Bildnachweis: © Erstellt mit ChatGPT.

Synthetische Enhancements einer Police sind keinesfalls eine neuartige Erscheinung. Seit geraumer Zeit entwickelt sich das Angebot jedoch immer stärker weiter. Getrieben wird diese Entwicklung vor allem durch das kompetitive Marktumfeld, das die Prämienaufschläge für solche Enhancements immer geringer ausfallen lässt. Von Till Liebau und Dr. Markus Rasner

Für die Verhandlung der Police bietet dies neue Gestaltungsoptionen, die es zu bedenken und einzupreisen gilt. Die hieraus erwachsenden Chancen stellen ein interessantes Entwicklungsfeld dar, das eine nähere Betrachtung belohnt. Immer häufiger teilen Verkäufer mit Zurverfügungstellung des Entwurfs des Kaufvertrags bereits mit, dass sie über ein zu ihren Gunsten niedriges Maß an Garantien oder etwa rein subjektive Garantien hinaus nicht bereit sind, weitere Garantien abzugeben, und verweisen im Übrigen auf die W&I-Versicherung. Aus Verkäufersicht l­assen sich derartige Forderungen derzeit gut stellen, da sich im Markt ein bunter Strauß an Enhancements etabliert hat, auf die zurückgegriffen werden kann.

Werbung

Gegen entsprechende Additional Premi­ums kann sich der Käufer diesen Versicherungsschutz „mix and match“ zusammenstellen und so dem Willen des Verkäufers gerecht werden. Gleichzeitig können langwierige Vertragsdiskussionen aus­gelagert werden. Solche neuere Enhancements, die sich nicht mehr nur „auf dem Papier“ in NBI-Reports finden, sondern auch vermehrte Anwendung in der Praxis finden, bzw. Enhancements, welche schon seit Längerem am Markt bestehen, zwischenzeitlich aber einen erheblichen Aufschwung erlebt haben, sind unter ­anderem:

  • der Ausschluss der Vendor-DD-Reports von den als offengelegt geltenden ­Umständen („non-disclosure of vendor DD reports“),
  • der Ausschluss des Datenraums von den als offengelegt geltenden Umständen („non-disclosure of VDR“),
  • der Ausschluss der für den Käufer ­erstellten DD-Berichte von den als ­offengelegt geltenden Umständen („non-disclosure of buyside DD reports“),
  • die Kombination der beiden letztgenannten Non-Disclosures (VDR und Käufer-DD),
  • ein De-Minimis der Police unterhalb des Schwellenwerts der Due Diligence,
  • die Ausweitung der gegebenen Mate­riality Scrapes,
  • die ausdrückliche Bestätigung, dass das zur Schadensberechnung der
    bei der Kaufpreisfindung angesetzte Multiple genutzt werden kann („affirmative multiples cover“),
  • die Deckung von Garantieverstößen im Zeitraum zwischen Signing und Closing („new breach cover“),
  • längere Verjährungsfristen unter der Police als im SPA,
  • keine „Deemed-in-Writing-Regelung“ und
  • der Ausschluss des Rückgriffs auf den Verkäufer selbst im Fall von Arglist oder Vorsatz.

Unter all den neueren Entwicklungen und den damit einhergehenden Wahloptionen für Käufer und Verkäufer sollen nach­folgend einige Beispiele näher beleuchtet werden.

Non-Disclosure of Vendor-DD-Reports

Die Regelung, dass etwaige Vendor-Due-Diligence-Berichte nicht als offengelegt gelten sollen, bietet dem Käufer zunächst den Vorteil, sich nicht auf die Darstellung der Berater der Verkäufer verlassen zu müssen. Aus Käufersicht verringert sich zudem die Zahl der Quellen von ­anspruchsverhindernden Offenlegungen, sodass sich der Due-Diligence-Aufwand unter diesem Blickwinkel überschaubarer gestaltet. Aus Sicht der Versicherer ist die Regelung zunächst unproblematisch, wenn die der Vendor DD zugrunde liegenden Informationen auch im VDR enthalten und darüber sowie über die Buy-Side DD offengelegt sind.

Die neueren Entwicklungen der synthetischen Deckungen bieten einige spannende Optionen, die es sowohl aus Käufer- als auch aus Verkäuferperspektive zu bedenken gilt.

Problematisch wird die Gestaltung ­jedoch in dem häufig anzutreffenden ­Szenario, in dem die Buy-Side DD lediglich als Top-up auf Basis der Vendor DD aus­gestaltet wird, denn dann stellt sich insbesondere im Falle eines „VDR Scrape“ (dazu sogleich) die Frage, inwieweit die nur ­partielle Darstellung in der käuferseitigen DD eine hinreichende Offenlegung ­begründet. Letztlich muss der Versicherer sich hier insbesondere auf eine hinreichende Offenlegung im Vertrag selbst bzw. den dazugehörigen Disclosure ­Schedules/Disclosure Letter verlassen.

Non-Disclosure of VDR und/oder Non-Disclosure of Buy-Side-DD-Reports

Eine erheblich vermehrte Nutzung lässt sich bei der Non-Disclosure des Datenraums und der Non-Disclosure der Buy-­Side-Due-Diligence-Reports verzeichnen. Mitunter werden auch Kombinationen der beiden Non-Disclosure-Konzepte angeboten, wobei die dafür offerierten Prämienzuschläge erheblich variieren. Besonders oft wird dieses Modell von US-amerikanischen Käufern gewählt, welche sich so dem ihnen vertrauten Specific-Disclosure-Prinzip annähern können. Aber auch ­ansonsten ist für Käufer gerade bei ­umfangreichen Datenräumen und/oder DD-Reports ein entsprechender Verzicht ausgesprochen wertvoll, da das Risiko ­eines versehentlichen Übersehens wesentlicher Informationen damit auf den Versicherer übertragen wird.

Für die Versicherer gilt es in diesen ­Fällen, in besonderer Weise auf die Sorgfalt der Verkäufer bei der exakten Offen­legung im Rahmen der Disclosure Schedules zum Kaufvertrag zu achten, da im Schadensfall ein Rückgriff auf eine Offenlegung im Datenraum und/oder den Due-Diligence-Reports verwehrt bleibt. Bei der Non-Disclosure des VDR muss auch der damit verbundene Mehraufwand aufseiten der Berater beachtet werden, denn die Versicherer fordern hierzu teilweise einen VDR-Index mit entsprechenden Markierungen der gesichteten Dokumente; ­zunehmend genügen aber auch Bestätigungen aller Due-Diligence-Provider, dass alle materiellen Dokumente im VDR ­jeweils im Zuge der Due Diligence gesichtet wurden.

De-Minimis der Police unter dem Schwellenwert der Due Diligence

In Abwandlung des ursprünglichen Konzepts, dass der De-Minimis der Police den Schwellenwert der Due Diligence spiegelt, werden inzwischen gegen überschaubare zusätzliche Prämien auch niedrigere
De-Minimis im Rahmen der Police angeboten. Zu beachten ist in diesem Fall jedoch, dass dieses Enhancement nicht einfach erworben werden kann, sondern den ­Versicherern ein gewisser Nachweis zu ­deren Komfort dahin gehend erbracht werden muss, dass für den Versicherer nachvollziehbar ist, dass im Rahmen der Due Diligence auch tatsächlich unterhalb des angegebenen Schwellenwerts offen­gelegt und geprüft wurde.

Sinnvoll ist es deshalb, dass der Käufer sich schon frühzeitig Gedanken über den anzuwendenden Schwellenwert der Due Diligence und die praktische Umsetzung durch die Berater macht, sofern er sich dieser Option bedienen möchte. Geht nicht schon aus den Due-Diligence-­Reports selbst hervor, dass auch Sachverhalte unterhalb der Aufgriffsschwelle überprüft wurden, so muss dies spätestens im Underwriting-Prozess dargelegt und anhand von Beispielen erläutert werden. Für den Verkäufer können hieraus ebenfalls höhere Mitwirkungsobliegen­heiten im Rahmen der Due Diligence ­folgen, wenn die Berater der Gegenseite auch unterhalb der ursprünglich für die Offenlegung angesetzten Größenordnungen prüfen und entsprechende zusätz­liche Informationen anfragen.

Fazit

Die neueren Entwicklungen der synthetischen Deckungen bieten einige spannende Optionen, die es sowohl aus Käufer- als auch aus Verkäuferperspektive zu bedenken gilt. Für den Verkäufer bietet sich die Möglichkeit, weitere typische Streitfragen aus Kaufvertragsverhandlungen auszu­lagern und den Käufer zur Klärung an den Versicherer zu verweisen. Das mag im ­Einzelfall die Transaktionskosten der ­Käufer in die Höhe treiben, entspricht aber grundsätzlich der Idee der Trans­aktionsversicherung. Andererseits wird der Käufer durch die vorhandenen Möglichkeiten in die Lage versetzt, ein entsprechend attraktives Angebot zu legen, um sich von dem übrigen Bieterkreis ­abzusetzen. Hier lohnt es sich, die gesamte Klaviatur nicht nur im Blick zu behalten, sondern auch Berater an der Seite zu ­haben, die in der Lage sind, diese voll zu bespielen. Es bleibt abzuwarten, inwieweit sich diese Entwicklungen langfristig etablieren können. Es ist allerdings auch schwer vorstellbar, dass die vielen „Spielzeuge“, die derzeit zur Verfügung stehen, wieder vom Markt verschwinden. Eher vorstellbar erscheint daher, dass es zu ­einer Anpassung der Prämien kommen wird.

Autor/Autorin

Till Liebau

Till Liebau ist Rechtsanwalt der Sozietät Oppenhoff. Er berät nationale wie auch internationale Unternehmen und Finanz­investoren bei M&A- und Private-Equity-Transaktionen. Zudem berät er seit Langem Versicherungen und Versicherungsnehmer im Zusammenhang mit M&A-Insurance-Produkten. 

Dr. Markus Rasner

Dr. Markus Rasner ist Rechtsanwalt der Sozietät Oppenhoff. Er berät nationale wie auch internationale Unternehmen und Finanz­investoren bei M&A- und Private-Equity-Transaktionen. Zudem berät er seit Langem Versicherungen und Versicherungsnehmer im Zusammenhang mit M&A-Insurance-Produkten.