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Schlechte Konjunkturprognosen, hohe Energiekosten, rückläufiger Konsum, hohe Einfuhrzölle in den USA und der schwächelnde US-Dollar relativ zum Euro sind schwierige Rahmenbedingungen für M&A-Transaktionen in Deutschland. Es spricht trotz gedrückter Stimmung jedoch einiges dafür, dass sich der Markt für Fusionen und Übernahmen in den kommenden 18 Monaten deutlich erholen wird. Von Dr. Michael R. Drill
So verwundert es auch nicht, dass im laufenden Jahr 2025 – ähnlich wie in den beiden Vorjahren – die Dealanzahl im Mid- und Large-Segment auf einem enttäuschenden Niveau geblieben ist. In Zeiten enormer wirtschaftlicher und geopolitischer Unsicherheiten im Zusammenhang mit zukunftsgerichteten Businessplänen ist es herausfordernd, zwischen Käufer und Verkäufer eine Einigung bei der Unternehmensbewertung zu finden. Zudem sind Konzerne vorsichtig geworden und halten sich mit riskanten, großen Übernahmen weiterhin dezent zurück. In den ersten sieben Monaten des Jahres haben daher gemäß Mergermarket auch nur 957 deutsche Unternehmen, die eine gewisse Größe aufweisen, ihren Besitzer gewechselt. In den Vergleichszeiträumen 2023 und 2024 betrug die entsprechende Dealanzahl 1.119 bzw. 1.189.
In den ersten sieben Monaten des Jahres haben gemäß Mergermarket nur 957 deutsche Unternehmen, die eine gewisse Größe aufweisen, ihren Besitzer gewechselt.
Gleichwohl sind nach wie vor zahlreiche Treiber für Fusionen und Übernahmen zu beobachten: Höhere Anforderungen an die kritische Unternehmensgröße, Nachfolgethemen bei Familiengesellschaften und die wachsende Bedeutung digitaler Geschäftsmodelle sowie KI-Anwendungen zwingen viele mittelständische Unternehmen zu mutigen Akquisitionsstrategien oder zum Verkauf an einen größeren oder finanzstarken Partner.
Akquisitions- und Anlagedruck auf Käuferseite
Die anhaltend hohen Aktienkurse börsennotierter Großkonzerne lassen Vorstände aktiv über Zukäufe nachdenken. Vielerorts sind die aktuellen Bewertungen nämlich nur dann nachhaltig zu rechtfertigen, wenn die Unternehmen nicht nur organisch, sondern insbesondere auch anorganisch wachsen. Gleichzeitig verfügen Private-Equity-Investoren über beträchtliche Bargeldbestände und stehen damit unter enormem Anlagedruck, für die eingesammelten Gelder passende Übernahmekandidaten zu finden.
Exitstau der vergangenen Jahre wird sich auflösen
Ein weiterer wichtiger Treiber ist der M&A-Backlog, der durch verschobene Nachfolgelösungen und Private-Equity-Exits entstanden ist. Mit Blick auf die Unternehmensnachfolge rollt auf den deutschen Mittelstand eine gewaltige Exitlawine zu. In den kommenden zwei Jahren stehen rund 190.000 Nachfolgen an – eine Zahl, die sich durch den demografischen Wandel mittelfristig auf über 500.000 erhöhen wird. Nachfolgethemen werden unweigerlich zu ansteigenden Verkaufsaktivitäten führen. Und bei vielen Private Equity-Häusern besteht seitens der Kapitalgeber ein enormer Druck, jene Beteiligungen, die sich bereits länger im Portfolio befinden, in den Exit zu bringen, um entsprechende Cashrückflüsse zu ermöglichen. Im Schnitt sind die Portfolios immer älter geworden. Wenn die Zeit für einen richtigen Verkauf noch nicht gegeben ist, kommen Continuation Funds ins Spiel. Beispiele für derartige Transaktionen in Deutschland waren zuletzt Vehikel von Triton, DBAG, DPE oder Oakley, die zusammen mehrere Mrd. EUR investiert haben.
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Und schließlich werden auch deutsche Großkonzerne auf Initiative aktivistischer Großaktionäre vermehrt gezwungen, über Divestments nachzudenken. In der Konsequenz können viele Firmen es sich nicht mehr leisten, Portfolioarrondierungen auf die lange Bank zu schieben. So plant etwa thyssenkrupp im Zuge einer strategischen Neuausrichtung den möglichen Verkauf seiner Materials-Services-Sparte, die mit rund 12 Mrd. EUR Jahresumsatz ein bedeutender Teil des Konzerns ist.
TREIBER FÜR DEN DEUTSCHEN M&A-MARKT
- Nachfolgethemen im Mittelstand
- Zwang zu kritischer Größe auf globaler Ebene
- Digitalisierung und KI erfordern größere Anpassungen bei Geschäftsmodellen
- Unternehmensverkauf aus der Not heraus
- Hohe Börsenkurse zwingen Konzerne zu Akquisitionen
- Aktionärsaktivismus und ESG zwingen Konzerne zu Divestments
- Anhaltender Anlagedruck bei Private Equity
- Exitdruck bei den meisten Private-Equity-Portfolios
ESG-Themen gewinnen weiter an Bedeutung
In den kommenden Jahren werden ESG-Themen bei Großkonzernen, Private-Equity-Firmen und finanzierenden Banken weiter an Bedeutung gewinnen. Die Einhaltung von Umweltrichtlinien, die Förderung von Diversität und vorbildliche Geschäftspraktiken fallen bei Akquisitions- und Desinvestitionsentscheidungen immer stärker ins Gewicht. Gerade auch die Dekarbonisierung und die allgemeine Energiewende werden Unternehmen dazu veranlassen, umweltfreundliche Technologien und Kernkompetenzen zu erwerben. Fusionen und Übernahmen sind zunehmend ein wichtiges Managementinstrument, um das eigene ESG-Profil zu verbessern.
ZEHN THESEN ZUM DEUTSCHEN M&A-MARKT 2026
- Anzahl Deals mit deutschen Targets etwa 20 % höher als im Vorjahr
- Mid-Cap-Segment deutlich aktiver als Large-Cap-Segment (Deals > 1 Mrd. EUR)
- Strategische Käufer setzen sich in der Regel gegen Finanzinvestoren durch
- Bewertungsmultiplikatoren bleiben weiterhin unter den Höchstständen 2021 und 2022
- Stark unterschiedliche Transaktionsdynamik nach Branchen
- USA weiterhin wichtigste Käufer- und Target-Nation für deutsche Firmen
- Familiengesellschafter erwägen immer öfter einen Unternehmensverkauf
- Corporate Divestments bei DAX- und MDAX-Konzernen nehmen zu
- Exitdruck bei Private-Equity-Beteiligungen und Zunahme Exits an Continuation Funds
- Erweitertes Versicherungsangebot (etwa Steuergarantien, synthetische Garantien)
In nahezu allen Branchen werden Fusionen und Übernahmen stattfinden, wobei der Anteil konjunkturunabhängiger Branchen weiter zulasten der zyklischen Industriesektoren zunehmen wird. Überdurchschnittliche M&A-Aktivitäten sehen wir in den Bereichen Software, künstliche Intelligenz, Digitalisierung, Infrastruktur, erneuerbare Energien, Technologie, Medizintechnik und Gesundheitswesen. Eine Sonderkonjunktur bei M&A erwarten wir zudem im zunehmend unter Druck geratenen Einzelhandel und in der schwächelnden Automobilzuliefererindustrie. Gerade in diesen Sektoren bieten sich Chancen durch Distressed M&A, Turnarounds oder Restrukturierungen. Eine sich abschwächende Entwicklung sehen wir hingegen im Maschinen- und Anlagenbau sowie im Chemiesektor.
Anteil von Cross-Border-Deals weiterhin auf hohem Niveau
Wir gehen davon aus, dass der Anteil grenzüberschreitender Deals 2026 mit etwa 75 % weiter zunehmen wird. Wie in den Vorjahren werden hierbei Ausländer mehr Unternehmen in Deutschland akquirieren als umgekehrt. Wichtigste Käufer- und Target-Nation für deutsche Unternehmen bleiben mit großem Abstand ganz klar die USA, gefolgt von Großbritannien und Frankreich. Kaufpreismultiplikatoren dürften aufgrund der abnehmenden Gewinndynamik vieler Unternehmen unter Druck geraten. Und schließlich erwarten wir, dass ein Großteil der Transaktionen im sogenannten Mid-Cap-Segment stattfinden wird, während große Übernahme wie die jüngste 5-Mrd.-USD-Übernahme der US-amerikanischen Softwarefirma Dotmatics durch Siemens die Ausnahme darstellen werden.
W&I-Versicherungen bei mittelgroßen Deals der Standard
Im aktuellen Marktumfeld setzen sich Gewährleistungsversicherungen nicht nur bei Finanzinvestoren, sondern gerade auch bei Konzernen und bei Mittelstandsdeals weiter vermehrt durch. Für mittelgroße Transaktionen ab einem Unternehmenswert von 100 Mio. EUR sind W&I-Versicherungen ein bewährtes Standardtool geworden, um die früher üblichen anwaltlichen Verhandlungsschlachten zu Garantien und Haftungen stark zu verkürzen, die Risiken des Verkäufers zu minimieren und gleichzeitig Bürgschaften und Sicherheitseinbehalte überflüssig zu machen, da der Käufer mit dem W&I-Versicherer einen finanzkräftigen Schuldner hat.
Der Markt für W&I-Versicherungen entwickelt sich in den lestzten Jahren stets weiter. So lassen sich heute teilweise auch Steuerrisiken versichern. Auch in anderen Bereichen, wie etwa Kontaminationen, indirekte Schäden und Folgeschäden, ist heute im Einzelfall eine Deckung möglich. Zudem gibt es neuerdings auch für sogenannte synthetische Garantien Versicherungslösungen. Sie bilden eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass der Versicherungsschutz stets den Haftungsumfang des Kaufvertrags widerspiegeln muss.
Fazit
Aufgrund des bisherigen „Transaktionsstaus“ erwarten wir in den kommenden anderthalb Jahren bei mittelgroßen M&A-Transaktionen eine um rund 20 % höhere Transaktionsaktivität als 2025. Unsere Dealpipeline sowie die zahlreichen Gespräche mit Großunternehmen, Finanzinvestoren, Familiengesellschaftern und finanzierenden Banken bestätigen diesen Ausblick. Im Ergebnis erwarten wir daher für das Jahr 2026 insgesamt rund 20% mehr M&A-Transaktionen mit einem deutschen Zielunternehmen. Dieser positive Ausblick spiegelt sich auch sehr eindrucksvoll in der jüngsten Aktienkursentwicklung von börsennotierten M&A-Investmentbanken wider.
Autor/Autorin
Dr. Michael R. Drill
Dr. Michael R. Drillist Vorstandsvorsitzender derLincoln International AG, einerauf M&A-Beratung spezialisierten Investmentbank mit weltweit über 850 Professionals. Lincoln International verfügt über eigene Büros in den zehn größten Volkswirtschaften der Welt. Im ersten Halbjahr 2023 hat Lincoln International in Deutschland bereits über 15 M&A-Transaktionen erfolgreich abgeschlossen.