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Auch das GmbH-Recht wird digitaler: Gesellschafterversammlungen (GVs) können schon seit Corona virtuell abgehalten werden, seit August 2022 sogar ohne besondere Satzungsregelung. Durch digitale Instrumente wird die Rechtspraxis der GmbH noch flexibler. Doch wie viel Digitalisierung ist bei GVs sinnvoll – und wie lässt sich die Vielfalt der rechtlichen Möglichkeiten technisch umsetzen?

Die Gesellschafterversammlung ist das oberste Entscheidungsorgan im Organisationsgefüge der GmbH. Die dort gefassten Beschlüsse geben der GmbH Orientierung in ihrer Geschäftstätigkeit und durch sie werden auch die Geschäftsführer ernannt und entlassen. An der GV hängt also letztlich die Funktionsfähigkeit der GmbH.

Dennoch sind – im Unterschied zur Haupt­versammlung der Aktionäre bei der Aktiengesellschaft – wesentliche Eckdaten für die praktische Organisation und Durchführung der GmbH-Gesellschafterversamm­lung gar nicht per Gesetz geregelt. Dazu gehören etwa Versammlungsort und Versammlungsleitung oder erforderliche Quoren zu Teilnehmeranzahl und Beschlussfähigkeit. Sogar ob zur Beschlussfassung überhaupt eine GV durchzuführen ist, können die ­Gesellschafter nach ihren spezifischen ­Bedürfnissen in der GmbH-Satzung regeln. Gerade auch diese pragmatische Flexibilität macht die GmbH zu einer so beliebten Rechtsform in Deutschland.

Kein Wunder daher, dass auch in der Lockdownphase der Coronapandemie die Funktionsfähigkeit der GmbH mit relativ einfachen gesetzgeberischen Mitteln sicher­gestellt werden konnte. Zunächst wurde das sogenannte Umlaufverfahren (vorübergehend) vereinfacht, mit dem GmbH-Gesellschafter auch ohne eine Versammlung in Präsenz Beschlüsse fassen können. 2022 verankerte die Bundesregierung dann auch die Möglichkeit zur virtuellen Durchführung von GVs ohne Satzungsregelung im GmbH-­Gesetz, und 2023 brachte man das Online-Notariat zur vereinfachten Beurkundung von satzungsändernden Gesellschafterbeschlüssen in vielen Situationen auf den Weg. Mit ­Beginn der aktuellen Versammlungssaison 2024 gilt also: Bei der Gesellschafterversammlung geht vieles auch digital.

Digitales Neuland für GmbHs

Dennoch sind virtuelle Formate und digitale Hilfsmittel für viele GmbH-Gesellschafterversammlungen Neuland. Während bei der AG-Hauptversammlung die Digitalisierung längst in der Praxis angekommen und die virtuelle HV vielerorts Routine ist, bleibt für die Gesellschafterversammlung aus Sicht des Gesetzgebers das Treffen in Präsenz der Normalfall.

Und dafür sprechen gute Gründe, die nichts mit einem Verharren in veralteten Strukturen zu tun haben. Zwar sind sich Beobachter weitgehend einig, dass sich im virtuellen Format Haupt- oder Gesellschafterversammlungen – abgesehen von ihrer unstrittigen Zeit- und Kostenersparnis vor allem für die Teilnehmenden – grundsätzlich auch problemloser steuern lassen als Präsenzveranstaltungen. Zudem dient natürlich die Gesellschafterversammlung in erster Linie der Beschlussfassung der Anteilseigner im Interesse einer effizienten Steuerung des Unternehmens.

Während die virtuelle AG-Hauptversammlung vielerorts längst Routine ist, bleibt für die Gesellschafterversammlung aus Sicht des Gesetzgebers das Treffen in Präsenz der Normalfall.

Präsenz bringt Augenhöhe

Doch GmbHs sind vielfach familiengeführte Unternehmen, und auch im Führungs- und Gesellschafterkreis geht es oft familiär zu. Dadurch ist das in der Regel einmal jährlich stattfindende Treffen der Gesellschafter mehr als nur ein notwendiges Übel in den GmbH-Regularien. Es dient zugleich der Abstimmung oft heterogener Interessenlagen, auch zwischen verschiedenen Generationen, die im Rahmen der Gesellschafterversammlung durch persönliche Begegnung und Austausch buchstäblich auf Augenhöhe zur Sprache kommen können.

Das gilt gerade im Fall wichtiger anstehender Beschlüsse wie etwa der Ernennung oder Abberufung eines Geschäftsführers oder einer gesellschaftsrechtlichen Umwandlung. Auch rechtlich besonders komplexe Sachverhalte lassen sich in Präsenz unter Umständen besser vermitteln als in der virtuellen Distanz. Eine umsichtige Versammlungsleitung kann etwaige unterschwellig brodelnde Konflikte steuern und auf diesem Weg zu einer guten Unternehmens-Governance jenseits der rechtlichen Formalien beitragen.

Virtuelle Formate mit Risiken

Umgekehrt werfen virtuelle Veranstaltungsformate nach wie vor vielfältige Fragen vor allem zum Datenschutz und zur Zugangskontrolle des Teilnehmerkreises auf. So ist etwa bei größeren und dadurch anonymeren Gesellschafterkreisen nicht sicher auszuschließen, dass durch das Einfallstor extern eingewählter Teilnehmer unbefugte Dritte irregulär Einfluss auf diese Teilnehmer und dadurch auf Veranstaltungsabläufe nehmen könnten.

Durch die Aufzeichnung und Übertragung von Versammlungen per Video- und Audio-Livestream an externe Dritte schaffen hybride oder gänzlich virtuelle Formate zudem stets das Risiko einer unbefugten Einsichtnahme und Weiterleitung vertraulicher, manchmal brisanter Inhalte, die besser in einer Versammlung bleiben sollten.

Schließlich können im hybriden oder virtuellen Versammlungsumfeld je nach Teilnehmerzahl und dem Konfliktpotenzial der Beschlusslage komplexe Gemengelagen in der Interaktion der Gesellschafter und ihrer Wahrnehmung von Rede- und Abstimmungsrechten entstehen. Das kann kommunikativ wie technisch auf Kosten von Übersicht und damit Rechtssicherheit gehen.

Insgesamt dürfte damit das Präsenzformat für die GmbH-Gesellschafterversamm­lung eine rechtssichere Durchführung und Beschlussfassung der Veranstaltung nach wie vor besser gewährleisten als ihr virtuelles Pendant. Zeit- und Kostenerwägungen können vor diesem Hintergrund durchaus zurückstehen.

§ 48 (1) GmbH-Gesetz

Gesellschafterversammlung. Die ­Beschlüsse der Gesellschafter werden in Versammlungen gefasst. Versammlungen können auch fernmündlich oder mittels Videokommunikation abgehalten werden, wenn sämtliche Gesellschafter sich damit in Textform einverstanden erklären.

Präsenz-GV – digital smarter

Die Entscheidung zugunsten des Präsenzformats bedeutet nicht, auf digitale Hilfsmittel in der Organisation und Durchführung zu verzichten. Die papierlose Gesellschafterversammlung auch in Präsenz ist kein Wunschdenken mehr. So lässt sich online ein unkompliziert zugängliches digitales Procedere für Einladung, Anmeldung, Vor-Ort-Registrierung, Beschlussfassung und Dokumentation der Gesellschafterversammlung aufsetzen – etwa im geschützten Mitgliederbereich der Unternehmenswebsite oder in einer App.

Solche digitalen Optimierungen für die Präsenz-GV kommen nicht nur bei der jüngeren Generation unter den Anteilseignern gut an, sondern schaffen für alle Beteiligten einen einfachen Zugang zu Formalien und Informationen rund um die GV. Auf der Veranstaltung selbst werden mehr Transparenz, schnellere Beschlussfassung sowie smartere und rechtssicher dokumentierte Abläufe möglich.

Fazit

Digital ist das neue Normal – das gilt auch für die Gesellschafterversammlung der GmbH. Vieles spricht dennoch weiterhin für ein Treffen in Präsenz. Vor allem die Vorteile der persönlichen Begegnung im Gesellschafterkreis und die geringeren Risiken der Präsenzveranstaltung bei Datenschutz und Datenkontrolle wiegen die Zeit- und Kostenersparnis virtueller Formate vielfach auf. Und dank des flexiblen GmbH-Rechts einerseits und der vielfältigen Möglichkeiten der Digitalisierung andererseits lässt sich auch die GmbH-Gesellschafterversammlung in Präsenz zu einem smarten, für alle Beteiligten leicht zugänglichen und transparenten Erlebnis weiterentwickeln. Die angestrebte Funktionalität, Effizienz und Rechtssicherheit jeder GV muss dem Komfort der Teilnehmenden nicht im Weg stehen. Dank digitaler Unterstützung von Organisation und Ablauf der GV können sich die Gesellschafter auf die angenehmen und für das Unternehmen ebenso zielführenden Aspekte dieses besonderen persönlichen Zusammenkommens und Austauschs im Kreis der Anteilseigner einmal im Jahr konzentrieren.

Autor/Autorin

Elke Strothmann

Elke Strothmann ist Geschäftsführerin der AAA HV Management GmbH. Sie betreut seit über 20 Jahren Unternehmen bei der Durchführung von Hauptversammlungen und Gesellschafterversammlungen.