Neuregelung zur Vorstands- und Aufsichtsratsvergütung im ARUG II

Einer der zentralen Punkte der anstehenden Aktienrechtsreform betrifft die Vergütung für Vorstand und Aufsichtsrat. Ziel ist die Verhinderung von „Gehaltsexzessen“ durch ein Bündel von Maßnahmen. Der deutsche Gesetzgeber hat nunmehr einen Gesetzesentwurf vorgelegt, der diese Vorgaben umsetzt. Die neuen Regelungen, die nur für im Regulierten Markt notierte Gesellschaften gelten, lassen sich im Kern in drei Blöcke aufteilen: Erstellung einer Vergütungspolitik für den Vorstand, ein zwingendes „Vergütungsvotum“ durch die Hauptversammlung für den Vorstand, Erstellung eines Vergütungsberichtes und Anpassung der Aufsichtsratsvergütung an ein ähnliches System. Von Dr. Mirko Sickinger und Dr. Thorsten Kuthe

Vergütungspolitik für den Vorstand

Robert Kneschke - stock.adobe.com
Robert Kneschke – stock.adobe.com

Künftig muss der Aufsichtsrat eine sogenannte Vergütungspolitik für den Vorstand festlegen. Es handelt sich dabei um Leitlinien, an denen der Aufsichtsrat sich bei der Festlegung der individuellen Vergütung für die einzelnen Vorstände orientiert. Das Gesetz listet Mindestangaben auf, die in der vom Aufsichtsrat zu beschließenden Vergütungspolitik enthalten sein müssen, aber nur, soweit die entsprechenden Bestandteile tatsächlich vorgesehen sind. In der Praxis ist zu erwarten, dass sich hier eine Mischung aus Standardtexten einerseits und individuell an die einzelne Gesellschaft angepassten Texten anderseits entwickelt.

Ab in die Hauptversammlung damit

Der Aufsichtsrat muss der Hauptversammlung mindestens alle vier Jahre eine Vergütungspolitik zur Beschlussfassung vorlegen. Stimmt die Hauptversammlung dem Vorschlag des Aufsichtsrats zu, muss der Aufsichtsrat grundsätzlich die individuelle Vorstandsvergütung in Übereinstimmung mit einer der Hauptversammlung vorgelegten Vergütungspolitik festsetzen. Das Gesetz erlaubt dem Aufsichtsrat, in besonderen Situationen von der Vergütungspolitik abzuweichen.

Interessanter ist die Frage, was passiert, wenn die Hauptversammlung einen vorgelegten Vorschlag des Aufsichtsrats für die Vergütungspolitik ablehnt. Die Antwort: theoretisch gar nichts. Der Aufsichtsrat darf auch eine abgelehnte Vergütungspolitik umsetzen. Der Hauptversammlungsbeschluss hat lediglich empfehlenden Charakter. In der Praxis ist allerdings nicht sehr wahrscheinlich, dass ein Aufsichtsrat, der ja immerhin von der Hauptversammlung gewählt wird, offensiv eine Politik umsetzt, die von der Mehrheit der Hauptversammlung abgelehnt wurde. Wenn die Hauptversammlung die vorgelegte Politik nicht billigt, so hat der Aufsichtsrat jedenfalls der nächsten Hauptversammlung eine „überprüfte“ Vergütungspolitik (zwingend) vorzulegen. Hinsichtlich der Bindungswirkung des Hauptversammlungsbeschlusses über die Vorlage einer überprüften Vergütungspolitik gilt das Gleiche wie vorher.

In Übereinstimmung mit dem bisherigen Recht soll die Anfechtbarkeit des Beschlusses zur Vergütungspolitik ausgeschlossen sein. Das ist auch sinnvoll, da der Beschluss eben nur empfehlenden Charakter hat. Beschluss und Vergütungspolitik sind unverzüglich im Internet zu veröffentlichen, insoweit wird Transparenz hergestellt.

Die Aufsichtsratsvergütung

Die durch das ARUG II geregelten Neuerungen betreffen auch die Vergütung des Aufsichtsrats. Die Hauptversammlung muss daher ein Votum auch zur Vergütungspolitik für den Aufsichtsrat abgeben.

Anders als beim Vorstand lag die Vergütung des Aufsichtsrats schon vorher in der Kompetenz der Hauptversammlung. Die Vergütung konnte in der Satzung festgesetzt werden oder durch Bewilligung der Hauptversammlung erfolgen. Neu ist hier allerdings, dass mindestens alle vier Jahre über die Vergütung der Aufsichtsratsmitglieder Beschluss zu fassen ist. Der Beschluss muss künftig die neuen Vorgaben zur Vergütungspolitik in allgemein verständlicher Form enthalten. Variable erfolgsabhängige Vergütungsbestandteile für den Aufsichtsrat sind grundsätzlich zulässig, in der Praxis bislang aber noch selten.

Im Falle der Aufsichtsratsvergütung erfolgt der Beschluss über die abstrakte Vergütungspolitik und die konkrete Vergütung nach dem Willen des Gesetzgebers in einem Akt. Eine bewährte Vergütungsregelung kann durch einen bestätigenden Beschluss mit einfacher Mehrheit beibehalten werden, und zwar unabhängig davon, ob die betreffende Vergütung ursprünglich in der Satzung oder durch Beschluss festgesetzt wurde.

Der Hauptversammlungsbeschluss über die Aufsichtsratsvergütung ist – ebenso wie beim Vorstand – nicht wegen eines Verstoßes gegen die Angabepflichten zur Vergütungspolitik anfechtbar. Der Beschluss muss auf der Internetseite der Gesellschaft veröffentlicht werden.

Vergütungsbericht

Vorstand und Aufsichtsrat haben jährlich einen Vergütungsbericht über die im letzten Geschäftsjahr gewährte oder geschuldete Vergütung jedes einzelnen Mitglieds des Vorstands und des Aufsichtsrats der Gesellschaft zu erstellen. Der Vergütungsbericht ist durch den Abschlussprüfer zu prüfen und muss der Hauptversammlung zur Billigung vorgelegt werden. Für börsennotierte kleine und mittelgroße Gesellschaften (KMU) gilt die Erleichterung, dass kein Hauptversammlungsbeschluss über den Vergütungsbericht, sondern nur die Vorlage in der Hauptversammlung zur Erörterung erforderlich ist. Der Vergütungsbericht ist auf der Internetseite der Gesellschaft mindestens zehn Jahre kostenfrei öffentlich zugänglich zu machen.

Ausblick

Die Änderungen sind von teils erheblicher praktischer Bedeutung. In der Praxis werden größere Aktionäre mehr Einfluss auf die Organvergütung nehmen. Aufsichtsräte werden kritischer als bisher „beobachtet“, sodass auch die Tendenz zunehmen wird, sich bei der Vergütungsstruktur rechtlich und wirtschaftlich beraten zu lassen. Formal müssen die Emittenten sich auf die neuen Anforderungen einstellen und sollten das Jahr 2019 zur Vorbereitung nutzen.

Dieser Artikel erschien ursprünglich in der Jahresausgabe Kapitalmarktrecht 2019 des GoingPublic Magazins.

ZU DEN AUTOREN Dr. Mirko Sickinger, LL.M. ist Rechtsanwalt und Partner im Kölner und Frankfurter Büro der Sozietät Heuking Kühn Lüer Wojtek. Er berät schwerpunktmäßig im Kapitalmarktrecht, im Bereich Gesellschaftsrecht sowie M&A. Die von ihm beratenen Transaktionen umfassen IPOs und Secondary Offerings, Anleiheplatzierungen, öffentliche Übernahmeangebote und Unternehmenskäufe privat gehaltener Gesellschaften. Dr. Thorsten Kuthe ist Partner am Kölner Standort von Heuking Kühn Lüer Wojtek. Er ist Experte u.a. für Börsengänge (Equity und Debt), PrivateEquity- und M&A-Transaktionen.