Bei einem beabsichtigten Erwerb von Beteiligungen an börsennotierten Unternehmen sind auch aufseiten der potenziellen Investoren die Regelungen der Marktmissbrauchsverordnung (MAR) zu beachten. Insiderrechtliche Fragestellungen können sich insbesondere ergeben, wenn mehrere Investoren zum Zwecke eines gemeinsamen, koordinierten Beteiligungsaufbaus (Stakebuilding) zusammenwirken. Von Dr. Mirko Sickinger und Lena Pfeufer

Die Absicht eines Investors A, sich an einem Unternehmen zu beteiligen oder dieses gar zu übernehmen, kann für sich genommen grundsätzlich eine Insiderinformation gemäß Art. 7 Abs. 1 MAR darstellen. Indizien für die zur Qualifikation als Insiderinformation erforderliche Kurserheblichkeit können insbesondere der Umfang der beabsichtigten Beteiligung oder auch die mit dem Erwerb verbundenen strategischen Interessen des Investors sein.

Safe Harbour bei Umsetzung eigener Erwerbsabsicht

Der Aufbau wesentlicher Beteiligungen kann aber nicht per se rechtlich unzulässig sein. Daher begründet Art. 9 Abs. 5 MAR einen sogenannten Safe Harbour für Personen, die in Umsetzung ihrer eigenen Entschlüsse Finanzinstrumente erwerben oder veräußern. D.h., sofern Investor A Aktien an der Gesellschaft erwirbt, zu deren Erwerb er sich entschlossen hat, wird dies nicht als unzulässige Nutzung einer Insiderinformation (seiner eigenen Erwerbsabsicht) angesehen.

Ansprache Co-Investor unter Offenlegung der Erwerbsabsicht

Sofern Investor A nunmehr an Investor B zum Zwecke eines gemeinsamen, koordinierten Beteiligungsaufbaus herantritt, sind die Regelungen der MAR zur Weitergabe von Insiderinformationen zu beachten.

Die Ansprache des Investors B durch Investor A könnte allerdings dann zulässig sein, wenn die Erwerbsabsicht des Investors A noch offen wäre und (u.a.) von der (Mit-)Beteiligung des Investors B an dem Stakebuilding abhinge. In diesem Fall könnte man argumentieren, dass die Erwerbsabsicht des Investors A noch nicht hinreichend konkret ist und somit noch keine Insiderinformation darstellt. Dies darf jedoch nicht als allgemeine Regelung verstanden werden, sondern bedarf stets einer Betrachtung im Einzelfall unter Einbeziehung aller relevanten Umstände.

Sofern die Erwerbsabsicht des Investors A allerdings eine Insiderinformation darstellt, darf diese Information gemäß Art. 14 lit. c) und Art. 10 Abs. 1 Halbsatz 1 MAR grundsätzlich nicht an Dritte, d.h. auch nicht an Investor B zum Zwecke eines gemeinsamen Beteiligungsaufbaus weitergegeben werden.

Allerdings soll eine Offenlegung der Insiderinformation an Dritte gemäß Art. 10 Abs. 1 Halbsatz 2 MAR dann zulässig sein, wenn die Offenlegung im Zuge der normalen Ausübung einer Beschäftigung oder eines Berufs oder der normalen Erfüllung von Aufgaben erfolgt. Nach einer älteren Entscheidung des EUGH (vor Inkrafttreten der MAR) soll die Weitergabe einer Insiderinformation nur zulässig sein, wenn sie für die Ausübung einer Arbeit oder eines Berufs oder die Erfüllung einer Aufgabe unerlässlich und verhältnismäßig sei, d.h., wenn eine berufliche oder aufgabenbedingte Tätigkeit ohne die Weitergabe nicht erledigt werden könnte und dies die mit der Weitergabe der Insiderinformation verbundene Erhöhung der Gefahr von Insidergeschäften rechtfertige. Die juristische Literatur geht davon aus, dass die vorgenannten Kriterien auch nach Inkrafttreten der MAR weiterhin Anwendung finden.

In Anwendung dieser Grundsätze ist die Weitergabe von Insiderinformationen etwa an Berater der Gesellschaft, die einer beruflichen oder vertraglichen Vertraulichkeitsvereinbarung unterliegen, allgemein als zulässig anerkannt. Ob aber auch die Weitergabe von Informationen des Investors A über seine Erwerbsansicht an Investor B zu Zwecken des gemeinsamen Beteiligungserwerbs unter die Ausnahmevorschrift des Art. 10 Abs. 1 Halbsatz 2 MAR fallen kann, erscheint höchst fraglich. Denn ein erhöhtes Risiko der Gefahr von Insidergeschäften liegt nahe, wenn der angesprochene Investor B, welcher die Insiderinformation über die Erwerbsabsicht von Investor A erhalten hat, diese Erwerbsabsicht im Nachhinein seiner eigenen Investitionsentscheidung zugrunde legt und damit diese Insiderinformation nutzt.

Paketerwerb durch Co-Investor

Sofern Investor B nunmehr auf Grundlage der Erwerbsabsicht des Investors A entscheidet, ebenfalls an dem Beteiligungsaufbau teilzunehmen, ist unsicher, ob er sich auf den Safe Harbour des Art. 9 Abs. 5 MAR berufen kann, da er in dieser Fallkonstellation jedenfalls auch auf Grundlage des Erwerbsentschlusses des Investors A und damit unter Nutzung einer (weiteren) Insiderinformation tätig wird.

Der Wortlaut der Ausnahmevorschrift des Art. 9 Abs. 5 MAR findet zunächst nur für die Umsetzung eigener Handelsentschlüsse, nicht aber für ein Handeln in Kenntnis fremder Entschlüsse Anwendung. Nach der juristischen Literatur soll die Ausnahmeregelung ferner dann auf Dritte entsprechende Anwendung finden, wenn Personen tätig werden, die letztlich nur als sogenannte Erfüllungsgehilfen eine fremde Entscheidung umsetzen und nicht auf Basis einer eigenen Erwerbsabsicht handeln, wie etwa Banken. Dies ist aber bei der Beteiligung des Investors B als Co-Investor an einem gemeinsamen, koordinierten Beteiligungsaufbau gerade nicht der Fall, da Investor B für eigene Rechnung handelt.

Auch die analoge Anwendung des Art. 9 Abs. 5 MAR auf gemeinsam mit dem Bieter handelnde Personen im Sinne von § 2 Abs. 5 Satz 1 WpÜG, d.h. im Zusammenhang mit Übernahmesachverhalten, kann dem Investor B nicht helfen.

Darüber hinaus sieht Art. 9 Abs. 4 Unterabs. 1 MAR für Unternehmensübernahmen und -zusammenschlüsse eine Ausnahmeregelung vor, welche unter bestimmten Voraussetzungen die Nutzung einer Insiderinformation ausschließlich zum Zweck der Weiterführung der Übernahme bzw. des Unternehmenszusammenschlusses auf der Grundlage eines öffentlichen Angebots erlaubt. Auch diese Ausnahmeregelung gilt nach Art. 9 Abs. 4 Unterabs. 2 MAR jedoch gerade nicht für den (einem öffentlichen Übernahmeangebot vorausgehenden) Beteiligungsaufbau.

Fazit

Soweit ersichtlich, hat sich die juristische Literatur und Rechtsprechung bislang noch nicht mit den insiderrechtlichen Themen im Zusammenhang mit einem koordinierten Stakebuilding durch mehrere Investoren auseinandergesetzt. Ob und inwieweit eine Koordination zwischen Investoren zu Zwecken des gemeinsamen Stakebuildings nach der MAR zulässig sein kann, ist auch vor dem Hintergrund der restriktiven Handhabung der Aufsichtsbehörden stets umfassend und sehr sorgfältig anhand des konkreten Einzelfalls zu prüfen.

Dieser Artikel erschien zuerst am 28. März in unserem Jahres-Special Corporate Finance Recht 2020.

Autor/Autorin

Lena Pfeufer

Lena Pfeufer ist Rechtsanwältin und Salaried Partnerin im Kölner Büro der Sozietät Heuking Kühn Lüer Wojtek. Sie berät im Team von Herrn Dr. Sickinger schwerpunktmäßig im Kapitalmarktrecht, im Bereich Gesellschaftsrecht sowie M&A.

Dr. Mirko Sickinger

Dr. Mirko Sickinger, LL.M. ist Rechtsanwalt und Partner im Kölner und Frankfurter Büro der Sozietät Heuking Kühn Lüer Wojtek. Er berät schwerpunktmäßig zu Themen des Kapital­marktrechts, im Bereich Gesellschafts­recht sowie M&A.