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Wir erleben eine seit dem Ende des Kalten Krieges beispiellose Phase globaler Unsicherheit: Geopolitische Spannungen, fragile Lieferketten und der daraus resultierende Inflationsdruck prägen das wirtschaftliche Umfeld. Zugleich führen technologische Sprunginnovationen – etwa künstliche Intelligenz – zu tiefgreifenden Veränderungen. Sie eröffnen enormes Potenzial, verursachen aber gleichzeitig massive Disruptionen bislang stabiler Geschäftsmodelle. Dieser Artikel erscheint in der GoingPublic Ausgabe 4/25 am 20. Dezember 2025. Weitere Artikel können Sie hier abrufen.
In dieser Situation entscheidet nicht mehr allein das zentrale operative Geschäftsmodell über den Erfolg eines Unternehmens, sondern ebenso das Finanzmanagement. Ein professioneller Umgang mit Schulden ist heute eine wesentliche Voraussetzung für Stabilität, strategischen Handlungsspielraum in der operativen Unternehmensentwicklung und nachhaltige Wettbewerbsfähigkeit. Zugleich stellten effektive Creditor Relations ein zentrales Instrument des Risikomanagements dar: Denn selbst operativ solide aufgestellte Unternehmen können durch eine ineffiziente Kapitalstruktur oder ungünstige Refinanzierung schnell in eine Schieflage geraten.
Wie Staaten sind auch Unternehmen darauf angewiesen, jederzeit Kapital am Finanzmarkt aufnehmen zu können – eine Fähigkeit, die in einem fragilen Umfeld überlebensnotwendig ist. Versiegt die Liquidität, drohen Zahlungsunfähigkeit und letztlich Insolvenz. Entscheidend ist dabei jedoch nicht nur der Zugang zu Fremdkapital, sondern auch die Konditionen, zu denen es bereitgestellt wird. Gelingt es einem Unternehmen nicht, sich zu attraktiven Zinssätzen zu refinanzieren, steigen die Finanzierungskosten spürbar – mit direkten Auswirkungen auf das operative Ergebnis. Zu hohe Zinsen schmälern die Profitabilität und damit den Wert für die Aktionäre.
Daher müssen Unternehmensführung und Anteilseigner dem Thema Creditor Relations und der strategischen Steuerung der Wahrnehmung am Kapitalmarkt deutlich größere Aufmerksamkeit schenken. Creditor Relations sind längst kein Nebenprodukt der Finanzkommunikation mehr, sondern eine Schlüsselkompetenz im Age of Debt.
Vom Nischenthema zur strategischen Disziplin
Lange galt Kapitalmarktkommunikation als nahezu ausschließlich auf Aktionäre ausgerichtet. In den vergangenen Jahren hat jedoch die Bedeutung der Fremdkapitalgeber stark zugenommen. Um diese Zielgruppe im Rahmen professioneller Creditor Relations gezielt anzusprechen, ist es entscheidend, ihre – teils stark von den Interessen der Aktionäre abweichende – Perspektive zu verstehen und in der Kommunikation zu berücksichtigen.
Debt- und Equity-Investoren teilen zwar das Interesse am Unternehmenserfolg, setzen jedoch unterschiedliche Schwerpunkte:
- Equity-Investoren fokussieren Dividenden, Wachstum und Kurssteigerung – eine Haltung, die als Upside-Orientierung beschrieben werden kann.
- Debt-Investoren denken in Tilgungssicherheit, Covenants und Cashflow- Kontinuität. Ihr Blick richtet sich vor allem auf Risiken – eine klare Downside-Orientierung.
Diese divergierenden Interessen erfordern eine zielgruppenspezifische Kommunikation, ohne die konsistente Kapitalmarktstory zu gefährden. Nur wenn Treasury, Investor Relations und Management eng abgestimmt agieren, entsteht Glaubwürdigkeit – und damit bessere Ratings, niedrigere Spreads und langfristige Stabilität.
Creditor Relations als Profit Center
Professionelle Creditor Relations sichern nicht nur den Kapitalmarktzugang, sondern senken Zinsaufwände und stärken die Reputation des Unternehmens – weit über den Finanzbereich hinaus. Mehr noch: Sie können zu einem echten Profit Center werden.
Bereits ein einziger Basispunkt weniger Emissionsrendite kann erhebliche Effekte haben: Bei einem typischen Anleihevolumen von 500 Mio. EUR – Benchmark Size – und einer Laufzeit von sieben Jahren führt eine Reduktion der Rendite um nur einen Basispunkt (0,01%) zu einer Zinsersparnis von rund 350.000 EUR.
Diese scheinbar kleine Differenz – z.B. ein Zinssatz von 2,51% statt 2,52% – zeigt, dass Fremdkapitalmanagement heute weit mehr ist als reine Finanzverwaltung. Es fungiert als strategischer Werttreiber, zentraler Erfolgsfaktor und senkt zugleich das Risikoprofil eines Unternehmens in einem zunehmend volatilen Umfeld. Hier zeigt sich eine seltene Ausnahme: Steigerung der Rentabilität und Reduktion des Risikos gehen Hand in Hand – anders als üblich; ist höherer Profit doch meist mit höheren Risiken verbunden. Creditor Relations sollten deshalb auch aus Sicht der Aktionäre und ihrer Vertreter in höchstem Eigeninteresse vom Management aktiv eingefordert werden.
Fazit
Im Age of Debt wird der professionelle Umgang mit Fremdkapital zur Kernaufgabe
unternehmerischer Steuerung. Unternehmen, die verstehen, wie unterschiedlich Debt- und Equity-Investoren denken und diese Perspektiven in einer kohärenten Kapitalmarktstrategie vereinen, sichern sich nicht nur den Zugang zu Kapital, sondern senken nachhaltig Finanzierungskosten, steigern den Unternehmenswert und schaffen eine deutlich resilientere Basis in einem volatilen Umfeld.
Wie Unternehmen Creditor Relations in der Praxis umsetzen – und welche Rolle Schuldenmanagement künftig für Wertschöpfung und Resilienz spielt –, diskutieren wir auf der Creditor Relations Tagung CRT 2026 am 11. Februar 2026 in Frankfurt unter dem Motto The Age of Debt – Schuldenmanagement wird zur Schlüsselkompetenz.
Autor/Autorin

Dr. Markus Walchshofer
Dr. Markus Walchshofer ist Geschäftsführer der DebtRay GmbH, spezialisiert auf Kapitalmarktanalysen, Anleihenplatzierungen und Rating-Strategien. Zuvor war er Portfoliomanager bei Union Investment, VP Business Development & M&A bei Fresenius und Gründer eigener Beratungsfirmen.






