Frequentis ist seit 2019 börsennotiert und hat sich in den vergangenen Jahren stark entwickelt. Im Interview spricht CEO Norbert Haslacher über die aktuelle Geschäftslage, die zentralen Wachstumstreiber, Chancen und Risiken im Verteidigungsund zivilen Bereich sowie die Perspektiven für Aktionäre.

Frequentis AG (ISIN: ATFREQUENT09)

Foto: © stock3

GoingPublic: Herr Haslacher, 2019 haben Sie den Schritt an die Börse gewagt. Die Aktie startete damals bei 18 EUR, die Marktkapitalisierung lag bei 210 Mio. EUR. Heute sind wir bei über 750 Mio. EUR. Wie blicken Sie auf diesen Weg zurück?
Haslacher: Der Börsengang war für uns ein wichtiger Schritt, um das Wachstum langfristig zu finanzieren und internationale Sichtbarkeit zu gewinnen. Dass wir mittlerweile beim Dreifachen des IPO-Preises notieren, freut uns natürlich. Wir sehen darin die Bestätigung, dass Frequentis im richtigen Markt unterwegs ist. Gerade die letzten zwölf Monate haben gezeigt, dass wir trotz geopolitisch und ökonomisch schwieriger Zeiten deutlich wachsen können – sowohl beim Umsatz als auch beim Auftragseingang.

Werbung

Sie haben gerade Ihre aktuellen Zahlen veröffentlicht. Wie lief das erste Halbjahr
2025?
Wir hatten ein sehr starkes erstes Halbjahr. Der Auftragsstand ist im Vergleich zum Vorjahr um 23% auf 764 Mio. EUR gestiegen. Das entspricht etwa eineinhalb Jahresumsätzen. Zählt man die bereits budgetierten, aber noch nicht unterschriebenen Erweiterungen
hinzu, liegt unser Volumen sogar bei rund 1,5 Mrd. EUR. Das gibt uns eine sehr gute Basis für die kommenden Jahre.

Was treibt dieses Wachstum? Spielen die geopolitischen Spannungen und die Militärkonjunktur die zentrale Rolle?
Natürlich hat die verschärfte Sicherheitslage einen großen Einfluss. Aber wir sehen drei wesentliche Megatrends.
• Erstens: Die weltweite Sicherheitslage hat sich verschlechtert. Kriege, Cyberangriffe und geopolitische Unsicherheiten führen dazu, dass Staaten massiv in sicherheitskritische Infrastrukturen investieren.
• Zweitens: Mobilität. Der weltweite Luftverkehr wächst, Airbus, Boeing oder Embraer
liefern jedes Jahr Hunderte neue Flugzeuge aus. Diese müssen sicher in die bestehenden Lufträume integriert werden – dafür braucht es moderne Bodeninfrastrukturen. Ein besonderer Schwerpunkt liegt in Asien, wo derzeit viele neue Flughäfen entstehen.
• Drittens: Technologiewechsel. Kontrollzentralen sind traditionell sehr konservativ. Doch auch hier setzt sich Digitalisierung durch. Cloudinfrastrukturen, Virtualisierung und KI-gestützte Systeme werden immer wichtiger. Die Lotsen sollen durch digitale Systeme von
Routineaufgaben entlastet werden, um sich auf sicherheitskritische Entscheidungen
konzentrieren zu können. Diese drei Trends spielen uns in die Hände.

Welche Rolle spielt dabei das Verteidigungsgeschäft?
Der militärische Anteil liegt bei rund 20% unseres Umsatzes. Zwar rechnen wir mit weiterem Wachstum in diesem Segment – Drohnenabwehr ist hier ein gutes Beispiel –, gleichzeitig wächst aber auch unser ziviles Geschäft stark. Besonders die FAA in den USA investiert derzeit massiv in die Modernisierung der Flugsicherung, und wir sind dabei ein zentraler Partner. Das führt dazu, dass der Anteil des militärischen Geschäfts prozentual sogar leicht zurückgeht.

Sie sprechen Drohnen an – können Sie das noch näher erläutern?
Drohnen haben seit dem Ukrainekrieg eine völlig neue Bedeutung. Sie sind aus der Kriegsführung nicht mehr wegzudenken – ob Luft-, See- oder Bodendrohnen. Für uns heißt das: Wir müssen Technologien liefern, die Freund-Feind-Erkennung ermöglichen und Gegenmaßnahmen unterstützen. In Deutschland haben wir den ersten Auftrag der Bundeswehr erhalten, ein System zur Identifikation von Drohnen zu entwickeln. Aber auch im zivilen Bereich sind Drohnen ein Wachstumsfeld – Stichwort „Remote Tower“. In Europa sind wir hier bereits etabliert, in den USA warten wir aktuell noch auf die Zertifizierung. Wenn wir diese erhalten, wären wir der einzige zugelassene Anbieter für den US-Luftraum. Frequentis investiert stark in Forschung und Entwicklung. Wie hoch sind die Budgets? Wir investieren jährlich rund 30 Mio. EUR in R&D, und das ohne Aktivierung in der Bilanz – also direkt aus dem laufenden Ergebnis. Letztes Jahr haben wir 32 Mio. EUR EBIT erwirtschaftet, ein erheblicher Teil davon floss in Innovationen. Ein Schwerpunkt ist dabei unser neues Produkt „MCX – Mission Critical Services“. Es ersetzt das alte TETRA- System,
das nur Sprache und Text überträgt. Künftig können Einsatzkräfte verschlüsselt Videound
Massendaten über LTE und 5G austauschen. Das ist für Polizei, Feuerwehr und Rettungskräfte ein entscheidender Schritt.

Lassen Sie uns über die Aktie und die Sicht der Aktionäre auf Ihre Zahlen sprechen. Schon jetzt kann man ja zur Entwicklung gratulieren. Wie sehen Ihre Ziele für 2025 aus?
Wir erwarten mindestens 10% Umsatzwachstum – nach einer ersten Prognose haben
wir das sogar noch einmal nach oben angepasst. Beim EBIT peilen wir eine Marge zwischen 6,5% und 7% an. Für 2025 dürfte der Umsatz also in Richtung 550 Mio. EUR gehen.

Wie sieht es auf der Investorenseite aus? Gibt es neue Aktionäre?
Unsere Eigentümerstruktur ist sehr stabil. Der Haupteigentümer hält weiterhin 68%. Gleichzeitig haben wir unsere Investorenbasis international verbreitert. Mittlerweile
haben wir Investoren nicht nur aus Deutschland, Österreich und der Schweiz, sondern auch aus Skandinavien, Kanada, den USA und Australien. Das hängt auch mit der gestiegenen Sichtbarkeit durch unsere Rolle bei der Modernisierung der US-Flugsicherung zusammen.

Sie haben seit dem Börsengang zehn Unternehmen übernommen. Welche Strategie verfolgen Sie bei Akquisitionen?
Unsere Strategie hat zwei Dimensionen: Zum einen kaufen wir Technologien, die wir nicht selbst entwickeln wollen, um schneller am Markt zu sein. Zum anderen erweitern wir unser Produktportfolio, um unseren bestehenden Kunden mehr Lösungen anbieten zu können. Wir haben über 500 Behördenkunden in 150 Ländern – für uns ist es einfacher, bei diesen Kunden zusätzliche Produkte zu platzieren, als ganz neue Märkte zu erschließen. Wir analysieren jährlich 25 bis 30 Unternehmen. Nur wenige kommen infrage, weil die Bewertungserwartungen oft weit über unseren Vorstellungen liegen. Aber wir trauen uns mittlerweile auch größere Übernahmen zu – die Integrationsprozesse haben wir gelernt.

Wo sehen Sie Ihre größten Herausforderungen?
Das Wachstum ist da, die Aufträge sind da – die größte Herausforderung sind die Menschen. Unsere Projekte sind sehr wissensintensiv. Wir bekommen zwar jährlich Tausende Bewerbungen, aber es dauert ein Jahr, um neue Mitarbeiter für die hoch spezialisierten Anforderungen fit zu machen. Fachkräfte, die mit Cyberresilienz, Software Assurance und militärischen Standards umgehen können, sind rar. Das ist unser „limitierender Faktor“.

Herr Haslacher, ein Blick nach vorn: Wo steht Frequentis in fünf Jahren?
Wir sind überzeugt, dass die drei Megatrends – Sicherheit, Mobilität, Technologiewandel – auch in den kommenden Jahren anhalten. Unser Ziel ist es, den Marktanteil bei einem adressierbaren Markt von rund 4 Mrd. EUR weiter auszubauen. Gleichzeitig wollen wir unser Geschäftsmodell noch stärker auf Software und wiederkehrende Erlöse ausrichten. Schon heute machen Wartungsverträge rund 36% unserer Umsätze aus, oft mit Laufzeiten von zehn bis 30 Jahren. Das gibt uns Stabilität. Wenn wir diesen Weg konsequent weitergehen, sehen wir Frequentis in fünf Jahren als global führenden Anbieter für sicherheitskritische Kommunikations- und Kontrollzentralen – sowohl im zivilen als auch im militärischen Bereich.

Herr Haslacher, wir danken Ihnen für die interessanten Einblicke.

Das Interview führte Markus Rieger und Eva Rathgeber.

Zum Interview Partner

Foto: © GoingPublic Media AG

Norbert Haslacher ist seit 2018 CEO der Frequentis AG, ein Jahr später erfolgte der Börsengang in Wien und Frankfurt. Der bisherige Vorstandsvorsitzende und Eigentümer Hannes Bardach wechselte als Vorsitzender in den Aufsichtsrat.

Autor/Autorin

GoingPublic Media AG

Markus Rieger ist Gründer und Vorstand der GoingPublic Media AG. Als „Brückenbauer“ zwischen Unternehmen und Investoren ist er gelegentlich auch als Autor von Analysen und Beiträgen tätig.

Eva Rathgeber
Redakteurin Unternehmeredition at 

Als Chefredakteurin der Unternehmeredition bei der GoingPublic Media AG berichtet Eva Rathgeber regelmäßig über Unternehmen und das Wirtschaftsgeschehen.