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Die HV-Saison startete traditionell mit thyssenkrupp, TUI sowie der Siemens-Familie. Alle genannten Unternehmen führen 2025 die Hauptversammlung virtuell durch. Gleichzeitig steht 2025 bei zahlreichen Unternehmen die Verlängerung der Ermächtigung für virtuelle HVs an. Das ruft Kritiker auf den Plan, und schon dreht sich wieder alles nur um das „richtige“ HV-Format – bereits im dritten Jahr. Dabei geht es noch um viel mehr.
Das sind die bestimmenden Themen 2025 im Überblick: die erneute Beschlussfassung über die Ermächtigung des Vorstands zur Durchführung einer virtuellen HV und die mindestens alle vier Jahre fälligen Say-on-Pay-Beschlüsse zu den Vergütungssystemen von Vorstand und Aufsichtsrat. Hinzu kommt die jährliche Billigung des Vergütungsberichts. Sofern Aufsichtsratswahlen anstehen, rücken zudem die Zusammensetzung und die Unabhängigkeit des Aufsichtsrats in den Fokus. Als neue Themen kommen hinzu: die Wahl der Nachhaltigkeitsprüfer, mögliche Say-on-Climate-Beschlüsse sowie Satzungsänderungen für die Ausgabe elektronischer Aktien. Übergeordnete (geo)politische Themen, die hausgemachte Rezession, die schwindende Wettbewerbsfähigkeit, überbordende Bürokratie sowie „Kollateralschäden“ des Trumpismus mit Zöllen und drohenden Handelskriegen werden zudem in die HVs hineingetragen.
E-Aktien: Satzungsänderung erforderlich
Das Zukunftsfinanzierungsgesetz und das Gesetz über elektronische Wertpapiere ermöglichen die Ausgabe elektronischer Aktien. Globalverbriefte Aktien können dann auch ohne Zustimmung der Inhaber durch elektronische Aktien ersetzt werden. Voraussetzung dafür ist eine entsprechende Satzungsregelung. Diese schafft eine zukunftsorientierte Vorratsermächtigung für die Umstellung auf elektronische Aktien. Eine entsprechende Satzungsänderung ist zu empfehlen.
Say on Climate: Im Schwebezustand
Das nationale Gesetz zur Umsetzung der Vorgaben der EU-Richtlinie der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) ist dem Auseinanderbrechen der Regierung zum Opfer gefallen. Seither herrscht ein Schwebezustand. Vorsorglich sollte in der HV 2025 ein Prüfer für die Nachhaltigkeitsberichterstattung gewählt werden. Spannend wird auch, wie viele Unternehmen dem Vorreiter GEA Group von 2024 hinsichtlich eines freiwilligen Konsultativbeschlusses der HV über einen langfristigen Klimafahrplan folgen werden. ESG-orientierte Investoren befürworten dies. Bayer wird voraussichtlich 2025 mit einem Say-on-Climate-Beschluss folgen. Andererseits haben erst kürzlich die bedeutendsten institutionellen Vermögensverwalter der USA das Bündnis „Net Zero Asset Managers Initiative“ für klimafreundliche Investments verlassen. Dabei wird es spannend, welche Erwartungen die größten institutionellen Investoren formulieren werden. Auch zu Klimathemen dürfte die Meinungs- und Konsensbildung mit den entscheidenden Stakeholdern bereits vor der HV stattfinden. Zudem steigt die Bedeutung von Governance Roadshows von Jahr zu Jahr.
Aufsichtsräte: Lange Wunschzettel
Stehen Aufsichtsratswahlen an, lässt sich über die Zusammensetzung des Überwachungsorgans trefflich diskutieren, beginnend bei der Größe. Der Wunschzettel der Investoren hinsichtlich Qualifikationen, Kompetenzprofilen, Diversität und Unabhängigkeit entwickelt sich dynamisch und wird lang und länger. Auch zu Fragen rund um die Aufsichtsräte werden die Schlachten zur Meinungs- und Konsensbildung mit den Stakeholdern bereits im Vorfeld der HV geschlagen.
Vergütungssysteme im Fokus
Die HV börsennotierter Unternehmen muss seit 2021 bei jeder wesentlichen Änderung – spätestens aber alle vier Jahre – das Vergütungssystem des Vorstands billigen sowie das System für die Vergütung der Aufsichtsräte definieren. Beide Tops sind daher auch 2025 oftmals turnusmäßig auf der Agenda. Überraschend schlechte Zustimmungsquoten dürften nur noch selten zu beobachten sein: Denn in Kombination mit der seit 2022 jährlich vorgeschriebenen Billigung des Vergütungsberichts durch die HV werden viele Vergütungssysteme bereits im vorgelagerten Governance-Diskurs an den Erwartungen großer professioneller Investoren ausgerichtet. Wichtig ist aus Investorensicht, dass die Vergütung im Einklang mit der Performance des Unternehmens steht. Zudem wird zunehmend die Verankerung von ESG-Zielen gefordert. Hier wird es spannend, ob US-amerikanische Investoren im Rahmen des trumpschen „Rollbacks“ von ESG-Vorgaben abrücken. Sonderzahlungen und diskretionäre Anpassungen werden immer kritisch hinterfragt. Auch hier erfolgt die Meinungs- und Konsensbildung mit den entscheidenden Stakeholdern schon vor der HV.
Virtuelle HV: Test bestanden
Bereits im Juli 2022 wurde die virtuelle HV gesetzlich als ein voll- und gleichwertiges HV-Format neben der Präsenz-HV verankert. Das virtuelle Format setzt allerdings eine auf maximal fünf Jahre befristete Ermächtigung des Vorstands durch die HV voraus. Die meisten Unternehmen ohne Mehrheitsaktionär hatten sich in Gesprächen mit Investoren auf eine Laufzeit von zunächst nur zwei Jahren verständigt und dafür 2023 durchwegs hohe Zustimmungsquoten erhalten. Nun steht 2025 die Vorstandsermächtigung zur Durchführung virtueller HVs erneut auf der HV-Agenda. Hat die virtuelle HV den Praxistest bestanden? Ja. Bereits 2024 fanden fast drei Viertel der HVs des DAX 40 virtuell statt. Für 2025 erwarten wir, dass noch mehr DAX-Konzerne ihre HVs digital durchführen werden. Die virtuelle HV wird nicht nur von Unternehmen, sondern auch von vielen Aktionären geschätzt und bietet einige Vorteile. Natürlich muss auch die Kritik an der virtuellen HV, die auch von Eigeninteressen der Gegner geprägt ist, beachtet werden. Virtuelle HVs sind nicht zu jedem Zeitpunkt und zu jedem Thema das passende Format. Auch hierzu sollte die Konsensbildung mit den Stakeholdern im Vorfeld der HV erfolgen.
Seit nunmehr drei Jahren wird die Diskussion um das „richtige“ HV-Format immer aus der gleichen „Ecke“ von Gegnern der virtuellen HV befeuert und gehört auch ja auch ein Stück weit zur „Show“. Und ja: TUI und Siemens sind mit 66,23% bzw. 71,10% Zustimmungsquote an der satzungsmäßigen Dreiviertelmehrheit mit ihrem Vorhaben, auch in Zukunft virtuelle HVs durchführen zu können, (vorerst) gescheitert; die Mehrheit der Investoren hatte sich dennoch im Grundsatz dafür ausgesprochen. Und bei den meisten Gesellschaften genügt für diese Satzungsänderung bereits die einfache Mehrheit. Die Kritiker des virtuellen Formats sollten deshalb anerkennen, wenn sich die deutliche Mehrheit der Aktionäre eines Unternehmens für die Ermächtigung zur Durchführung virtueller HVs in der Zukunft entscheidet. Dies ist auch ein Zeichen des Respekts gegenüber der Aktionärsdemokratie. Zudem gibt es wichtigere und drängendere Themen, auch wenn diese in den letzten Jahren oftmals in den Hintergrund geraten sind.
Fazit
Die HV-Saison 2025 ist ein Spiegelbild in Zeiten des Umbruchs. Kontroverse und spannende Themen mit großem Potenzial für kritische Auseinandersetzungen gibt es zuhauf. Für reichlich Diskussionsstoff ist gesorgt. Da der Meinungsaustausch der HV zumeist vorgelagert stattfindet, dient die Aktionärsversammlung oftmals „nur“ der Dokumentation und Feststellung der vorgelagerten Willensbildungsprozesse.
Autor/Autorin
Thomas Wagner
Thomas Wagner ist Vorstandsmitglied bei der Better Orange IR & HV AG.