Bildnachweis: Boris Polenske/123fahrschule.de.

Boris Polenske ist der klassische Serial Entrepreneur: Er hat KlickTel gegründet und an die Börse geführt, war CEO bei Pkw.de und Gründer von bewertet.de. Jetzt hat Polenske sein jüngstes Projekt über ein Reverse IPO aufs Parkett gebracht. Im Interview erklärt er, wie er plötzlich zum Fahrschulbesitzer wurde und was er mit 123fahrschule.de 2021 vorhat.

GoingPublic: Herr Polenske, Sie machen jetzt in Fahrschule?

Polenske: Ja – obwohl ich mit dem Thema bis vor einigen Jahren nichts zu tun hatte. Ich beschäftige mich als Gründer schon lange mit Digitalisierungsthemen und habe in diesem Bereich mehrere Unternehmen aufgebaut und erfolgreich wieder verkauft. Vor gut drei Jahren bin ich dann auf die Fahrschulbranche aufmerksam geworden.

Die Sie interessiert hat, weil?

Boris Polenske

Weil der Fahrschulmarkt in Deutschland noch extrem fragmentiert ist. Wir hinken in diesem Bereich den anderen europäischen Ländern hinterher. Ich spreche von einem Markt mit zirka 1,8 Mrd. EUR Umsatz allein im Privatkundensegment – und es gibt 11.000 Fahrschulen, das ist praktisch an jeder Bushaltestelle eine.

Zudem ist dieser kleinteilige Markt auch technologisch rückständig. Es gibt nicht eine vernünftige Verwaltungs-Software zu kaufen, um größere Strukturen mit mehreren Fahrschulen zu organisieren.

Also haben Sie sich gedacht: „Das wird mein nächstes Projekt?“

Ursprünglich war der Plan, eine ordentliche Software für die Branche zu entwickeln. Aber natürlich mussten wir dazu den Fahrschulbetrieb kennenlernen. Wir haben zwei Testfilialen eröffnet und schnell gemerkt, wie gut unser digitaler Ansatz in diesem Bereich funktioniert: eine schöne Website oder professionelles Online-Marketing sind ein willkommenes Novum. Also haben wir entschieden, nicht nur Software zu entwickeln und zu verkaufen, sondern unsere Marke komplett vertikal zu integrieren – inklusive eigener Standorte, Fahrlehrer und einer Fahrzeugflotte.

Wie läuft es bisher?

Wir sind inzwischen die größte Fahrschulkette Deutschlands mit 5 Mio. EUR Umsatz 2020. Allein im letzten Jahr haben wir erfolgreich vier Fahrschulen übernommen.

Und Sie haben 123fahrschule.de über ein Reverse IPO an die Börse geführt.

Richtig, wir haben die Anteile an der 123fahrschule Holding GmbH über eine Sachkapitalerhöhung komplett in eine Vorratsgesellschaft, die Livonia SE, eingebracht, deren Aktien im Freiverkehr an der Düsseldorfer Börse handelbar sind.

Warum haben Sie sich für ein Reverse IPO entschieden?

Es ging uns darum, den Prozess zu beschleunigen. Es war einfacher, den operativen Betrieb des Unternehmens in eine bestehende Gesellschaft mit bereits handelbaren Aktien einzubringen, als die Handelbarkeit selbst herbeizuführen. Wir konnten dann auch gleich eine Barkapitalerhöhung mit 50.000 Aktien im Family- und Friends-Umfeld machen und wollen gegebenenfalls zeitnah eine weitere, größere Kapitalerhöhung umsetzen, wenn die Marktbedingungen stimmen.

Mit neuen Investoren?

Ja. Wir möchten unseren Freefloat erhöhen und sprechen mit neuen Investoren, die wir überzeugen wollen.

Mit welcher Equity Story?

Wir wollen durch Übernahmen und Neueröffnungen zu einem bundesweiten Spieler im Markt werden. Wir haben für 2021 schon für einige Zukäufe vorgearbeitet und erste Verträge geschlossen. Fahrschulbetreiber sind im Durchschnitt 55 Jahre alt – das ist ein Umfeld, das Übernahmen doch sehr erleichtert. Ein Marktanteil von 5% bis 8% oder mehr ist durchaus möglich und scheint uns in bei einer Marktgröße von 1,8 Mrd. EUR Umsatz attraktiv.

Zudem haben wir das Potenzial, den Markt komplett zu verändern. Nach unserer Einschätzung ist unsere Software einzigartig und verschafft uns damit einen entscheidenden Vorteil. Wir kennen keine vergleichbare Technologie, die eine vollständig digitale Abwicklung von der Buchung einer Fahrstunde über die Bezahlung bis hin zur Integration der TÜV-Prüfstelle bietet.

Das ist sehr weit entfernt von meiner Erinnerung an muffige Räume und Schwitzen in der Theorieprüfung.

Der Theorieunterricht in Präsenz ist nur ein weiterer Punkt, der sich verändern wird. Corona hat auch hier die Digitalisierung beschleunigt – was gut ist. In beinahe allen europäischen Staaten kann die Theorieprüfung online absolviert werden. Jetzt bringt die Pandemie diesen überfälligen Digitalisierungsschub auch zu uns. Und wenn die Theorie online abgewickelt werden kann, benötigt man weniger teure Schulungsräume und Miet- und Real Estate-Kosten reduzieren sich dramatisch. Von dieser Digitalisierungswelle wollen wir profitieren.

Das klingt, als sei der weitere Erfolg vorprogrammiert. Stehen schon Kaufinteressenten Schlange?

Jetzt konzentrieren wir uns erst einmal auf unser Wachstum. Ich möchte nicht 20 Filialen haben, sondern 200 und bundesweit alle wichtigen Städte abdecken.

Herr Polenske, vielen Dank für das Gespräch.

Autor/Autorin

GoingPublic Redaktion / iab