durch die jüngsten Nachrichten zur erfolgreich abgeschlossenen Studienrekrutierung der Phase 1 hat sich das Interesse an unserem Produkt noch verstärkt. FYB206 ist ein wesentlicher Werttreiber in unserer Umsatzplanung für das zweite Halbjahr 2025, und die erwarteten Vorab- oder Meilensteinzahlungen sollen maßgeblich zum prognostizierten Jahresumsatz beitragen“, ist Spillner überzeugt.
Im Februar erhielt das Unternehmen von der US-Behörde FDA die Nachricht, dass die bislang vorliegenden Daten einer klinischen Phase-3-Studie in Verbindung zu den positiven Resultaten einer parallel laufenden Phase-1-Studie ausreichen, um eine therapeutische Vergleichbarkeit mit Keytruda zu dokumentieren. Formycon beendete die Phase-3-Studie vorzeitig – und kündigte in der Pressemitteilung von heute an, dass die Patientenrekrutierung für die laufende Phase-1-Studie abgeschlossen wurde. Nach dem Abschluss dieser Studie voraussichtlich im nächsten Jahr will Formycon den Zulassungsantrag einreichen.
FAZIT
Formycon hat in diesem Jahr etliche Fortschritte zu klinischen Studien und Zulassungen in Ländermärkten gemeldet. Den Aktienkurs beeinflusst haben jedoch die negativen Nachrichten. Die kommenden Monate entscheiden darüber, ob Formycon seine Jahresziele erreicht und der Aktienkurs wieder Kurs nach oben nimmt. Aktuell ist noch schwierig einzuschätzen, wie sich die künftige Preispolitik in den USA auf den Biosimilarmarkt auswirken wird. Global bleiben Biosimilars eine preisgünstige Alternative in Märkten, die nach Alternativen zu Originalpräparaten suchen. Für die Formycon-Aktie hat sich der spekulative Charakter weiter erhöht. Wer jetzt erste Positionen aufbaut, setzt den Stop-Loss konsequent bei 20,40 EUR, dem Jahrestief. Erst ein positiver Nachrichtenfluss hat das Zeug, die Aktie wieder dauerhaft in Regionen über 30 EUR zu befördern.
Autor/Autorin
Stefan Riedel
Stefan Riedel ist freier Autor bei GoingPublic Media und selbständiger Redakteur mit Schwerpunkt Finanzen und Wirtschaft.