Dieser Artikel ist Teil des neuen HV Magazins 1/2025, welches am 28.02.2025 als E-Paper erscheint.

 

Vielfach glauben Aktionäre, die Tätigkeit des Versammlungsleiters bestehe aus dem Ablesen des Leitfadens. Dies würde die Aufgaben eines gewissenhaften Versammlungsleiters aber sehr reduziert beschreiben. Die Vorbereitung auf eine professionelle Leitung der Hauptversammlung beginnt weit im Voraus.

Haftungsfrage klären

Im Aktiengesetz findet sich keine Bestimmung, wer die Hauptversammlung leitet. Bei den meisten Gesellschaften enthält die Satzung einen Passus, wer als Versammlungsleiter bestimmt wird. In der Regel ist dies der Vorsitzende des Aufsichtsrats. Das Amt des Versammlungsleiters ist rechtlich jedoch nicht zwingend mit der Funktion des Aufsichtsratsvorsitzenden verknüpft; es handelt sich vielmehr um eine zusätzliche Aufgabe. Daraus folgt, dass für die Über­nahme der Versammlungsleitung auch ein gesondertes Haftungsregime besteht. Ein Versammlungsleiter, auch wenn er Aufsichtsratsvorsitzender der Gesellschaft ist und ihm die Satzung die Leitung zuschreibt, sollte daher vor Übernahme des Amts Art und Weise seiner Haftung für etwaige ­Leitungsfehler abklären.

HV-Termine im Blick haben

Die Verantwortung für die Beachtung der wichtigsten aktienrechtlichen Termine liegt bei der Gesellschaft und nicht beim Versammlungsleiter. Trotzdem sollte auch dieser folgende Termine im Blick ­haben:

  • Einberufung im Bundesanzeiger: Mittels Aufruf der Einberufung unter www.bundesanzeiger.de kann sich der Versammlungsleiter von der termin­gerechten und vollständigen Veröffentlichung überzeugen. Gemäß § 124 Abs. 4 AktG dürfen Beschlüsse nur zu ­ordnungsgemäß bekannt gemachten Gegenständen der Tagesordnung gefasst werden. Die fristgerechte Ver­öffentlichung im Bundesanzeiger bildet hier die Basis.
  • Ende der Frist für Ergänzungsverlangen: Erst nach Ablauf der Frist des § 122 Abs. 2 AktG ist der Umfang der in der HV zu behandelnden Beschlussfassungen final. Als Versammlungsleiter sollte man sich nach Ablauf der Frist bestätigen lassen, dass es bei den von der ­Verwaltung vorgeschlagenen Beschlüssen bleibt. Unmittelbar nach Fristablauf sollte vorsorglich eine Aufsichtsrats­sitzung terminiert werden. Für den Fall, dass ein Ergänzungsverlangen eingeht, kann der Aufsichtsrat so rasch informiert werden und ggf. eine Stellungnahme und Abstimmempfehlung hierzu verabschieden.
  • Ende der Frist für Gegenanträge bzw. Wahlvorschläge: Nach Ablauf der Frist für Gegenanträge bzw. Wahlvorschläge (§ 126 Abs. 1 AktG) kann der Versammlungs­leiter den Ablauf der Versammlung weiterplanen. Fragen wie „Gibt es Gegenkandidaten bei der Aufsichtsratswahl“ oder ein durch die Aktionäre vorgeschlagenes vom Verwaltungsvorschlag ab­weichendes Stimmverhalten müssen bei der Festlegung der Reihenfolge der Behandlung und Abstimmung der Tagesordnungspunkte berücksichtigt und in den Leitfaden eingearbeitet werden. Anzahl und Inhalt der Anträge sind zudem Indikatoren für die zu erwartenden Themen und die Kritikalität der Versammlung.
  • Letzter Anmeldetag: Nach Ablauf der Anmeldefrist steht fest, welche Aktionäre sich mit welchen Aktienstückzahlen angemeldet haben. Die Summe aller gemeldeten Aktien ergibt den Meldebestand. Der Versammlungsleiter erhält damit eine Information, wie hoch die zu erwartende Präsenz sein wird. Daraus kann der Leiter unter anderem Mehrheitsverhältnisse bei den Beschlussfassungen ableiten. Zählt er die Personen auf der Meldeliste und zieht dann ca. 30% „no-show-rate“ ab, weiß er, wie groß der Besucherandrang sein wird.

Auf Basis dieser finalen Meldeliste kann der Versammlungsleiter auch prüfen, ob namentlich bekannte Aktionäre, welche bereits früher in Erscheinung getreten oder von anderen Versammlungen bekannt sind, angemeldet und die Ankeraktionäre sowie Aktienbestände von Vorstand und Aufsichtsrat im Meldeverzeichnis enthalten sind.

Der Versammlungsleiter ist gehalten, sicherzustellen, dass nur gültige Stimmen in das Abstimmungsergebnis ­einfließen. In diesem Zusammenhang sollte der Versammlungsleiter prüfen, ob zu allen Anmeldungen, die größer als die einschlägigen Meldeschwellen sind, der Gesellschaft die nötigen Stimmrechtsmitteilungen vorliegen. Eine frühzeitige Prüfung der Meldeschwellen erlaubt ggf. noch Korrekturen.

Ebenso kann er vorbereiten, welche Stimmen von Vorstand und/oder Aufsichtsratsmitgliedern nach § 136 Abs. 1 AktG bei den Entlastungsbeschlüssen nicht mitstimmen dürfen. Zur Vorbereitung gehört auch, mögliche Stimmverbote bei einer ankündigungsfreien Sonderprüfung nach § 142 Abs. 1 AktG festzulegen.

Leitfaden

Meist wird ein erster Entwurf des Leitfadens von der Rechtsberatung bzw. dem HV-Dienstleister erstellt. Der Versammlungsleiter sollte aber, wo möglich, seine „persönliche Note“ einbringen. Dies können die einleitenden Worte zur Eröffnung der HV, die Begrüßung der Aktionäre o.Ä. sein.

Wesentlich ist, den Text des Leitfadens auf Lesbarkeit zu prüfen. Lange, verschachtelte Sätze sind nicht nur schwierig vorzutragen, sondern werden auch von den Aktionären schwer verstanden. Um als Versammlungsleitung authentisch zu wirken, sollte auch die Wortwahl im Leitfaden zum Versammlungsleiter passen.

Jeder Versammlungsleiter hat zudem seine Präferenz bezüglich Schriftgröße und Seitenumbrüche – dies kann ebenfalls im Vorfeld der HV geklärt werden.

Auch wenn die vom Versammlungsleiter vorgenommenen Änderungen unwesentlich erscheinen, sollte der finale Leitfaden nochmals rechtlich freigegeben werden.

Gut beraten ist der Versammlungsleiter, wenn er sich mit den Dimensionen (Millionen oder Milliarden?) des Grundkapitals, der erwarteten Anzahl der präsenten Stimmen und Ähnlichem vertraut macht. Dies erleichtert eine Verlesung von gereichten Formularen wie Präsenzliste und Abstimmungsergebnissen.

Der Versammlungsleiter sollte, wo möglich, seine „persön­liche Note“ einbringen. Dies können die einleitenden Worte zur Eröffnung der HV, die Begrüßung der Aktionäre o.Ä. sein.

Vortag der HV

Neben der finalen Meldeliste sollten nun auch der Großteil der Weisungen an den Stimmrechtsvertreter bzw. die Briefwahlstimmen vorliegen. In Verbindung mit der Meldeliste kann der Leiter plausible ­Erwartungen an die Ergebnisse der ­Beschlussfassungen aufstellen. Der Versammlungsleiter bestimmt die Reihenfolge der Abstimmungen. Bei mehreren, sich widersprechenden Anträgen zu einem Tagesordnungspunkt ist er gehalten, zunächst den Antrag zur Abstimmung zu bringen, der objektiv die größte Erfolgsaussicht hat.

Zeitschiene erarbeiten

Aus rechtlichen Gründen muss die Hauptversammlung an dem Tag beendet werden, für den sie einberufen worden ist – ­also bis Mitternacht. Gerade bei kritischen Versammlungen kann dies eine Heraus­forderung werden. Hier sollte sich der ­Versammlungsleiter eine vom Ende der HV gerechnete Zeitschiene zurechtlegen. ­Diese Planung umfasst:

  • Beginn der Abstimmung,
  • Schluss der Rednerliste sowie
  • gestaffelte Zeiten der Begrenzung von Rede- und Fragezeit.

Fazit

Je besser die Vorbereitung im Vorfeld, umso entspannter und spannender kann der Versammlungsleiter am Tag der Hauptversammlung durch die Veranstaltung führen und deutlich kompetenter auf über­raschende Situationen im Tagesablauf ­reagieren. Getreu dem Motto „Vorbereitung ist das halbe Leben“ – oder ein wichtiger Faktor für eine erfolgreiche HV.

Autor/Autorin

Bernhard Orlik

Vorstand, HCE Consult AG