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Lange hinkte der Finanzstandort Deutschland bei der Digitalisierung hinterher – denn im deutschen Wertpapierrecht fehlte eine systematische Regelung für elektronische Wertpapiere. Vielmehr mussten Wertpapiere zwingend in effektiven Urkunden (Effekten) verbrieft und bei Clearstream zur Girosammelverwahrung hinterlegt werden. Nicht verbriefte Rechte, sogenannte Wertrechte, konnten nur von der öffentlichen Hand begeben werden. Das hat sich nun binnen kurzer Zeit geändert, auch der jetzt vorliegende Regierungsentwurf zum Zukunftsfinanzierungsgesetz (ZuFinG) bringt Fortschritte. Ein Überblick, was jetzt möglich ist.

Wer in Deutschland elektronische Wertpapiere zum Zweck der Unternehmensfinanzierung nutzen wollte, für den bestanden erhebliche rechtliche Unsicherheiten in Bezug auf die Emissionsvoraussetzungen – genauso wie für Investoren in Hinblick auf Insolvenz und Zwangsvollstreckung. Eine Modernisierung des Wertpapierrechts war also überfällig.

Den Grundstein legte das am 9. Juni 2021 in Kraft getretene Gesetz zur Einführung elektronischer Wertpapiere (eWpG). Hinzu kamen die Einführung eines Erlaubnistatbestands für Kryptowertpapiere im Kreditwesengesetz (KWG) und die Novellierung der bei Security Token Offerings (STOs) zu beachtenden Bestimmungen des Prospektrechts, der Börsenzulassung und des Depotgesetzes.

Seitdem können auch in Deutschland elektronische und andere digital abgebildete Wertpapiere unter Nutzung der Distributed-Ledger-Technologie (DLT), insbesondere der Blockchain, rechtssicher im Wege öffentlicher Angebote begeben werden.

Elektronische Wertpapiere nach eWpG

Die Ausgabe des elektronischen Wertpapiers erfolgt nicht durch Verbriefung in einer Papierurkunde, sondern durch Eintragung in ein elektronisches Register. Mit der Eintragung entfaltet das elektronische Wertpapier dieselbe Rechtswirkung wie eine physische Papierurkunde und kann über eine gesetzliche Fiktion als „Sache“ übertragen werden, was Eigentumsschutz bei Insolvenz und Zwangsvollstreckung gewährleistet.

Das Register kann als zentrales Register oder als Kryptowertpapierregister geführt werden, sodass je nach Art der Registerführung zwischen Zentralregisterwertpapier und Kryptowertpapier unterschieden wird. Das Zentralregisterwertpapier wird im zentralen Register der Wertpapierinhaber von einer zugelassenen Wertpapiersammelbank (Clearstream in Deutschland) oder ggf. einer Depotbank eingebucht. Beim Kryptowertpapier wird unter Nutzung der Blockchain-Technologie ein dezentrales Kryptowertpapierregister geführt – den Registerführer kann der Emittent selbst bestimmen.

Das eWpG sieht die Ausgabe elektronischer Wertpapiere bisher nur in Form von Inhaberschuldverschreibungen vor. Erfasst sind Unternehmens- und Wandelanleihen genauso wie Pfandbriefe, Geldmarktinstrumente, ASB, CBD, ETF und Anleihen der öffentlichen Hand, aber auch Namensschuldverschreibungen, die auf eine Wertpapiersammelbank lauten – sprich Globalanleihen, die sowohl in Deutschland als auch in den USA zum Handel zugelassen sind.

Security Token

Daneben können aber auch Aktien oder wertpapierähnliche Instrumente über sogenannte Security Token emittiert werden. Die BaFin stuft sie als „Wertpapier sui generis“ ein. Der Tokeninhaber erhält gegen den Ausgeber des Tokens wertpapierähnliche Rechte – z.B. auf Rückzahlung, Beteiligung am Gewinn oder Gesellschaftsanteile des Unternehmens. Eine Verbriefung ist nicht erforderlich. Ausreichend ist, dass Tokeninhaber und die im Token verkörperten Rechte anhand der DLT oder Blockchain dokumentiert werden. In der Praxis werden STOs für vorbörsliche Aktien und üblicherweise nicht wertpapierverbriefte Beteiligungen, z.B. Kommanditanteile eingesetzt, um prospektrechtliche Vorteile gegenüber Vermögensanlagenangeboten nutzen zu können. Die Registerführung übernimmt der Emittent selbst, um Tokenausgabe, Zahlungen und ggf. die Rücknahme der Token abwickeln zu können.

Bis heute sind ca. 20 STOs mittels elektronischer Wertpapiere in Deutschland durchgeführt worden. Neben der DekaBank, der Deutschen Bank und der Privatbank Hauck Aufhäuser und Lampe zählen derzeit vor allem kleine und mittelständische Unternehmen zu den Emittenten elektronischer Wertpapiere. Die Bankenangebote dienten vornehmlich dem Test der eingesetzten technischen Systeme und Softwareanwendungen.

Einheitliche Emissionsanforderungen

Für elektronische Wertpapiere und andere digitale Wertpapiere gelten dieselben rechtlichen Rahmenbedingungen wie bei klassischen Emissionen. Auch hier sind Private Placements und öffentliche Angebote zulässig. Bei Emissionen ab einem Volumen von 8 Mio. EUR besteht die Prospektpflicht. Bei prospektfreien Emissionen sind besondere Pflichtangaben auf Basis eines Wertpapier-Informationsblatts notwendig.

Token: schneller und kostengünstiger

Die Verbriefung führt zu einem erheblichen zeitlichen und finanziellen Aufwand bei Begebung, Übertragungen, Zahlungsabwicklungen und Investor Relations mit Kosten für Verwahrer, Zahlstelle und Bekanntmachungen. Die Vorteile von Token: Der Zentralverwahrer fällt weg, sodass keine Kosten für die Verwahrung und geringere Kosten für Übertragungen und Zahlungsdurchführungen anfallen. Übertragungen erfolgen in Echtzeit.

Fazit und Ausblick

Mit elektronischen und anderen digitalen Wertpapieren können Unternehmen neue Investorenkreise, insbesondere die DLT-/blockchainaffine Gemeinde ansprechen, die derzeit vornehmlich in Crowdfunding-Angebote investiert. Die Emission elektronischer Wertpapiere und STOs tritt als zeitgemäße Form der Unternehmensfinanzierung neben die „klassische“ Effektenemission. Die ersten Testangebote von Banken wurden seit Ende 2021 erfolgreich platziert. Ebenso haben KMU diesen Weg erfolgreich genutzt.

Auf europäischer Ebene wurde am 2. Juni 2022 die Verordnung für das sogenannte DLT Pilot Regime erlassen. Damit wird erstmals ein Rechtsrahmen für den Handel und die Abwicklung DLT-/blockchainbasierter Finanzinstrumente ohne zwischengeschaltete Intermediäre am Sekundärmarkt geschaffen.

Brandaktuell ist das Zukunftsfinanzierungsgesetz (ZuFinG), mit dem der deutsche Gesetzgeber die Digitalisierung am Kapitalmarkt weiter vorantreiben will. Nach  Vorstellung der Eckpunkte am 29. Juni 2022 legte das Bundesfinanzministerium nun am 12. April 2023 einen Referentenentwurf vor. Mit einer Änderung des Aktiengesetzes wird die Begebung elektronischer Namensaktien durch Eintragung in ein zentrales Register oder in ein Kryptowertpapierregister ermöglicht.  Gleiches gilt für die Ausgabe elektronischer Inhaberaktien durch Eintragung in ein zentrales Register.  Für eine rechtssichere Übertragung von anderen Kryptowerten werden europäische Vorgaben zum Schutz des von Kryptoverwahrern verwahrten Kundenvermögens umgesetzt und der Umgang mit Kryptowerten im Insolvenzfall geregelt.

Die Digitalisierung des Kapitalmarkts schreitet also weiter voran.

Autor/Autorin

Dr. Matthias Gündel

Rechtsanwalt Dr. Matthias Gündel ist Geschäftsführer der auf Kapitalmarktrecht spezialisierten Kanzlei GK-law.de mit Sitz in Göttingen. Er berät seit mehr als 20 Jahren deutschlandweit Gründer und Start-ups genauso wie Familienunternehmen und Emissionshäuser. Zu seinen Schwerpunkten gehört u.a. die Beratung zu Kryptoanlageprodukten, Security Token Offerings sowie damit zusammenhängenden aufsichtsrechtlichen Anforderungen.

Christina Gündel

Christina Gündel ist Rechtsanwältin mit Schwerpunkt Aufsichts- und Vertriebsrecht für Finanzdienstleister und betreut insbesondere Erlaubnis- und Registrierungs-mandate.