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Dieser Beitrag ist in GoingPublic 2/25 erschienen.
Nach dem hervorragenden IPO-Jahrgang 2021 herrschte bis zuletzt eher Flaute im hiesigen Emissionsbetrieb. Attila Kosa-Timar gibt im Interview Einblicke zur Lage und zu den Aussichten des IPO-Markts.
GoingPublic: Es wurden in den vergangenen 36 Monaten zahllose IPO-Kandidaten gehandelt, doch kam es immer wieder zu Verschiebungen, zuletzt z.B. STADA. Welche Erklärung haben Sie?
Kosa-Timar: Wir blicken auf eine mehrjährige Trockenperiode für IPOs zurück, geprägt von makroökonomischen und geopolitischen Unsicherheiten – steigende Zinsen, hohe Inflation, Lieferkettenprobleme und nicht zuletzt der Krieg in der Ukraine haben das Umfeld deutlich erschwert. In einem solchen Marktumfeld steigen Unsicherheiten zur künftigen Ertragslage und somit auch zur möglichen Unternehmensbewertung. Unternehmen und ihre Eigentümer wägen daher sehr genau ab, ob der Zeitpunkt für ein IPO passt. Gerade bei großvolumigen Transaktionen wie STADA sind stabile Marktbedingungen und belastbare Bewertungen essenziell. Zeichnen sich diese nicht ab, ist es strategisch oft klüger, den richtigen Moment abzuwarten, anstatt einen Börsengang um jeden Preis zu forcieren. Das zeugt von professioneller Vorbereitung und realistischem Timing.
Mit PFISTERER schaffte nach längerer Trockenzeit eher unüblich ein Small Cap den Sprung an die Börse. Worauf deutet das hin?
In der Tat würde man erwarten, dass Eisbrecher-IPOs aus dem Large-Cap-Segment den IPO-Markt eröffnen; das letzte namhafte IPO in Deutschland ist nun auch wieder mehr als ein halbes Jahr her. Daher hat das angekündigte und dann letztlich auch erfolgreich durchgeführte IPO von Pfisterer einige Marktteilnehmer überrascht. Das zeigt, dass IPOs auch im aktuellen Marktumfeld möglich sind – vorausgesetzt, die Equity Story ist überzeugend, das Unternehmen ist solide geführt und Eigentümer und neue Investoren teilen das gleiche Verständnis einer möglichen Unternehmensbewertung. Gerade im Small- und Mid-Cap-Segment sprechen wir zunehmend mit Investoren, die gezielt nach qualitativ starken Titeln mit Wachstumspotenzial und einem nachhaltigen Margenprofil suchen. Unternehmen mit klarem strategischem Fokus, resilientem Geschäftsmodell, hohen Markteintrittsbarrieren und exzellenter Corporate Governance haben dabei die besseren Karten, unabhängig von ihrer Größe.
Es heißt, die aktuelle IPO-Pipeline sei gut gefüllt. Stimmt das? Welche Branchen und Unternehmensgrößen sind IPO-ready?
Ja, die Pipeline ist tatsächlich gut gefüllt, mit Private-Equity-gestützten Unternehmen, mit unternehmergeführten Familienbetrieben sowie geplanten Carve-out-IPOs von bereits gelisteten Großkonzernen. Insbesondere in den Bereichen Technologie, Industrials, Utilities und Erneuerbare Energien, Healthcare sowie Defence gibt es eine hohe Zahl an IPO-Kandidaten.Viele dieser Unternehmen sind bereits börsenreif im Sinne der internen Governance, Reportingstandards und Kapitalmarktfitness. Das zeigt: Die strategische Vorbereitung läuft längst, auch wenn manche Emittenten noch auf den geeigneten Zeitpunkt für den eigentlichen Gang auf das Parkett warten.
Wird Growth auf Investorenseite nachgefragt oder sind andere Unternehmenstypen derzeit attraktiver?
Wachstumsunternehmen sind grundsätzlich weiterhin gefragt – aber die Märkte haben ihre Bewertungsmaßstäbe nach dem Zinsanstieg und den Korrekturen der letzten Jahre deutlich angepasst. Es geht heute weniger um Vision und mehr um Visibilität. Das heißt: Unternehmen mit profitablerem Wachstum, hoher Cash Conversion und planbarem Geschäftsmodell werden bevorzugt. Pure „Cashburner-Modelle“ ohne klare Profitabilitätsperspektive mit dem Ziel der Wettbewerbsverdrängung um jeden Preis haben es schwerer. Was zunehmend attraktiver wird, sind sogenannte Growth-at-a-reasonable-Price-Storys, also Unternehmen mit solider Basis, gutem Wachstumspfad und einer realistischen Bewertung.
Was sagen Sie zu den doch auffallend hohen jüngsten Delistings: Trübt das auch die IPO-Stimmung?
Ich würde nicht von einer Delisting-Welle sprechen. Was jedoch auffällt: Zahlreiche Small Caps sind zunehmend in den Fokus von Private-Equity-Investoren und strategischen Käufern geraten und wurden nach öffentlichen Übernahmen von der Börse genommen. Ab 2022 setzte eine spürbare Kapitalflucht aus dem Small-Cap-Segment ein, die sich 2023 noch beschleunigte. Das haben wir nicht nur in der DACH-Region gesehen, sondern es war ein globaler Trend. Auslöser waren, wie bereits erwähnt, makroökonomische und geopolitische Unsicherheiten. In der Folge verloren viele Small- und Mid-Cap-Unternehmen einen erheblichen Teil ihrer institutionellen Investorenbasis, und ihre Aktienkurse gerieten unter Druck – teils trotz stabiler oder unveränderter Ertragserwartungen. Diese Bewertungslücken haben Übernahmen für Investoren besonders attraktiv gemacht. Gleichzeitig gibt es Grund zur Zuversicht: Eine aktuelle Analyse unseres Researchteams zeigt, dass Small Caps den Gesamtmarkt in diesem Jahr bislang outperformt haben – ein deutliches Signal dafür, dass sich die Bewertungslücke wieder schließt. Für den IPO-Markt bedeutet das: Qualität ist entscheidend. Wir unterstützen Unternehmen dabei, frühzeitig die richtige Struktur und eine tragfähige Equity Story zu entwickeln – als Grundlage für einen langfristig erfolgreichen Börsengang.
Derzeit werden namhafte Summen aus dem US-Kapitalmarkt unter anderem nach Europa umallokiert. Hat das Einfluss auf die IPO-Nachfrage hierzulande?
Absolut. Wir erleben ein zurückkehrendes Interesse internationaler Investoren an europäischen Titeln – insbesondere an strukturell attraktiven Nischenplayern mit globaler Skalierbarkeit. In Zeiten der Unsicherheiten der letzten Jahre gab es eine signifikante Kapitalflucht in US-Aktien, vor allem im Mega-Cap-Segment. Auch die Wahl Donald Trumps im November letzten Jahres wurde zunächst vom Kapitalmarkt gefeiert – die anfängliche Euphorie wich jedoch schnell einer Ernüchterung. Inzwischen verzeichnen wir eine Rückkehr institutioneller Anleger in europäische Märkte. Gerade US- und kanadische Investoren richten ihren Blick wieder stärker auf kontinentaleuropäische Aktien – nach rund drei Jahren relativer Zurückhaltung. Ein Indikator dafür ist die deutlich gestiegene Teilnahme nordamerikanischer Investoren an unseren diesjährigen Konferenzen. Das stimmt uns zuversichtlich. Kapitalmarktdialoge finden heute international statt. Das Interesse an glaubwürdigen europäischen Equity Stories ist so hoch wie lange nicht.
Ich bin zuversichtlich, dass 2025 deutlich mehr IPO-Aktivität bringen wird als die beiden Vorjahre – in Deutschland ebenso wie europaweit.
Betrachten wir 2025 noch als guten IPO-Jahrgang? Welche Entwicklung sehen Sie in den kommenden drei Jahren?
Ich bin zuversichtlich, dass 2025 deutlich mehr IPO-Aktivität bringen wird als die beiden Vorjahre – in Deutschland ebenso wie europaweit. Die Märkte stabilisieren sich, Zins- und Inflationszyklen werden berechenbarer, Bewertungsniveaus normalisieren sich. Wir erwarten eine Rückkehr strategischer Börsengänge; aus dem Mittelstand ebenso wie aus dem Private-Equity-Umfeld. Wichtig wird sein, dass Emittenten langfristig denken und das IPO nicht nur als Exit, sondern als Wachstumsschritt verstehen. Als familiengeführte Bank begleiten wir genau solche Vorhaben – mit einem integrierten Ansatz, der weit über den ersten Handelstag hinausreicht.
Sehr geehrter Herr Kosa-Timar, vielen Dank für diese interessanten Einblicke.
Das Interview führte Stefan Preuß.
Zum Interviewpartner:
Attila Kosa leitet seit Jahresanfang die ECM Abteilung der familiengeführten und börsengelisteten Baader Bank. Er ist seit mehr als 15 Jahren im Kapitalmarkt tätig und betreute mehr als 150 erfolgreiche ECM Projekte in Kontinentaleuropa, vorwiegend in der DACH Region. Davor leitete er ECM Projekte bei einer US Investment Bank, einer deutschen Privatbank, sowie einer österreichischen Universalbank
Autor/Autorin
Stefan Preuß
Stefan Preuß arbeitet seit mehr als 25 Jahren als Redakteur im Kapitalmarktumfeld. Der gelernte Tageszeitungsredakteur sammelte zudem Erfahrung als Investor Relations Manager. Der Redaktion der GoingPublic Media AG gehört er als ständiger Mitarbeiter mit den Schwerpunktthemen IPOs, Vermögensanlage und Nachfolgelösungen an. Er betreut als Redaktionsleiter die jährlichen Spezialausgaben "Mitarbeiterbeteiligung" sowie "M&A Insurance".