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Die Nachfolgeplanung unter der Prämisse „Lebenswerke wertschätzen, Perspektiven schaffen“ sollte frühzeitig und vorausschauend erfolgen – entscheidend ist dabei nicht nur, wer übernimmt, sondern auch, wie der Fortbestand von Werten, Wissen, Kunden- und Lieferantenbeziehungen sowie Arbeitsplätzen gesichert wird. Von Dr. Axel May und Mike Peruzzi

 

Die Nachfolgeplanung ist ein komplexer und häufig emotional geprägter Prozess, der eine sorgfältige und vorausschauende Vorbereitung erfordert. Besonders in kleinen und mittleren Unternehmen, in denen die Übergabe intern an langjährige Führungskräfte oder Schlüsselpersonen erfolgt, ist eine klare und strukturierte Strategie entscheidend. Genau diesem Aspekt widmet sich der vorliegende Beitrag. Für viele Eigentümer:innen ist die Unternehmensnachfolge ein einmaliger Schritt – entsprechend fehlt häufig die notwendige Erfahrung. Vor diesem Hintergrund ist wenig überraschend, dass Unternehmensübergaben in der Praxis oft nicht reibungslos verlaufen. Umso wichtiger ist es, frühzeitig klare Perspektiven für alle Beteiligten zu schaffen.

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Ein zentraler Stolperstein ist das lange Zögern – sei es aus Unsicherheit, emotionaler Verbundenheit oder in der Hoffnung auf den „richtigen Moment“, der in der Realität selten eintritt. Wird der Prozess zu spät angestoßen, bleibt oft zu wenig Zeit, um potenzielle Nachfolger:innen gezielt zu identifizieren, weiterzuentwickeln und einzubinden. Auch Nachfolger:innen haben klare Erwartungen – sie wünschen sich unternehmerischen Gestaltungsspielraum, faire Beteiligung, verlässliche Perspektiven und eine strukturierte Übergabe. Gleichzeitig sind Verantwortung, langfristige Bindung und finanzielle Risiken nicht zu unterschätzen.

Ein erfolgreicher Übergang erfordert einen wechselseitigen, gut strukturierten Prozess. Dabei bilden vier zentrale Elemente das Fundament einer tragfähigen Nachfolgeplanung: Führung, Rollen und Verantwortlichkeiten, Vergütung und Eigentum. Werden diese frühzeitig und transparent geklärt, entsteht die Grundlage für eine erfolgreiche und zukunftsorientierte Übergabe.

1. Führung

Eine vorausschauende Nachfolgeplanung beginnt lange vor der eigentlichen Übergabe. Entscheidend ist, potenziellen Nachfolger:innen frühzeitig eine klare und attraktive Perspektive aufzuzeigen. Indem sie schrittweise Verantwortung übernehmen – zunächst in operativen Aufgaben, später auch in strategischen Entscheidungen –, entwickeln sie unternehmerisches Denken und gewinnen Sicherheit in ihrer zukünftigen Rolle. Gleichzeitig können Eigentümer:innen den Übergang aktiv begleiten, indem sie Nachfolger:innen frühzeitig in relevante Kunden-, Lieferanten- und Partnerbeziehungen einbinden. So entsteht Vertrauen nach außen und Kontinuität im Unternehmen selbst. Nachfolger:innen wachsen organisch in die neue Funktion hinein und profitieren gleichzeitig von der langjährigen Erfahrung der bisherigen Eigentümer:innen.

Dr. Axel May, Geschäftsführer, HCM International, spricht im Rahmen der 4. Summer Lounge Mitarbeiterbeteiligung am 2. Juni 2025 in Frankfurt a.M. zum Thema „Nachfolgeregelungen strategisch strukturieren. Alle Informationen zur Veranstaltung finden Sie hier. Rechtzeitig zum Event wird am 30. Mai 2025 das GoingPublic-Special „Mitarbeiterbeteilgung“ erscheinen.

 

Bereits die Möglichkeit einer Nachfolgeperspektive kann ein starkes Führungsinstrument sein. Für Schlüsselmitarbeitende stellt zum Beispiel der Ausblick auf eine mögliche Unternehmensbeteiligung oder -übernahme oft eine seltene Chance dar – sie schafft langfristige Bindung, fördert Eigenverantwortung und eröffnet Wege zum nachhaltigen Vermögensaufbau.

2. Rollen und Verantwortlichkeiten

Im Nachfolgeprozess besteht häufig das Risiko, dass die Rollen von Eigen­tümer:innen sowie Nachfolger:innen nicht klar definiert sind. Wann werden welche Informationen weitergegeben? Tragen die Nachfolgenden bereits Verantwortung für strategische Entscheidungen? Übernehmen die bisherigen Eigentümer:innen künftig ausschließlich eine beratende Funktion? Und wer trifft letztlich die Entscheidungen?

Eine klare Abgrenzung von Rollen und Verantwortlichkeiten ist entscheidend für eine erfolgreiche Nachfolgeplanung. Zum einen muss die künftige Rolle der bisherigen Eigentümer:innen eindeutig definiert sein, um typische Fehler wie Mikromanagement oder das Festhalten am Status quo zu vermeiden. Zum anderen benötigen Nachfolger:innen ausreichend Freiraum, um Verantwortung zu übernehmen und eigene Ideen einzubringen. Eigentümer:­innen sollten daher frühzeitig Impulse geben – etwa durch die Einbindung in strategische Entscheidungen. Nachfolger:innen sind ihrerseits gefragt, diese Impulse aktiv aufzugreifen und sich engagiert in den Prozess einzubringen.

Eine schriftlich festgehaltene und regelmäßig überprüfte Aufgaben- und ­Rollenverteilung, unterzeichnet von den relevanten Führungskräften und Mitarbeitenden, schafft Orientierung. Sie erleichtert den gezielten Transfer von Fachwissen, Kundenbeziehungen, Führungskompetenz und wesentlichen zwischenmenschlichen Fähigkeiten.

3. Vergütung

Bereits vor dem eigentlichen Eigentumsübergang bietet die Vergütung die Möglichkeit, Nachfolger:innen schrittweise an das Unternehmen heranzuführen und langfristig zu binden. Besonders die variable Komponente kann gezielt als Instrument zur Vorbereitung einer späteren Übergabe genutzt werden.

Ein möglicher Ansatz besteht darin, Beteiligungen im Rahmen eines leistungsbezogenen Vergütungsmodells zunächst in Form von Anwartschaften zuzusprechen. Diese stellen noch keine unmittelbare Beteiligung dar, sondern gewähren das Recht auf den späteren Erhalt von Geschäftsanteilen – abhängig von klar definierten Voraussetzungen. Während der sogenannten Vesting-Periode – also des Zeitraums zwischen Zusprechung und Übertragung – kann beispielsweise das Erreichen bestimmter Ziele, die Übernahme unternehmerischer Verantwortung oder die Erbringung strategischer Beiträge gefordert sein. Nach Ablauf dieser Phase und bei erfüllten Bedingungen wird die Anwartschaft als Teil der Vergütung in „echte“ Anteile umgewandelt.

So entsteht bereits vor einer formellen Eigentumsübertragung eine schrittweise wirtschaftliche Teilhabe, die unternehmerisches Denken fördert und die persönliche Bindung an das Unternehmen stärkt. Gleichzeitig sammeln Nachfolger:innen erste Erfahrungen damit, was es bedeutet, unternehmerische Verantwortung als Eigentümer:in zu übernehmen.

Am 3. Juni 2025 findet in der IHK Frankfurt a.M. die Being Public Conference – Börsennotiz schafft Werte! statt. Alle Informationen dazu finden Sie hier.

4. Eigentum

Grundlage für eine gelungene Eigentumsübertragung ist eine frühzeitige und vorausschauende Planung, insbesondere auch im Hinblick auf administrative und steuerliche Aspekte. Dazu gehört auch, die Diskussion über den Unternehmenswert rechtzeitig zu führen. Gerade bei der Bewertung treffen unterschiedliche Perspektiven aufeinander. Eigentümer:innen wünschen sich einen Preis, der den emotionalen und wirtschaftlichen Wert ihres Lebenswerks widerspiegelt, oft auch im Hinblick auf ihre Altersvorsorge. Nach­folger:innen hingegen sind an einem fairen und wirtschaftlich tragfähigen Einstieg interessiert. Sie sind in der ­Regel nicht bereit, Aufschläge für immaterielle Werte wie erwartete zukünftige Gewinne zu zahlen. Eine neutrale und zeitnahe Unternehmensbewertung durch eine externe Fachperson kann in diesem Spannungsfeld Klarheit schaffen und als gemeinsame Entscheidungsgrundlage dienen. So wird die Unternehmensübergabe für beide Seiten planbar und verlässlich.

Die Übertragung von Eigentum und unternehmerischer Verantwortung sollte idealerweise schrittweise in mehreren Etappen gestaltet werden. Zum Beispiel bietet es sich bei einer GmbH an, zunächst nur die wirtschaftliche Beteiligung („Kapital“) zu übertragen und die Stimmrechte vertraglich vorerst bei den bisherigen Eigentümer:innen zu belassen – etwa über eine Treuhand- oder Stimmbindungsvereinbarung (siehe Abb. 1). So kann eine Beteiligung erfolgen, ohne dass die Kontrolle über das Unternehmen unmittelbar abgegeben wird. Die schrittweise Freigabe der Stimmrechte zu einem späteren Zeitpunkt ermöglicht eine kontrollierte und begleitete Übergabe. Dieses strukturierte Vorgehen schafft Sicherheit für beide Seiten: Die Nachfolger:innen erhalten Zeit, um in ihre künftige Rolle hineinzuwachsen, während die übergebenden Eigentümer:innen den Führungswechsel aktiv mitgestalten können.

Fazit

Eigentümer:innen und Nachfolger:innen haben verständlicherweise unterschiedliche Interessen und Erwartungen und dementsprechend auch unterschiedliche Perspektiven bezüglich der Nachfolge. Während Eigentümer:innen oft so lange wie möglich die Kontrolle und das Eigentum behalten wollen, suchen Nachfolger:innen nach persönlichen Entwicklungsmöglichkeiten, um frühzeitig die Kontrolle und Verantwortung zu übernehmen. Ein zentraler Erfolgsfaktor liegt darin, die Nachfolge nicht als einmaliges Ereignis, sondern als langfristigen, koordinierten Prozess zu verstehen. Dadurch lassen sich unterschiedliche Perspektiven besser aufeinander abstimmen. Frühzeitige Planung schafft Klarheit, reduziert ­Unsicherheiten und ermöglicht beiden Seiten einen konstruktiven Einstieg in den Übergabeprozess. Eigentümer:innen sind dadurch zuversichtlicher, dass ihr Lebenswerk wertgeschätzt wird und in guten Händen ist, und Nachfolger:innen haben die Perspek­tive, unternehmerisch erfolgreich zu sein und Vermögen aufzubauen. 

Autor/Autorin

Dr. Axel May
­Experte für Risiko- und Finanz­management, Gründungs­partner von HCM at  | Website

Dr. Axel May ist Senior Partner und ausgewiesener ­Experte für Risiko- und Finanz­management und Gründungs­partner von HCM. Nach mehr als 17 Jahren in leitenden Funktionen als Chief ­Financial- und Risk Officer, ­arbeitet er seit 2010 bei HCM in den Bereichen Executive Compensation, Corporate Gover­nance und ­Finanzmanagement.

Mike Peruzzi
Consultant at  | Website

Mike Peruzzi ist Consultant bei HCM und hat vertieftes Wissen in den ­Bereichen Vergütung, Performance ­Management und Kultur. Er hat einen Bachelor in Betriebswirtschaft und einen Master in Accounting und Finance an der Universität St. Gallen absolviert.