Seit seiner Lancierung im Januar 2007 hat sich der OeKB Geschäftsklima-Index Mittelosteuropa (MOE) in der Finanz- und Geschäftswelt als international anerkannter „Leading Indicator“ etabliert. Unternehmen, Investoren, Asset Manager und Analysten nutzen den Index und seine rund 1.000 Indikatorwerte, um frühzeitig gesamtwirtschaftliche und branchenkonjunkturelle Wendepunkte in Mittelosteuropa zu erkennen und entsprechend pro-aktiv zu handeln.
Viermal im Jahr werden rund 400 Headquarters, die von Österreich aus insgesamt 1.500 MOE-Unternehmensbeteiligungen steuern, zu ihren Erfahrungen, Einschätzungen und Erwartungen hinsichtlich der Konjunktur- und Geschäftsentwicklung in der Region befragt. Dabei geht es um das Einfangen von Stimmungsbildern bei jenen Akteuren, die über fundierte Marktkenntnisse, gepaart mit einem Gespür für mittel- und längerfristige Entwicklungen, verfügen. Verdichtet und strukturiert, ergeben sich daraus zahlreiche Frühindikatoren, die detaillierte Analysen und Prognosen zu zwölf Ländern und zehn Branchen ermöglichen.
Trend eines sich abschwächenden Geschäftsklimas in Mittelosteuropa
Die aktuellen Ergebnisse zeigen, dass sich das Geschäftsklima in Mittelosteuropa zur Jahresmitte 2012 eingetrübt hat. Konkret ist der Geschäftsklima-Index von 86,0 im April auf 83,4 im Juli gefallen und folgt damit einem moderaten Abwärtstrend, der vor einem Jahr – exakt im Juli 2011 – einsetzte. Entsprechend seiner Funktion als Vorlauf-Indikator deutet der Index damit frühzeitig eine Beeinträchtigung der Region durch die Eurokrise an, wenn auch die Direktinvestoren eher von einer Verlangsamung der Wirtschafts- und Geschäftsdynamik als von drastischen Einbrüchen ausgehen. Im April 2012 kam es sogar zu einer vorübergehenden Aufhellung des Geschäftsklimas, dies signalisiert die grundsätzlich hohe Zuversicht der Direktinvestoren in Bezug auf die Wirtschaftsregion Mittelosteuropa.Insbesondere hinsichtlich der aktuellen Geschäftslage der MOE-Beteiligungen herrscht unter den Direktinvestoren im Sommer 2012 Zufriedenheit, obwohl sie die Situation insgesamt etwas vorsichtiger beurteilen als noch im Frühjahr. Der entsprechende Index sinkt von 84,7 im April auf 83,6 im Juli. Im Querschnitt betrachtet bedeutet dies, dass in 38% der 1.500 MOE- Unternehmensbeteiligungen die Geschäfte im Juli gut laufen, für 44% wird ein saisonüblicher Geschäftsgang gemeldet und in 17% der Niederlassungen ist die Geschäftslage schlecht. Der positive Meldungsanteil ist also deutlich höher als der negative, sodass insgesamt zur Jahresmitte 2012 von einer robusten aktuellen Geschäftslage in Mittelosteuropa gesprochen werden kann.Davon ausgehend erwarten die Direktinvestoren für die zweite Jahreshälfte allerdings eine nachlassende Geschäftsperformance. Dies signalisiert die Entwicklung des Index, der die Geschäftserwartungen widerspiegelt: Der Indexwert geht vergleichsweise deutlich von 87,2 im April auf 82,9 im Juli zurück. Konkret wird für 23% der Niederlassungen für die kommenden sechs Monate mit florierenden Geschäften gerechnet, während dies im April noch für 31% der Fall war. Gleichzeitig hat sich der negative Meldungsanteil (d.h. die Geschäftsperspektiven verschlechtern sich) von 7% auf 10% erhöht. Damit trübt sich also das Geschäftsklima in der Region – das sich aus der aktuellen Geschäftslage und den Geschäftserwartungen zusammensetzt – zur Jahresmitte 2012 insgesamt etwas ein.
Direktinvestoren halten an ihrem MOE-Engagement fest
Obwohl die Direktinvestoren beim Blick in die Zukunft nicht nur ihre Geschäftserwartungen für das nächste Halbjahr etwas zurückschrauben, sondern auch die makroökonomische Perspektive für die kommenden zwölf Monate getrübter sehen, setzen sie ihre Strategie der vorsichtigen Expansion fort. Zur Jahresmitte 2012 weist der Investitionsindex, der die Bereitschaft der Direktinvestoren für den Ausbau ihrer bestehenden Niederlassungen widerspiegelt, einen Wert von 86,4 auf. Konkret sollen 78% der Betriebe vor Ort – und damit die überwiegende Mehrzahl – im nächsten Jahr unverändert beibehalten werden. 13% der bestehenden Niederlassungen stehen vor einem Ausbau, für 9% der Standorte ist eine Verkleinerung geplant. Die Verstärkung der Marktpräsenz wird regional sehr unterschiedlich in Angriff genommen, wobei insbesondere in Russland und Polen bestehende Niederlassungen ausgebaut werden sollen. Polen positioniert sich darüber hinaus im Juli als das wichtigste Zielland für Neuinvestitionsprojekte: 16% der 45 für MOE insgesamt gemeldeten Projekte sollen allein in Polen realisiert werden, am zweitstärksten positioniert sich Serbien mit 13%, gefolgt von Kroatien mit 9%.
Unterschiedliche Stimmungsbilder in den Ländern
Es hat sich gezeigt, dass die Direktinvestoren vor allem in wirtschaftlich schwierigen Zeiten bezüglich ihrer Länder-Einschätzungen deutlich differenzieren. Zwar zeigen im Juli die zukunftsgerichteten Indikatoren zu Konjunktur und Geschäftserwartungen für die einzelnen mittelosteuropäischen Länder fast ausnahmslos nach unten, das Ausmaß der Abwärtsbewegung ist jedoch von Land zu Land sehr unterschiedlich. Determinanten für die Bewertung der Länder dürften aktuell u.a. das Ausmaß der wirtschaftlichen Verflechtung mit der EU, die Marktgröße und die Stärke des Inlandskonsums sein. Demnach sind Russland und Polen im Juli die Länder mit dem günstigsten Geschäftsklima und den besten Wirtschaftsaussichten, während sich etwa das Euroland Slowenien hinsichtlich Konjunktur und Geschäftsklima jeweils im unteren Drittel des Länder-Rankings einordnet. Bemerkenswert ist, dass die Ukraine beim Geschäftsklima-Ranking nun an dritter Stelle liegt, was in erster Linie auf sehr optimistische Geschäftserwartungen zurückzuführen ist. Konkret ist die Ukraine im Juli das einzige Land mit einem positiveren Ausblick als noch im April. Scheinbar losgelöst von ihrer ermutigenden betriebswirtschaftlichen Perspektive bewerten die Direktinvestoren allerdings die makroökonomische Situation des Landes weniger positiv: In keinem anderen mittelosteuropäischen Land fällt der Konjunkturindex im Juli gleichermaßen nach unten, nämlich von 84,9 im April auf 73,4.