Bildnachweis: Igor Link – stock.adobe.com.
Der Interessenverband kapitalmarktorientierter kleiner und mittlerer Unternehmen e.V.
(Kapitalmarkt KMU) fordert von der deutschen Politik in der kommenden Legislaturperiode ein klares Bekenntnis zum Kapitalmarkt. Insbesondere für KMUs spiele ein funktionierender Kapitalmarkt eine zentrale Säule, um wichtige Investitionen und Transformationsprozesse zu stemmen, Geschäftsmodelle zu skalieren und neue Arbeitsplätze zu schaffen. Von Urs Moesenfechtel
„Unsere klare Erwartungshaltung ist, dass die Bedeutung des Kapitalmarkts für eine funktionierende Volkswirtschaft endlich parteiübergreifend zementiert und die Interessen des börsennotierten Mittelstands ernst genommen werden“, forderte Ingo Wegerich, Präsident des Interessenverbandes Kapitalmarkt KMU. „Eine neue Bundesregierung muss den Mut haben, Kapitalmarktfinanzierungen nicht als Randthema, sondern als zentrales Element für Wachstum, Innovation und Wettbewerbsfähigkeit in ihrer Politik zu verankern und dann auch in die Tat umzusetzen“, so Wegerich weiter.
Der Interessenverband formulierte entsprechend vier zentrale Forderungen:
- Attraktivität für Investitionen in KMUs erhöhen
Die Attraktivität von kapitalmarktbasierten Investitionen in KMUs solle durch gezielte Maßnahmen erhöht werden. Hierzu zählt Kapitalmarkt KMU verbesserte Verlustverrechnungsmöglichkeiten und andere steuerliche Vergünstigungen für KMU-Investitionen und Fonds und fordert eine deutliche Erhöhung der Freibeträge für private Börsengewinne und Mitarbeiteraktien - Kapitalmarktbasierter Altersvorsorge zum Durchbruch verhelfen
Kapitalmarkt KMU fordert ebenso für eine zukunftsfähige Altersvorsorge eine stärkere Einbindung des Kapitalmarkts – und insbesondere eine gezielte Berücksichtigung von KMUs. Um langfristige Kapitalflüsse in die deutsche Wirtschaft zu lenken, soll ein aktienbasiertes Altersvorsorgemodell nach dem Vorbild Schwedens etabliert werden. Der Interessensverband sieht es dabei als entscheidend an, dass davon nicht nur Großkonzerne und internationale ETFs profitieren, sondern Investitionen auch in deutsche mittelständische, börsennotierte Unternehmen fließen. - Bürokratische Hürden abbauen und Kapitalmarktzugang erleichtern
Um KMUs den Kapitalmarktzugang zu erleichtern, fordert der Interessensverband, übermäßige Regulierungen und komplexe Pflichtprozesse abzubauen. Der Verband spricht sich daher unter anderem gegen die Einführung zusätzlicher bürokratischer Hürden wie ein Erwerbsangebot bei Delisting-Anträgen für KMU-Wachstumsmärkte aus, was Unternehmen zusätzlich belaste und den Kapitalmarktzugang für KMUs erschwere. - Deutschland als attraktiven Standort für Börsengänge stärken
Die deutsche Politik solle sich stärker für ein attraktives Kapitalmarkt-Ökosystem in Deutschland und Europa einsetzen, so Kapitalmarkt KMU. Bestehende wirtschaftspolitische Förderprogramme wie der Zukunftsfonds sollten erweitert werden, um auch börsennotierte KMUs gezielt zu unterstützen.
Mit Blick auf den aktuellen Status quo in Berlin und Brüssel bewertet der Interessenverband die Ansätze des Entwurfs zum Zweiten Zukunftsfinanzierungsgesetz (ZuFinG II) als grundsätzlich positiv, doch es fehle nicht nur eine gezielte Förderung von KMUs, sondern ein schlüssiges Gesamtkonzept. Die WIN-Initiative setze dabei den Fokus auf Start-ups, vernachlässige aber die spätere Kapitalmarktperspektive. Es bedürfe hier keiner „gefühlten Trippelschritte“ an Regelungen, sondern der Umsetzung einer kohärenten, „echten“ Kapitalmarktunion in der EU.
„Der Kapitalmarkt ist für den Mittelstand überlebenswichtig, doch die politischen, wirtschaftlichen und regulatorischen Rahmenbedingungen müssen weiter reformiert werden“, betonte Ingo Wegerich, Präsident des Interessenverbandes Kapitalmarkt KMU. „Wir erwarten von der nächsten Bundesregierung eine zukunftsgerichtete Kapitalmarktstrategie, die auf eine Erhöhung der Attraktivität von Investitionen in KMUs abzielt und den Zugang zu Kapital für Unternehmen maßgeblich erleichtert“, so Wegerich weiter.
Die vorgeschlagenen Maßnahmen, insbesondere steuerliche Anreize für Investitionen in KMUs und eine kapitalmarktgestützte Altersvorsorge, könnten den deutschen Mittelstand nachhaltig stärken. Doch die Frage bleibt: Ist die Politik bereit, diese, durchaus nicht neuen – aber dennoch aktuellen – Vorschläge, in die Tat umzusetzen? Ebenso darf nicht außer Acht gelassen werden, dass eine stärkere Abhängigkeit von börsennotierten Finanzierungsmodellen für KMUs auch eine höhere Volatilität bedeutet – und die Notwendigkeit, sich stärker an den Mechanismen des Kapitalmarktes auszurichten. Dies kann unter Umständen die unternehmerische Flexibilität einschränken. Dennoch ist es unbestreitbar, dass Deutschland in Sachen Kapitalmarktentwicklung noch viel Nachholbedarf hat. Es bleibt zu hoffen, dass die nächste Bundesregierung diese Chance erkennt und entsprechend handelt.
Autor/Autorin
Urs Moesenfechtel, M.A., ist seit 2021 Redaktionsleiter der GoingPublic Media AG - Plattform Life Sciences und für die Themenfelder Biotechnologie und Bioökonomie zuständig. Zuvor war er u.a. als Wissenschaftsredakteur für mehrere Forschungseinrichtungen tätig.