Kay Bommer, Geschäftsführer, DIRK – Deutscher Investor Relations Verband

Zu Beginn dieses Jahres ist Kay Bommer auf seine alte Position als Geschäftsführer des DIRK (Deutscher Investor Relations Verband) zurückgekehrt. Im Interview mit dem GoingPublic Magazin äußert er sich zu den Herausforderungen, denen sich Investor Relations im aktuellen Kapitalmarktumfeld stellen muss. Dazu gehören auch Maßnahmen, um der Aktienkultur wieder auf die Sprünge zu helfen.

GoingPublic: Herr Bommer, das Motto der diesjährigen DIRK-Konferenz beginnt mit den Fragen „Liquidität wohin? Finanzierung woher?“. Wie lauten Ihre Antworten?
Bommer: Wir stellen die Fragen deshalb, weil sie nicht leicht zu beantworten sind: Auf der einen Seite suchen Investoren in Zeiten billigen Geldes und teils negativ verzinster Staatsanleihen verzweifelt nach Anlagemöglichkeiten. Auf der anderen Seite wird die Bankenfinanzierung aufgrund von Basel III für Unternehmen aller Größenordnungen immer schwieriger. Daher sind sie auf alternative Finanzierungsformen angewiesen. Die Nachfrage nach Anlagemöglichkeiten und der Finanzierungsbedarf der Unternehmen scheinen derzeit jedoch nicht zueinander zu finden. Warum sehen wir z.B. keine großen Börsengänge? Dieser Herausforderung müssen wir uns stellen.

GoingPublic: Wie lauten Ihre Lösungsvorschläge? Warum ist laut Ihrem Konferenzmotto dabei „IR in der Schlüsselrolle“?
Bommer: Weil Investor Relations (IR) die entscheidende Schnittstelle zwischen Unternehmen und Kapitalmarkt bildet. Durch den Abbau von Informationsasymmetrien soll IR Anlegern die realistische Leistungskraft des Unternehmens vermitteln. Auf der anderen Seite trägt IR die Erwartungen und Meinungen des Marktes in die Unternehmen hinein. Hier können IR in Unternehmen und der DIRK als Verband einen Beitrag zu einem funktionierenden Kapitalmarkt, der Angebot und Nachfrage transparent zusammenführt, leisten. Deshalb nimmt IR eine Schlüsselrolle ein. Es geht darum, dass wieder mehr von der reichlich vorhandenen Liquidität in die Aktie fließt.

GoingPublic: Wo hapert es denn speziell bei den Privatanlegern? Die Aktienbesitzquote in Deutschland ist ja nach wie vor auf einem niedrigen Niveau …
Bommer: Das hat zum einen kulturelle Gründe: Die Deutschen bevorzugen stabile, also festverzinsliche Anleihen. Die Volatilität von Aktien schreckt eher ab. Der Neue Markt und die Lehman-Pleite sind nur einige Stichworte, die negativ mit der Aktie in Verbindung gebracht werden. In der öffentlichen Wahrnehmung sind die Kapitalmärkte seit Herbst 2008 weltweit in Misskredit geraten – als wären Börsen, Aktien und Derivate der Grund allen Übels. Dass der DAX derzeit auf einem Allzeithoch steht und Aktien in den letzten Jahren eine durchschnittliche Rendite von 8% erzielten, wird dabei ausgeblendet.

GoingPublic: Wie lässt sich die breite Öffentlichkeit von den Vorteilen der Aktie überzeugen?
Bommer:
Mit guten Argumenten: Ein funktionierender Kapitalmarkt ist Teil der Lösung drängender Probleme. Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels und einer instabilen gesetzlichen Altersversorgung kommt der Aktie und damit der Partizipation am wertschöpfenden Eigentum eine besondere Rolle zu. Ein weiterer Megatrend ist die Nachhaltigkeit: Wenn die Energiewende erfolgreich umgesetzt werden soll, sind unternehmerisches Risiko und intelligente Investitionen in neue Technologien erforderlich. Auch hier ist die Aktie das geeignete Instrument. Um das der Öffentlichkeit näher zu bringen, müssen die Grundsätze guter IR angewendet werden. Das ist aber keine Aufgabe, die der DIRK alleine übernehmen kann. Die Herausforderungen gehen über die Grenzen von IR hinaus.

GoingPublic: Wer ist außerdem gefordert?
Bommer:
Zunächst sind die Banken gefragt. Sie verdienen viel Geld mit Derivaten und strukturierten Produkten. Hier muss ein Umdenken stattfinden: Man kann nicht nur in Derivate investieren, es bedarf eines Underlyings durch die Aktie. Das müssen auch die Banken erkennen. Zudem müssen die regulatorischen Rahmenbedingungen stimmen: Während zur Jahrtausendwende das Credo noch lautete „Der Markt regelt sich selbst“, ist der Kapitalmarkt heute überreguliert.

GoingPublic: Wie meinen Sie das genau?
Bommer:
Bei den gegenwärtigen gesetzlichen Anforderungen verwundert es nicht, dass sich immer weniger Unternehmen an die Börse wagen. Insbesondere die Berichtspflichten, die nur mit Hilfe von Juristen zu durchschauen sind, halten viele Unternehmen vom Kapitalmarkt ab. Würde nun auch noch eine Transaktionssteuer eingeführt, wäre das Gift. Sie würde die Flucht von Anlegern und Emittenten aus dem Kapitalmarkt nur noch beschleunigen. Was wir brauchen, ist keine Überregulierung, sondern angemessene Rahmenbedingungen und eine gesunde Aktienkultur. Dafür müssen Politik, Banken, Verbände, Investoren und Unternehmen gemeinsam sorgen. Der Kapitalmarkt muss raus aus der öffentlich wahrgenommenen „Schmuddelecke“, in der er heute steht.

GoingPublic: Welche Rolle übernimmt der DIRK dabei?
Bommer: Gemeinsam mit anderen Verbänden wie dem Deutschen Aktieninstitut setzen wir uns für die Sensibilisierung der Gesellschaft für das Thema „Aktie“ ein. Wir müssen uns verstärkt in die gesellschaftliche und politische Diskussion einbringen, auch über den Tellerrand von IR hinaus. Themen wie der demografische Wandel, nachhaltiges klimaschonendes Wirtschaften und die Stabilität unseres Wirtschaftssystems benötigen auch die Stimme des Kapitalmarkts.

GoingPublic: Wie könnten konkrete Maßnahmen aussehen?
Bommer:
Wir fordern z.B., bereits im Schulunterricht Wirtschafts- und Kapitalmarktwissen zu vermitteln. Und wir wirken in zahlreichen öffentlichen Diskussionen über alle kapitalmarktrelevanten Themen aktiv mit. Um das Thema Aktienkultur auch kurzfristig stärker ins Bewusstsein der Öffentlichkeit zu rücken, werden wir am ersten Tag der DIRK-Konferenz den „Tag der Aktie“ ausrufen.

GoingPublic: Was hat es damit genau auf sich?
Bommer: Der Tag der Aktie soll ein Startschuss sein für ein verstärktes Engagement aller Kapitalmarktteilnehmer, um der Aktie dauerhaft und nachhaltig zu der Akzeptanz zu verhelfen, die ihr gebührt. Der Kapitalmarkt braucht eine deutlich wahrnehmbare Stimme in der breiten Öffentlichkeit.

GoingPublic: Herr Bommer, vielen Dank für die interessanten Einblicke!

Das Interview ist erschienen im GoingPublic Magazin 6/2013.

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