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Ein Börsengang kann für Familienunternehmen ein entscheidender Schritt sein, um Wachstum, Stabilität und langfristige Wertschöpfung zu fördern. Von Uwe Schupp
Im Sommer 2005 begegnete ich erstmals Stefan Fuchs, dem damals noch recht frischen CEO von Fuchs Petrolub (heute Fuchs SE), einem in dritter Generation familiengeführten Unternehmen der Spezialchemie. Auf meine Frage, weshalb eine am Markt gut positionierte und cashflowstarke Firma denn überhaupt an der Börse notiert sei, antwortete er: „Weil wir die Vorteile einer Börsennotierung nutzen, ohne unsere Wurzeln zu verraten.“ Was genau meinte er damit?
Dieser Beitrag stammt aus dem kürzlich erschienenen GoingPublic 2/25.
Vorteile eines Börsengangs für Familienunternehmen
Zwei Vorzüge eines Börsengangs werden regelmäßig genannt: der Zugang zu Kapital, denn Familienunternehmen können durch die Ausgabe von Aktien erhebliche Mittel für Investitionen in neue Technologien, Markterweiterungen oder Modernisierungen mobilisieren, und die Flexibilität bei der Nachfolgeplanung. Statt das Unternehmen komplett an Dritte zu verkaufen, können Familienanteile teilweise veräußert werden, während die Kontrolle durch Stimmrechtsmehrheiten erhalten bleibt.
Darüber hinaus gibt es aber weitere Punkte, die oftmals nicht genug gewürdigt werden: Ein Börsengang erhöht die Sichtbarkeit und Glaubwürdigkeit. Die strengen Berichtspflichten und die öffentliche Wahrnehmung stärken das Vertrauen von Kunden, Geschäftspartnern und Investoren. Auch kann ein strafferes Berichtswesen interne Prozesse verbessern und potenzielle Schwachstellen früh aufzeigen. Außerdem können Aktienprogramme für Mitarbeiter eingeführt werden, was die Motivation und Bindung fördert. Stichwort Mitarbeiter: Sofern die Familie (wie bei Fuchs) nach einem IPO die Mehrheit behält, müssen Mitarbeiter nicht mit dem Risiko einer feindlichen Übernahme rechnen.
Nachteile eines Börsengangs
Trotz der Chancen gibt es Herausforderungen. Die erhöhte Transparenz durch Berichtspflichten kann für Familienunternehmen ungewohnt sein, da Geschäftsstrategien und Finanzdaten öffentlich werden. Dies kann Wettbewerbern wichtige Einblicke verschaffen und deren Preispolitik beeinflussen. Zudem wächst der Druck von Investoren, kurzfristige Gewinne zu erzielen, was mit den oft langfristigen Zielen eines Familienunternehmens kollidieren kann. Ein weiterer Nachteil ist der potenzielle Kontrollverlust, denn selbst wenn die Familie die Mehrheit der Stimmrechte hält, können externe Aktionäre Einfluss fordern. Nicht zuletzt sind die laufenden Kosten einer Börsennotierung hoch.
Minderheitsaktionäre: Mitgehangen, mitgefangen!
Kein IPO ohne Käufer! Minderheitsaktionäre profitieren von der Stabilität, die börsennotierte Familienunternehmen bieten. Die langfristige Orientierung und oft konservative Strategie dieser Unternehmen können das Risiko von Kursschwankungen mindern. Zudem ist die Dividendenpolitik häufig attraktiv, da dies für die Familie die wesentliche Einkommensquelle ist.
Allerdings haben Minderheitsaktionäre oft nur begrenzten Einfluss. Die kontrollierende Familie kann Entscheidungen priorisieren, die zuvorderst ihren eigenen Interessen dienen. Bei strategischen Schritten wie Fusionen oder Übernahmen besteht zudem das Risiko, dass Minderheitsaktionäre übergangen werden. Schließlich kann die geringere Liquidität der Aktien – da Familien oft große Anteile halten – die Handelbarkeit erschweren.
Fazit
Sowohl für Familienunternehmen als auch Minderheitsaktionäre ist ein Börsengang bzw. die Zeichnung beim IPO sorgfältig abzuwägen. Fuchs-Aktionäre haben übrigens seit dem IPO Mitte der 1980er-Jahre mehrere 1000% Performance erzielt – plus jährliche Dividende.

Autor/Autorin

Uwe Schupp
Uwe Schupp, CFA, war seit Mitte der 1990er-Jahre Aktienanalyst bei mehreren europäischen Großbanken und begleitete zahlreiche Börsengänge. Seit Mitte 2022 ist er geschäftsführender Gesellschafter bei APUS Capital GmbH, einer Investmentboutique in Frankfurt.