Seit vielen Jahren werden börsennotierte Publikumsgesellschaften internationaler. Dies zeigt sich nicht nur anhand der Länder, in denen der Umsatz generiert wird, sondern auch an den Nationalitäten der Vorstände und Aufsichtsräte. Mittlerweile ist Englisch in einigen Gesellschaften oder auch nur in einzelnen Abteilungen die Unternehmenssprache. Weniger Gedanken hat man sich über die Hauptversammlung gemacht – auch hier stellt sich die Frage, wie fremdsprachige Verantwortliche eingebunden werden können.

Der nicht-deutschsprachige Vorstand

Die mündlichen Vorträge des Vorstands gliedern sich in zwei Teile. Als Erstes erfolgt die Vorlage des Jahresabschlusses, als Zweites die Beantwortung der Fragen aus dem Aktionariat. Der erste Teil kann gut vorbereitet, aufgeschrieben und im Vorfeld übersetzt werden, der zweite Teil, die Fragenbeantwortung, wird auf der Hauptversammlung erarbeitet.

Die Rede des Vorstands über das abgelaufene Geschäftsjahr lässt sich beispielsweise simultan übersetzen. Jeder Aktionär sollte dann die Möglichkeit haben, die Übersetzung mit Kopfhörern zu verfolgen. Alternativ wäre eine Voice-over-Übersetzung möglich, bei der die Stimme des Vortragenden über die Lautsprecher leise geschaltet und nur die Simultanübersetzung in den Saal übertragen wird. Die Übersetzer arbeiten in jedem Fall mit einem festgeschriebenen Skript, an das sich der Vorstand auch zu halten hat, um Diskrepanzen in der Übersetzung zu vermeiden. Gegebenenfalls wäre eine Delegation dieses Teils der Hauptversammlung auf ein deutschsprachiges Vorstandsmitglied möglich. Allerdings hat die Praxis gezeigt, dass die Ausführung zum Geschäftsjahr vom Vorstandsvorsitzenden selbst erwartet wird.

Fragenbeantwortung mit nicht-deutschsprachigen Vorständen

Das Auskunftsrecht des Aktionärs ist verbunden mit der Pflicht des Vorstands, alle Fragen zu beantworten, die zur Entscheidungsfindung für die Abstimmung zu einem (oder mehreren) Tagesordnungspunkten relevant sind. Nur in wenigen Ausnahmen ist die Verweigerung einer Antwort möglich. Sollte die Antwort des Vorstands nicht in Deutsch gegeben werden, muss sie für alle Aktionäre übersetzt werden: entweder wieder simultan über Kopfhörer oder mittels Voice-over über die Lautsprecher. Eine Übersetzung der Antworten muss bereits vorab im Backoffice erfolgt sein und sollte den Dolmetschern zur Verfügung stehen. Dies stellt einen sehr aufwendigen und zeitraubenden Backoffice-Prozess dar: Die Frage des Aktionärs wurde in Deutsch erfasst und beantwortet. Nach der Freigabe der Antwort müssen die Frage und die Antwort in die Fremdsprache übertragen und zu den Dolmetschern gebracht werden. Nun erst kann der Vorstand mit der Beantwortung beginnen. Damit den Dolmetschern die Zuordnung der Antwort zur Frage leichter fällt und Verwechselungen ausgeschlossen werden, sollte der Vorstand – wenn möglich – zu Beginn seiner Antwort eine eindeutige Fragennummer nennen.

Das nicht-deutschsprachige Backoffice

Auch im Backoffice einer deutschen Hauptversammlung finden sich immer mehr nicht-deutschsprachige Mitglieder. Diese können auf ganz unterschiedliche Weise in den Q&A-Prozess eingebunden werden. Sollte ein Team z.B. nur Englisch sprechen, würde dies einen zusätzlichen Zeitaufwand bedeuten. Die entsprechenden Fragen werden auf Deutsch verfasst, müssen zur Beantwortung ins Englische übersetzt werden, zur Kontrolle wieder ins Deutsche, um zur Verlesung durch den Vorstand wieder ins Englische übertragen zu werden. Zielführender wäre es hingegen, mehrsprachige Teams zu bilden, die sich bilateral abstimmen können.

Fazit

Auch wenn die Internationalität auf der Bühne und im Backoffice längst gelebte Realität ist, bestehen rechtliche Risiken bei den nicht-deutschsprachigen Aspekten einer Hauptversammlung. In der Praxis wird daher die Beantwortung der Fragen meist auf die deutschsprachigen Vorstandsmitglieder konzentriert. Die Versammlungsleitung wird an einen deutschsprachigen Aufsichtsratskollegen oder gleich einen externen Versammlungsleiter übertragen, manchmal auch erst nach dem Eröffnen der Hauptversammlung durch den nichtdeutschsprachigen Aufsichtsratsvorsitzenden.

Autor/Autorin