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Anlässlich der heutigen Abstimmung über Sondervermögen im Deutschen Bundestag spricht sich das Deutsche Aktieninstitut (DAI) für eine Stärkung des Kapitalmarkts aus. Nach Ansicht des DAI sind entschlossene Reformen in Deutschland und der EU erforderlich, um die Wettbewerbsfähigkeit und Zukunftsfähigkeit der deutschen und europäischen Wirtschaft zu sichern. Von GoingPublic Redaktion
„Allein mit staatlichen Mitteln sind Investitionen in Transformation, Innovationen und Wettbewerbsfähigkeit nicht finanzierbar. Für Zukunftsinvestitionen brauchen wir einen leistungsfähigen europäischen Kapitalmarkt,“ erklärt Henriette Peucker, Geschäftsführende Vorständin des Deutschen Aktieninstituts.
Auf europäischer Ebene schlägt das DAI vor, dass die EU die Mitgliedsstaaten dazu verpflichtet, jährlich ein Volumen von zwei Prozent der Löhne und Gehälter in den Aufbau eines Kapitalstocks innerhalb der gesetzlichen Rente zu investieren. Als Beispiele für erfolgreiche Modelle nennt das Institut Länder wie Schweden und die USA, in denen Rentensysteme und Vermögensbildung zur Entwicklung des Kapitalmarkts beigetragen haben. Die konkrete Umsetzung sei jedoch Aufgabe der Mitgliedsstaaten.
Darüber hinaus sieht das DAI Reformbedarf bei der Regulierung, um Unternehmen den Zugang zum europäischen Kapitalmarkt zu erleichtern. Dies sei entscheidend, um Finanzierungsmöglichkeiten auszubauen und Investoren anzusprechen. In diesem Zusammenhang hat das Institut kürzlich das Positionspapier „Europa stärken, Spar- und Investitionsunion beschleunigen“ veröffentlicht.
„Auch die Menschen in Deutschland sollten endlich von der Ertragsstärke von Aktien, Aktienfonds und anderen Kapitalmarktanlagen profitieren können. Ihre Nutzung in allen drei Säulen der Altersvorsorge in Deutschland gehört daher ganz oben auf die Prioritätenliste der neuen Bundesregierung,“ betont Peucker.
Zu den Forderungen des DAI
Es ist sicherlich zu begrüßen, dass nun ein Sondervermögen geschaffen wird, um dringend notwendige Investitionen zu ermöglichen. Umso bemerkenswerter ist es jedoch, dass ein solches Vorgehen lange Zeit mit Verweis auf die Schuldenbremse als undenkbar galt – und nun durch sprachliche Kunstgriffe und eine Art finanzpolitische „Deus-ex-Machina“-Rhetorik doch realisiert wird. Wie dem auch sei, die ganze Debatte zeigt einmal mehr, wie dringend nötig eine grundsätzliche Debatte über die finanzpolitischen Spielräume für Zukunftsinvestitionen wäre.
Seit Jahren betonen Kapitalmarkt-Expertinnen und Experten in unseren Publikationen, dass ohne einen leistungsfähigen Kapitalmarkt zentrale Zukunftsaufgaben – von der Transformation der Wirtschaft bis zur Altersvorsorge – nicht zu bewältigen sind. Die Erfahrungen aus anderen Ländern zeigen, dass kapitalgedeckte Systeme eine sinnvolle Ergänzung zur umlagefinanzierten Rente darstellen können. Generell ist die Aktienkultur in Deutschland mangelhaft – sie hinkt im internationalen Vergleich weiterhin hinterher, bremst nicht nur den Kapitalmarkt, sondern auch die langfristige Wohlstandssicherung der Bürger.
Findet hier kein Mentalitätswechsel statt, hilft auf lange Sicht auch kein Sondervermögen: Gerade in Zeiten hoher Investitionsbedarfe für Klimaschutz, Digitalisierung und Infrastruktur ist es essenziell, dass privates Kapital stärker mobilisiert wird. Das Zurückgreifen auf staatliche Sondervermögen allein kann keine nachhaltige Lösung sein, da es zukünftige Haushalte belastet und oft nur kurzfristige Lücken schließt. Eine konsequente Reformagenda, die Kapitalmarkt- und Rentenpolitik zusammendenkt, ist daher überfällig. Die Politik ist gefordert, hier endlich den dringend notwendigen Reformkurs einzuschlagen.
In diesem Sinne sind die Forderungen des DAI begrüßenswert – wenngleich sie auch schon oft gestellt wurden. Und doch: sie sind alles andere als überholt. Ihre Dringlichkeit bleibt bestehen.
Autor/Autorin
Urs Moesenfechtel, M.A., ist seit 2021 Redaktionsleiter der GoingPublic Media AG - Plattform Life Sciences und für die Themenfelder Biotechnologie und Bioökonomie zuständig. Zuvor war er u.a. als Wissenschaftsredakteur für mehrere Forschungseinrichtungen tätig.