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Der Stuttgarter IT-Dienstleister GFT Technologies entwickelt Software – insbesondere für Banken, Versicherungen und andere Branchen wie die Fertigungs- und die Automobilindustrie. Das Unternehmen baut auf jahrelanges starkes Wachstum im Cloud-Geschäft und ist auf dem Weg, ein vollständig KI-zentriertes Unternehmen zu werden. Marco Santos, seit Anfang des Jahres neuer CEO des Unternehmens, spricht mit GoingPublic über die Gegenwart und Zukunft des im SDAX notierten Unternehmens, das an der Börse derzeit rund 595 Millionen Euro wert ist.

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GoingPublic: Herr Santos, Technologieaktien haben an der Börse durch die fragwürdige US-Zollpolitik stark gelitten. Falls die hohen Zölle für asiatische Länder von den USA beibehalten werden, könnte es für Tech-Unternehmen schwierig werden. Zum Beispiel bei der Beschaffung von in Asien hergestellten Chips. Wie beurteilen Sie die aktuelle Marktsituation aus der Sicht eines Tech-CEOs?

CEO Marco Santos. Copyright: GFT Technologies
CEO Marco Santos. Copyright: GFT Technologies

Marco Santos: Bislang gelten die neuen US-Zölle nicht für IT-Dienstleistungen, so dass GFT nicht direkt betroffen ist. Wir sind auch nicht auf die Beschaffung von High-End-Hardware angewiesen. Sollte sich die Situation ändern und Zölle auf Dienstleistungen erhoben werden, sollte unsere Global Delivery Platform es uns ermöglichen, die Auswirkungen auf unser Unternehmen zu minimieren. Mit Lieferzentren in mehreren Ländern können wir uns flexibel an Veränderungen im internationalen Handel anpassen.

GFT Technologies hat im Geschäftsjahr 2024 gute Ergebnisse erzielt. Der Umsatz kletterte um 10 % auf rund 871 Mio. EUR. Das bereinigte Ergebnis vor Zinsen und Steuern (bereinigtes EBIT) stieg um 6 % auf rund 77 Mio. EUR. Auf Sicht von einem Jahr hat die GFT Aktie jedoch rund 20 % ihres Wertes verloren. Was macht Sie zuversichtlich, dass sich die Börsenlage für GFT in Zukunft verbessern wird?

Im Mittelpunkt unserer neuen Fünfjahresstrategie steht eine grundlegende Umgestaltung unseres Unternehmens. Zu den wichtigsten Initiativen gehört die Transformation in eine vollständig KI-zentrierte und hocheffiziente global-lokale Organisation. Gleichzeitig wollen wir unsere Global Delivery Platform nutzen, um unser Verhältnis von Nearshore- zu Onsite-Lieferung zu verbessern. Dies wird unser starkes und profitables Wachstum langfristig vorantreiben. Das kürzlich angekündigte Aktienrückkaufprogramm in Höhe von 15 Millionen Euro unterstreicht unser Vertrauen in unsere Strategie.

Aktienkurs GFT Technologies. Stand: 25.5.25, 15:25 Uhr. Copyright: stock3.com
Aktienkurs GFT Technologies. Stand: 25.5.25, 15:23 Uhr. Copyright: stock3.com


Sie haben sich ehrgeizige Ziele für 2029 gesetzt. Der Umsatz soll auf rund 1,5 Mrd. EUR steigen und die bereinigte EBIT-Marge soll 9,5 % erreichen – 2024 lag die Marge bei 8,9 % Wie können Sie diese Ziele erreichen und was kann GFT besser machen als seine Wettbewerber?

Wir sehen ein großes Potenzial zur Effizienzsteigerung. Nur ein Beispiel: Mit unserem genAI-Produkt AI Impact haben wir für eine globale Tier-1-Investmentbank Legacy-Code dokumentiert. Mit herkömmlichen Methoden hätte das Projekt 20 Tage, also 160 Stunden, gedauert. Mit AI Impact waren wir in acht Stunden fertig. Natürlich arbeitet jeder an KI-Lösungen. Wir müssen einfach schneller sein als unsere Konkurrenten bei der Umsetzung. Aber KI ist nicht der einzige Faktor zur Steigerung unserer Marge. Mindestens ebenso wichtig sind das erwähnte optimierte Verhältnis von Nearshore- zu Onsite Delivery und ein höherer Anteil von Dienstleistungen mit hoher Wertschöpfung an unserem Umsatz.

Sie wollen GFT bis 2029 vollständig KI-zentriert aufstellen. Was bedeutet das?

Das bedeutet, dass KI bei allem, was wir tun, eine zentrale Rolle spielen wird – von den Services und Produkten, die wir anbieten, bis hin zu unseren internen Abläufen. Jeder Aspekt unserer kundenorientierten Arbeit und jeder interne Prozess wird vollständig umgestaltet und um KI herum (neu) aufgebaut werden. Wir sehen dies als eine Wachstumschance, wir haben nicht vor, das Unternehmen zu schrumpfen. Natürlich müssen wir sicherstellen, dass wir in den richtigen Bereichen wachsen.

Noch vor wenigen Jahren war Ihr Geschäft hauptsächlich von zwei großen Banken abhängig. Inzwischen hat GFT sein Kundenportfolio diversifiziert. Neben dem Finanzdienstleistungssektor betreuen Sie auch Unternehmen aus der Industrie. Wie würden Sie die Entwicklung der Diversifizierungsstrategie in den letzten 5 Jahren beschreiben?

Unsere Diversifizierungsstrategie war ein wichtiger Motor für unser Wachstum. Durch die Expansion in die Bereiche Versicherung und Fertigung haben wir neue Einnahmequellen erschlossen, sind resilienter geworden und haben neue Wachstumschancen eröffnet. Diese Branchen stehen vor ihren eigenen komplexen Herausforderungen der digitalen Transformation – und genau hier macht unser tiefes technisches Know-how den Unterschied.

GFT hat in der Vergangenheit seine Marktposition durch Unternehmensübernahmen (M&A) gestärkt. Werden Sie dies auch in Zukunft tun und haben Sie bereits konkrete Ziele für dieses Jahr?

Ja, M&A wird weiterhin Teil unserer Strategie sein. Wir sehen M&A als strategisches Instrument, um unser Angebot gezielt zu erweitern. Wir sind daran interessiert, technologisches Know-how zu erwerben und dessen Potenzial in unsere Vertriebs- und Marktkanäle einzubringen. Wir suchen nach Unternehmen, die unsere Expertise ergänzen oder uns Zugang zu neuen Kunden und Märkten verschaffen – im Idealfall natürlich beides. Leider kann ich im Moment noch keine konkreten Ziele nennen.

GFT hat beschlossen, bis Oktober 2025 eigene Aktien im Wert von bis zu 15 Millionen EUR zu erwerben. Kritiker von Aktienrückkaufprogrammen bemängeln, dass die Unternehmen ihr Geld besser in Forschung und Entwicklung oder Produktentwicklung investieren sollten.

Wir wollen die derzeit allgemein niedrige Bewertung des gesamten Small-Cap-Marktes nutzen, um Aktien zurückzukaufen. Das Rückkaufprogramm unterstreicht unsere Überzeugung, dass unsere neue Fünfjahresstrategie GFT noch erfolgreicher und profitabler machen wird.

Die Analysten sind zuversichtlich, was die zukünftige Entwicklung der GFT- Aktie betrifft. Ihr durchschnittliches Kursziel liegt bei 34 EUR. Derzeit notiert die Aktie bei 22 EUR. Sind 34 EUR in den nächsten 12 Monaten auch für Sie realistisch?

Wie Sie sicher verstehen, kann ich unseren Aktienkurs nicht kommentieren, aber ich möchte noch einmal betonen, dass ich davon überzeugt bin, dass unsere Fünfjahresstrategie unser starkes und profitables Wachstum langfristig vorantreiben wird. Wir investieren in unser Know-how, unsere Innovationskraft und unsere Lieferfähigkeit, um für unsere Kunden der Partner der Wahl bei der Umsetzung ihrer KI-Transformation zu sein. Unsere sehr starke Positionierung im Bankensektor, wo wir globale Tier-1-Banken bei ihrer digitalen Transformation unterstützen, ist ein klarer Beweis für diese Strategie in Aktion. Diese strategischen Vorteile werden es uns ermöglichen, in den kommenden Jahren weiter zu florieren und zu wachsen.

Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Gian Hessami.

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Autor/Autorin

Gian Hessami
Finanzjournalist at  | Website

Gian Hessami ist freiberuflicher Finanzjournalist und schreibt für GoingPublic Beiträge rund um Aktien und den Kapitalmarkt. Dabei stehen die Perspektive des Anlegers sowie die Chancen und Risiken der Investments im Vordergrund. Mit den Finanzmärkten beschäftigt sich der gelernte Zeitungsredakteur bereits seit 2004. Bei Investments fokussiert er sich auf Anlageklassen wie Aktien, Anleihen und Rohstoffe. Darüber hinaus hat er sich auf Derivate wie Zertifikate und Hebelprodukte spezialisiert.