Bildnachweis: © Forbion.
Forbion zählt zu den wichtigsten Biotechinvestoren Europas. Mit einem Fondsvolumen von über 5 Mrd. EUR vereint das Unternehmen die „Venture Creation“ mit traditionellen Investments und weitet derzeit seine US-Präsenz aus. Wir sprachen mit Dr. Hristodorov, General Partner bei Forbion.
Plattform Life Sciences: Herr Dr. Hristodorov, Forbion gilt als die größte private Venture-Capital-Gesellschaft mit Biopharmafokus in Europa. Wie bewerten Sie Ihre Rolle im globalen Biotechumfeld?
Dr. Hristodorov: Wir sind zwar ein globaler Investor, aber unsere Wurzeln sind in Europa. Wir investieren überwiegend in Europa und verwalten über elf Fonds hinweg knapp mehr als 5 Mrd. EUR. Dabei besteht unser Track Record aus mehr als 130 Investments in sämtlichen Phasen der Medikamentenentwicklung: von der präklinischen Entdeckung bis zu späten klinischen Studien. Wir heben uns dadurch hervor, dass wir nicht einfach Kapital einsetzen – sondern nachhaltige Unternehmen schaffen.
Ein Drittel unseres Portfolios besteht aus Unternehmen, die wir selbst gründen oder aufbauen, oft zusammen mit erfahrenen Unternehmern und innovativen oder einlizenzierten Assets.
Sie betonen oft die „Venture Creation“. Worin bestehen die Unterschiede zum traditionellen Venture-Capital-Ansatz?
Etwa zwei Drittel unseres Portfolios setzen sich aus den stärksten Teams zusammen, die wir unter den 1.400 Biotechunternehmen finden, die wir jährlich analysieren. Das andere Drittel besteht aus Unternehmen, die wir selbst gründen oder aufbauen, oft zusammen mit erfahrenen Unternehmern und innovativen oder einlizenzierten Assets. Im Rahmen der Venture Creation können wir Bereiche mit hohem ungedecktem medizinischem Bedarf mit maßgeschneiderten Lösungen bedienen, das passende Managementteam zusammenstellen und Governance-Strukturen errichten, die besagte Unternehmen – und Forbion – für nachhaltigen Erfolg positionieren. Diese duale Vorgehensweise wirkt sich natürlich auch darauf aus, welchen therapeutischen Fokus wir setzen. Das stärkste Momentum sehen wir aktuell in vier Bereichen: Onkologie, kardiometabolische Erkrankungen, Immunologie/Entzündung und Neurowissenschaften. Andere Segmente, wie die Augenheilkunde, Atemwegserkrankungen oder gewisse seltene Krankheiten, können je nach Einzelfall auch sehr attraktiv sein. Was Technologien betrifft, sind wir agnostisch – manchmal genügt ein Kleinmolekül; in anderen Fällen bedarf es einer Gentherapie oder einer Geneditierung. Der Schlüssel liegt immer darin, die spezifische Krankheit bestmöglich zu behandeln.
Der Biotechmarkt ist zyklischer und kompetitiver Natur. Wie gehen Sie mit Volatilität um?
Wir können von stetigem Wachstum im Fundraising berichten und unsere Strategie ist auf Resilienz ausgelegt. Indem wir den externen Dealflow mit unserer Venture Creation kombinieren, bleiben wir auch in Märkten flexibel, die sich im Wandel befinden. Anstatt dem nächsten Hype hinterherzujagen, bleiben wir bei soliden wissenschaftlichen und klinischen Grundlagen. Ein Therapieansatz, der bereits heute Sinn macht, aber von der Pharmaindustrie einfach noch nicht priorisiert wird, könnte in fünf Jahren bereits ausgesprochen attraktiv sein. Über 80% unserer Exits erfolgen im Rahmen privater Fusionen und Übernahmen (M&A), was uns von volatilen IPO-Märkten weniger abhängig macht. Streben wir dennoch ein NASDAQ-IPO ein, dann betrachten wir das für gewöhnlich als Refinanzierungsmaßnahme, nicht als endgültigen Exit – zumal wir oft weiterhin dem Board angehören, bis wichtige Datenpunkte erreicht sind.
Indem wir den externen Dealflow mit unserer Venture Creation kombinieren, bleiben wir auch in Märkten flexibel, die sich im Wandel befinden.
Sie haben vor Kurzem zwei neue Fonds geschlossen. Worin besteht deren Fokus?
Im Jahr 2024 haben wir den Ventures Fund VII und den Growth Opportunities Fund III aufgelegt, die beide mit Fokus auf Therapeutika hauptsächlich in Europa anlegen. Sie werden jeweils von einem eigenen Team geführt und zudem von unserem Plattformteam unterstützt, das sich aus In-house-Experten aus den Bereichen Wissenschaft, Business Development, Finance, Legal und Operations zusammensetzt. Zudem sehen wir mehr „Club Deals“ auch schon in frühen Finanzierungsrunden – oberhalb der Spanne von 100 Mio. bis 150 Mio. EUR bei bewährten Managementteams, manchmal mit chinesischen Assets aus der klinischen Phase. Zwei Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit sind Aiolos und Verdiva, die jeweils um erfahrene Teams herum aufgebaut wurden und von starken internationalen Syndikaten gefördert werden.

Europa ist fragmentierter und in späteren Phasen niedriger kapitalisiert, bietet aber erstklassige Wissenschaft, diverse Innovationshubs, niedrigere Bewertungen und geringere operative Kosten. Unsere Aufgabe sehen wir darin, die Brücke zwischen fragmentierten Ökosystemen zu schlagen, Syndikate miteinander zu verbinden und aktiv Unternehmen zu gründen, um Finanzierungslücken zu schließen. So helfen wir europäischen Biotechs bei der internationalen Skalierung. Jüngste Investments in Progentos, Beacon und Complement Therapeutics – mit Fokus auf MS, Gentherapie für genetische Netzhauterkrankungen und AMD – belegen, wie breit gefächert die Gelegenheiten sind. Das war nicht durch eine Clusterstrategie bedingt – sondern schlichtweg durch herausragende Teams, die schwerwiegende Krankheiten in Angriff genommen haben. Natürlich erklärt auch die Fragmentierung in Europa, warum Forbion sich für eine zusätzliche Niederlassung in Boston entschieden hat. Die USA sind nach wie vor der wichtigste Pharmamarkt; die meisten europäischen Unternehmen müssen früher oder später dorthin expandieren – sei es wegen des Kapitals, der Talente oder der Produktion. Indem wir direkt vor Ort sind, können wir unser Portfolio noch effektiver unterstützen und in direkten Kontakt mit US-Investoren treten. Nichtsdestoweniger: Forbion bleibt im Kern europäisch – wir wollen lediglich unseren Unternehmen die höchste Wahrscheinlichkeit eines globalen Erfolgs bieten.
Sie haben beinahe 900 Mio. EUR im Fund VII – wie wehren Sie sich gegen den Druck, nur noch späterphasige Deals einzugehen?
Unsere Fonds haben eindeutige Mandate. Der Ventures-Fonds zielt auf Unternehmen in der präklinischen bis frühklinischen Phase, während der Growth-Fonds sich auf die spätklinische Phase, Cross-overs und ausgewählte öffentliche Biotechs konzentriert. Dabei gibt es auch die gelegentliche Überschneidung. Mit einem größeren Fonds können wir in der Frühphase gewagter vorgehen, da wir Pipelines diversifizieren und Plattformen statt Single-Asset-Unternehmen aufbauen können. Zudem können wir dadurch unsere Portfoliofirmen länger finanzieren, um wichtige Meilensteine zu erreichen – während wir selbst fair für die harte Arbeit entlohnt werden, die es benötigt, ein Unternehmen von null aufzubauen.
Anstatt dem nächsten Hype hinterherzujagen, bleiben wir bei soliden wissenschaftlichen und klinischen Grundlagen.
Richten wir den Blick in die Zukunft: Wo sehen Sie die europäische Biotechnologie im nächsten Jahrzehnt?
Ich glaube, Europa wird seine Rolle als führender Biotechhub festigen. Fortschritte hinsichtlich KI-getriebener Medikamentenentdeckung, synthetischer Biologie und neuer Behandlungsmöglichkeiten werden gewaltige Chancen eröffnen. EU-Initiativen und die ansteigende VC-Aktivität erlauben es Unternehmen, zu skalieren und sich global auszubreiten. Es gibt nach wie vor Herausforderungen – Regulierung, Finanzierungslücken im Frühphasenbereich … Aber Investoren, die mit diesen Herausforderungen umzugehen wissen, werden hier in Europa Biotechunternehmen von Weltklasse mit aufbauen.
Herr Dr. Hristodorov, vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Urs Moesenfechtel.
Das Interview ist in der aktuellen Plattform Life Sciences-Ausgabe „Biotech“ 2/25 erschienen.
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Autor/Autorin

Urs Moesenfechtel
Urs Moesenfechtel, M.A., ist seit 2021 Redaktionsleiter der GoingPublic Media AG - Plattform Life Sciences und für die Themenfelder Biotechnologie und Bioökonomie zuständig. Zuvor war er u.a. Wissenschaftsredakteur für mehrere Forschungseinrichtungen tätig.






