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Seit kurzem liegt er vor, der Referentenentwurf zum Zukunftsfinanzierungsgesetz. Die Erwartungshaltung ist groß. Insbesondere Start-ups, Wachstumsunternehmen sowie kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) soll der Zugang zum Kapitalmarkt und die Aufnahme von Eigenkapital erleichtert werden. Digitalisierung, Entbürokratisierung und Internationalisierung sollen den deutschen Finanzmarkt und den Wirtschaftsstandort Deutschland für nationale und internationale Unternehmen und Investoren attraktiver machen.

GoingPublic: Herr von Schilling, mit welchen konkreten Maßnahmen können Unternehmen rechnen, die ihnen den Zugang zum Kapitalmarkt vereinfachen?

BMF und BMJ unterstützen die Vorschläge der Europäischen Kommission in dem sogenannten „Listing Act Reviews“ und begrüßen insbesondere die geplante Erleichterung der Börsenzulassungsanforderungen und Zulassungsfolgepflichten für Wachstumsunternehmen und KMU. Auf nationaler Ebene wird u.a. geprüft, ob die Mindestkapitalanforderung für einen Börsengang von derzeit 1,25 Mio. EUR auf 1 Mio. EUR reduziert werden kann. Ebenso soll der juristische Rahmen für moderne Transaktionsformen zur Erleichterung eines Börsengangs, wie z.B. die Verwendung von SPACs (Akquisitionszweckgesellschaften) oder auch die Ausgabe von Mehrstimmrechtsaktien (dual class shares) verbessert werden.

Von Schilling: Die Digitalisierung hat den Kapitalmarkt bislang kaum erreicht, ändert sich das jetzt? 

Sven-Roger von Schilling ist Partner im Bereich M&A Strategy/Deal Advisory der WTS Advisory AG.

Ja, der Entwurf des ZuFinG zieht eine Anpassung des Gesetzes über elektronische Wertpapiere (eWpG) nach sich. Es soll zukünftig u.a. möglich sein, elektronische Aktien über die Blockchain zu emittieren, die vollständig elektronisch ausgegeben werden, ohne in einer Urkunde verbrieft zu sein. Elektronische Aktien können entweder als elektronische Namensaktien oder als elektronische Inhaberaktien ausgegeben werden und sollen auch – wie herkömmliche Wertpapiere – übertragbar sein.  Des Weiteren sollen die Schriftformerfordernisse im Aufsichtsrecht durch moderne digitale Kommunikationsmöglichkeiten reduziert bzw. ersetzt werden. Die Kommunikation mit der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) soll deutlich stärker auf digitale Medien umgestellt werden.

Crowdfunding ist in den letzten zehn Jahren zunehmend mehr zu einer alternativen Finanzierungsform für Start-ups geworden – wird diese Finanzierungsart weiter gefördert?

Die derzeitige Haftungsregelung für Vermögensanlagen-Informationsblätter nach dem Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) für Projektträger von Crowdfunding-Projekten und für Crowdfunding-Dienstleister ist bislang recht streng und soll an die Haftungsregelungen im Wertpapierprospektgesetz (WpPG) für Wertpapier-Informationsblätter (WIB) und im Kapitalanlagegesetzbuch (VermAnlG) für Kapitalanlagen-Informationsblätter angeglichen werden.

Gewährleistet das ZuFinG eine weitere Öffnung des deutschen Kapitalmarkts für internationale Emittenten und Investoren?

BMF und BMJ sind bestrebt, den deutschen Kapitalmarkt international attraktiver aufzustellen. So sollen u.a. Wettbewerbsnachteile für den Finanzstandort Deutschland, die aus der ungleichen Umsetzung europarechtlicher Vorgaben resultieren, durch eine Angleichung an die rechtlichen Rahmenbedingungen in anderen europäischen Mitgliedstaaten eliminiert werden. Durch explizite Ausnahmen von der AGB-rechtlichen Kontrolle für Verträge zwischen Unternehmen im Finanzmarktbereich soll die Rechtssicherheit, insbesondere bei der Orientierung an internationalen Standards erhöht werden.

Der ZuFinG-Entwurf sieht auch vor, dass die Kommunikation mit der BaFin, einschließlich der Einreichung von Zulassungsanträgen, in englischer Sprache möglich sein wird. Obwohl die BaFin bereits in den letzten Jahren immer offener für die Kommunikation in englischer Sprache war, ist dies nun endlich offiziell. Diese Änderung wird es internationalen Akteuren leichter machen, Deutschland als ihren Heimatstaat innerhalb der EU zu betrachten.

Noch in diesem Jahr soll das Gesetz in Kraft treten. Was können Unternehmen jetzt schon jetzt tun, um vorbereitet zu sein für die Änderungen?

BMF und BMJ haben ja in Aussicht gestellt, dass das ZuFinG „noch vor Ende der ersten Hälfte der Legislaturperiode“, also im Herbst dieses Jahres, in Kraft treten soll. Für kapitalsuchende und kapitalmarktaffine Unternehmen bedeutet dies, dass sie ab Herbst dieses Jahres mehr Optionen bei der Kapitaleinwerbung haben und dass gewisse Formalitäten und Regularien vereinfacht werden. Die Empfehlung lautet somit, sofern man bestimmte avisierte Gesetzesänderungen als hilfreich für die jeweiligen Unternehmenszwecke erachtet und genügend Liquidität hat, ein paar Monate zuzuwarten und erst im Herbst bzw. Winter frisches Kapital einzuwerben.

Herr von Schilling, herzlichen Dank für die prägnanten Einschätzungen zu diesem aktuellen Thema.

Das Interview führte Simone Boehringer.

Autor/Autorin

Simone Boehringer

Simone Boehringer ist die Redaktionsleiterin "Kapitalmarktmedien" der GoingPublic Media AG.