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Die Regulierungsfreude der europäischen und besonders der bundesdeutschen Politik erweist sich als kontraproduktiv, fällt doch die EU trotz vieler gut gemeinter regulatorischer Vorgaben im internationalen Wettbewerb immer weiter zurück. Regulierungsexzesse wie das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz ersticken das Wirtschaftswachstum. Zusätzliche regulatorische Restriktionen sollten deshalb tunlichst vermieden werden. Das gilt auch mit Blick auf die Vorgaben zur Zusammensetzung der Aufsichtsräte. Von Rolf Drees
Ein Blick zurück: Bis in die 1990er-Jahre dominierte hierzulande die verkrustete Deutschland AG. Dies manifestierte sich besonders in der Besetzung der Aufsichtsräte. In der Regel wechselte der ehemalige Vorstandsvorsitzende direkt auf den Stuhl des Aufsichtsratsvorsitzenden. Dies begünstigte eine Kultur des „Weiter-so“. Notwendige Veränderungen der Strategie waren für den neuen CEO schwer durchsetzbar – denn aus dem Vorsitz des Aufsichtsrats konnte der ehemalige CEO verhindern, dass „seine“ Strategie vom Nachfolger infrage gestellt wird. Das fiel umso leichter, wenn auch andere Aufsichtsräte zu den „Buddies“ des Vorsitzenden zählten. Seither hat sich viel zum Besseren gewendet:
Cooling-off:
Die zweijährige Cooling-off-Phase verhindert den unmittelbaren Wechsel aus dem Vorstand(svorsitz) in den Aufsichtsrat-(svorsitz).
Kompetenzprofile:
Klar kommunizierte Kompetenzprofile für die Zusammensetzung der Aufsichtsräte beugen einer Rekrutierung nach Gutsherrenart vor.
Altersgrenzen:
Unternehmensspezifisch definierte Alterslimits wirken geriatrischen Personaltableaus entgegen.
Mit Blick auf die Diversität haben die deutschen Aufsichtsräte allerdings noch Nachholbedarf. Zwar empfiehlt der deutsche Corporate Governance Kodex börsennotierten Unternehmen eine 30 %ige Frauenquote. Allerdings verfehlen noch immer zahlreiche Unternehmen die Vorgabe, insbesondere in der testosteronlastigen Automobilbranche. Auch sind die sehr (bio)deutsch beherrschten Aufsichtsräte ein Anachronismus, erzielen doch die DAX-Unternehmen 80 % ihrer Verkaufserlöse im Ausland. Zudem sind die Papiere der meisten DAX-Gesellschaften mehrheitlich im Besitz internationaler Aktionäre.

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Kompetenz als Kriterium
Weitere Vorgaben zur Zusammensetzung der Aufsichtsräte erscheinen gleichwohl wenig sinnvoll. Zwar ist ein höherer Frauenanteil wünschenswert. Wichtiger als das Geschlecht sollte aber die Kompetenz der Aufsichtsratsmitglieder sein. Inzwischen erreichen immer mehr Frauen höhere Positionen im Management. Damit wächst auch der Fundus geeigneter Kandidatinnen für die Besetzung von Aufsichtsräten. Insofern dürfte der Frauenanteil in den Aufsichtsräten weiter steigen. Sollten allerdings Old-Boys-Networks sich auch zukünftig Aufsichtsratsmandate zuschanzen, müsste neu überlegt werden.
Fazit
Am Zeitgeist orientierte Vorgaben im Zeichen der „Wokeness“ gilt es tunlichst zu vermeiden. Hautfarbe oder sexuelle Orientierung dürfen keine Kriterien für die Auswahl der Aufsichtsräte sein. Hier sollte die Politik ihren Regulierungsdrang zügeln. Der Bedarf an bürokratischen Auflagen ist weit überschritten. Die Fragwürdigkeit proporzorientierter Auswahlprozesse zeigt der Politikbetrieb. Die Zusammenstellung von Ministerriegen anhand von Kriterien wie: Mitgliedschaft im „richtigen“ Landesverband, ideologischer Verortung im Sinne von „Rechts/Links“ oder sexueller Präferenzen führt zu fragwürdigen Ergebnissen und optimierungsbedürftiger Performance. Kompetenz scheint im Politikbetrieb kaum eine Rolle zu spielen – bei Führungspositionen in der Wirtschaft sollte diese Entwicklung tunlichst verhindert werden.
Autor/Autorin
Rolf Drees
Rolf Drees ist Senior Consultant bei Better Orange IR & HV AG.