Bildnachweis: Circus Group.
Die Circus SE vermeldet eine bahnbrechende Vereinbarung in China und sieht sich technisch und finanziell für starkes Wachstum gerüstet. GoingPublic sprach mit Circus-Gründer und -CEO Nikolas Bullwinkel.
Die Circus SE (ISIN: DE000A2YN355), seit Dezember 2023 im Mittelstandssegment m:access gelistet (Marktkapitalisierung aktuell bei 584 Mio. EUR), verbindet zwei Zukunftsthemen, die bei Investoren hoch im Kurs stehen: Die Verbindung von Robotik und Künstlicher Intelligenz. Für Gründer und CEO Nikolas Bullwinkel handelt es sich sogar um eines der weltweit größten Robotik-Projekte. Es geht um nichts weniger als die Art und Weise, wie in Zukunft Mahlzeiten in großer Menge hergestellt werden. Für eine Branche, die in Sachen Innovationen seit Jahrhunderten auf kleiner Flamme köchelt, gewissermaßen Disruption pur.
Circus SE (ISIN DE000A2YN355)
Vor wenigen Tagen hat das börsennotierte Unternehmen für Aufsehen gesorgt, als eine Absichtserklärung über die Lieferung von Tausenden Robotik-Systemen Circus Autonomy One (CA-1) an das Beijing University Food Raw Material Joint Procurement Centre bekannt gegeben wurde. Als mögliches Auftragsvolumen wird ein Milliardenumsatz im niedrigen einstelligen Bereich genannt. Ziel sei es, ein vernetztes System aufzubauen, das mehr als 4 Milliarden Essen jährlich für 92 Pekinger Universitäten produzieren kann. Im Interview mit GoingPublic erläutert Circus-CEO Nikolas Bullwinkel den Stand der Entwicklung, denn die ersten Auslieferungen sollen noch 2025 und das Ramp-up der Serien-Produktion bereits 2026 erfolgen.
GoingPublic: Herr Bullwinkel, Sie wollen durch KI-gesteuerte Prozesse Präzision, Effizienz sowie Kosteneffektivität in der Speisenzubereitung revolutionieren, und das überall dort, wo Speisen zubereitet werden. Weist die Vereinbarung in Peking darauf hin, dass dies zunächst dort umsetzbar ist, wo besonders viele Mahlzeiten in kurzer Zeit ausgegeben werden müssen?
Nikolas Bullwinkel: Vor wenigen Wochen haben wir wichtige Mitarbeiter in China eingestellt, die schnell die lokalen Bedürfnisse erfasst haben. Dabei wurde klar, dass es dort einen großen Markt und eine hohe Bereitschaft zur Adaption neuer Technologien gibt. Unsere neuen Kollegen vor Ort stellten fest, dass das Beijing University Food Raw Material Joint Procurement Centre bereits mit etwa 130 Anbietern gesprochen oder verhandelt hatte. Ich selbst habe einige Lösungen aus dem asiatischen Raum kennengelernt und kann bestätigen, dass sie nicht mit unseren Entwicklungen mithalten können. Unser Ökosystem umfasst ein Betriebssystem, kulinarische Lösungen, Lösungen für die Bereitstellung der Zutaten und stabile Hardware. Der Bedarf an unseren Lösungen ist enorm, und daher haben wir schnell starke Partner vor Ort gefunden.
Wie gehen Sie das Projekt in Peking an?
In der ersten Phase werden wir unseren Roboter an Bildungseinrichtungen in Peking in einem definierten Rahmen testen. In Phase zwei erfolgt der Vorserien-Rollout, bei dem 1.080 Roboter aus europäischer Produktion geliefert werden. Anschließend werden über 4.000 CA-1-Roboter an 92 Universitäten in Peking installiert. In der vierten und letzten Phase unterstützt uns unser Kunde beim landesweiten Rollout, mit dem Ziel, 4.000 Universitäten mit insgesamt 60 Millionen Studierenden zu erreichen.
Wie ist Ihr Geschäftsmodell abgegrenzt? Liefern Sie die Hardware, oder betreiben Sie auch? Wer liefert die verarbeitungsfähigen Zutaten?
Unser Geschäftsmodell ist hybrid aufgebaut. Wir verkaufen sowohl die Hardware an Betreiber oder Partner als auch ergänzende Dienstleistungen. Dazu gehört unser Betriebssystem, das wir über ein klassisches Software-as-a-Service-Modell anbieten, sowie gastronomische Konzepte, die über Lizenzgebühren verfügbar sind. Wir selbst agieren nicht als Betreiber vor Ort, sondern positionieren uns als Technologieanbieter. Unsere Lösungen umfassen sowohl Hardware als auch Software entlang der gesamten Supply Chain, einschließlich der Lieferung von Zutaten. In München haben wir ein Team, das die Zutaten und Rezepte entwickelt und sicherstellt, dass sie optimal auf unsere Roboter abgestimmt sind und die Gerichte reibungslos zubereitet werden können.
Das heißt, als erster Hauptmarkt werden Massen-Ausgaben adressiert, und später dann vielleicht die Ausstattung von Restaurants?
Absolut, der Fokus liegt nicht ausschließlich auf dem chinesischen Markt. Was wir primär ins Auge fassen und wo wir den größten Bedarf sehen, ist der gesamte Bereich Verpflegung großer Infrastrukturen mit hohem Durchsatz an frischen Mahlzeiten. Dazu zählen sowohl der Bildungsbereich, also Universitäten und Schulen, als auch Krankenhäuser und Pflegeheime.
Ein weiterer wichtiger Bereich ist die öffentliche Infrastruktur im Mobilitätssektor, wie Bahnhöfe und Flughäfen. Diese Orte sind zentral, um hungrige Kunden im Alltag zu erreichen und verfügen oft über bestehende Strukturen, die jedoch durch Fachkräftemangel beeinträchtigt sind. In diesem Segment gibt es viele potenzielle Kunden, die sich des großen Bedarfs bewusst sind und nach Lösungen suchen.
Am Flughafen Berlin Brandenburg kommt der Food-Roboter jetzt aber zunächst in einem nicht-öffentlichen Bereich zum Einsatz. Ist die Mitarbeiterverpflegung auch ein Geschäftsgebiet?
Unser Roboter CA-1 soll am Flughafen BER einen Teil der täglichen Mitarbeiterverpflegung parallel zum regulären Betrieb übernehmen. Auf nur 20 Quadratmetern kann unser autonomer Food-Roboter bis zu 2.000 Mahlzeiten pro Tag frisch und ohne menschliche Hilfe zubereiten. Die Partnerschaft mit dem Flughafen Berlin Brandenburg ist für uns ein bedeutender Schritt und unterstreicht unsere Vision für die Zukunft der Gastronomie an hochfrequentierten Standorten.
Unser Ziel ist es, diese Anwendung weltweit zu etablieren und unsere Präsenz an weiteren Flughäfen auszubauen. Wir sehen ein enormes Potenzial für unsere autonomen Koch-Roboter auf globaler Ebene und sind bestrebt, in neue Märkte vorzudringen, um die Effizienz und Qualität der Flughafen-Gastronomie weltweit zu verbessern.
Welchen technischen Stand haben Sie denn aktuell erreicht, welchen Zeitplan gibt es, um zu Produkten und Lösungen zu kommen, die Sie tatsächlich in Serie ausliefern können?
Wir befinden uns weiterhin in der Entwicklungsphase auf dem Weg zu einem Massenprodukt, das wir in großen Stückzahlen auf den Markt bringen können. In den bisherigen Testeinsätzen unseres Roboters CA-1, unter anderem mit Partnern wie Aramark, haben wir mehr als 2.000 Betriebsstunden in Werkskantinen und Betriebsrestaurants gesammelt. Diese wertvollen Erfahrungen und Erkenntnisse fließen direkt in die aktuelle Entwicklungsphase ein und helfen uns, unser Produkt weiter zu optimieren.
Welches Konkurrenzumfeld sehen Sie? Was machen etablierte Großküchenhersteller?
Wir leisten Pionierarbeit bei der weltweiten Entwicklung der autonomen Lebensmittelproduktion auf Abruf. Wir verbessern nicht nur bestehende Systeme, sondern definieren völlig neu, wie sich die Menschheit ernährt. Daher schauen wir auch gar nicht so auf andere Unternehmen und Hersteller, sondern fokussieren uns auf unsere Alleinstellungsmerkmale und versuchen natürlich unsere Technologievorsprung weiter auszubauen.
Das heißt, Sie verfügen über Patente?
Ja, wir schützen aktiv die verschiedenen Innovationen, die wir entwickeln, und planen, diesen Bereich weiter auszubauen. Aktuell ist das Konzept unserer Kochzelle patentiert und geschützt. Diese Schutzrechte sichern unsere technologischen Fortschritte und stärken unsere Position im Markt. Langfristig werden wir weiterhin in Forschung und Entwicklung investieren, um unsere Patentportfolios zu erweitern und unsere Marktstellung zu festigen.
Gibt es Probleme mit der Regulatorik, etwa Hygiene?
Was die Hygiene betrifft, erfüllt unser System höchste Anforderungen. Unser Roboter arbeitet in einem geschlossenen System, das keinen Kontakt zwischen den Zutaten und der Außenwelt ermöglicht. Das bedeutet, dass es keine Kontamination durch die Umgebung oder durch menschliche Interaktion gibt. Man kann sich das so vorstellen: Unsere Kochprozesse finden in einem hygienisch geschlossenen ‚Kühlschrank‘ statt. Dies umfasst auch die Zutaten, die keinen Kontakt mit Hitzequellen oder unsauberen Flächen haben. Unser System gewährleistet ein extrem hohes Maß an Sauberkeit und Sicherheit für alle Prozesse.
Wenn Sie jetzt bei den potenziellen Kunden sind, welche Bedarfe hören Sie da am häufigsten? Und werden Vorbehalte genannt?
Wir hören unseren Partnern sehr genau zu und legen großen Wert auf ihre Anforderungen. Vor allem fragen sie nach der Verbindlichkeit und Stabilität unseres Gesamtsystems. Es ist entscheidend, dass unser Roboter zuverlässig funktioniert und wir stets einen Servicepartner vor Ort haben, um mögliche Probleme schnell zu lösen. Ein stabiles System ist sowohl für potenzielle Kunden als auch für uns von größter Bedeutung.
Ein weiterer zentraler Punkt in unseren Gesprächen ist das kulinarische Angebot. Viele Partner haben spezifische Vorstellungen davon, was unser System leisten soll, und erwarten, dass wir eine automatisierte Lösung entwickeln, die mindestens das Niveau der bestehenden Angebote erreicht. Wir führen daher intensive Gespräche darüber, welche kulinarischen Optionen wir anbieten können, was funktioniert und welchen Geschmack wir garantieren können.
Ein besonders wichtiger Faktor für unsere Kunden ist zudem die Ausgabegeschwindigkeit des Geräts. Wir arbeiten intensiv daran, die Leistung unseres Roboters so zu optimieren, dass er auch in Hauptzeiten eine hohe Anzahl von Gerichten effizient zubereiten kann, ohne dass es zu langen Wartezeiten kommt. Es geht also nicht nur darum, wie viele Gerichte wir insgesamt pro Tag zubereiten können, sondern vor allem darum, wie viele Gerichte wir während der Hauptzeiten ausgeben können, um eine reibungslose und schnelle Bedienung zu gewährleisten.
Wie würden sie die finanzielle Situation der Gesellschaft beschreiben, wird es noch eine Kapitalerhöhung oder eine andere Maßnahme geben oder sind sie bis zum Marktstart durchfinanziert?
Wir sind tatsächlich sehr gut finanziert und der größte zukünftige Kostenfaktor für unser Unternehmen wird die Produktion sein. Unsere Finanzierungsstrategie ist darauf ausgelegt, sowohl das kurzfristige Wachstum zu unterstützen als auch langfristige Investitionen in unsere Produktionskapazitäten zu sichern.
Herr Bullwinkel, vielen Dank für die interessanten Einblicke.
Zum Interviewpartner
Nikolas Bullwinkel ist Gründer und CEO der Circus SE. Zuvor war er Mitgründer des deutschen Quick-Commerce-Marktführers Flink.