Bildnachweis: stock3.com, Aumovio.
Continental wurde aufgespalten! Das Automotive-Segment notiert seit 18.9.2025 unter dem Namen AUMOVIO an der Börse. Die Erstnotiz lag bei 35 Euro, wodurch mit einer Marktkapitalisierung von 3,5 Mrd. EUR ein neuer Large Cap auf dem deutschen Kurszettel entstanden ist. Lohnt sich der Spin-Off auch für Aktionäre?
Von Florian Hainzl
Die Ausgliederung der Sparte stellt einen strategischen Meilenstein für beide Unternehmen dar und zeigt die aktuellen Herausforderungen in der globalen Automobilzulieferindustrie.
Die Ausgliederung verfolgt zwei Ziele:
- Continental löst sich als Mutterkonzern vom volatileren Automobilzuliefergeschäft. Nach dem für das Jahr 2026 geplanten Verkauf des Geschäfts für Industrieausrüstung ContiTech will sich der Konzern ganz auf das beständigere und margenstärkere Reifensegment konzentrieren. Im Jahr 2024 machte das Reifengeschäft 35% des Gruppenumsatzes aus, erwirtschaftete jedoch 82% des EBIT.
- AUMOVIO erhält als eigenständiger Börsenplayer unternehmerische Freiheit und Kapitalmarktnähe, um den Turnaround fortzusetzen. So kann das Unternehmen in Zukunftsbereichen wie software-definierten Fahrzeugen, Elektronik und autonomer Mobilität deutlich agiler wachsen. Gleichzeitig muss es aber die strukturellen Herausforderungen im Markt für Zulieferer bewältigen.
Geschäftsfelder von AUMOVIO
AUMVIO gliedert sich in vier operative Kerngeschäfte und einen Bereich für Auftragsfertigung:
- Autonomous Mobility (AM): AUMOVIO entwickelt Hardware für Assistenzsysteme und autonome Fahrfunktionen. Insbesondere im aufkommenden L2+-Bereich des automatisierten Fahrens und beim „Pay-per-Mile”-L4-Trucking-Modell wird kräftiges Wachstum erwartet. Der Bereich soll langfristig am stärksten wachsen und die höchste Marge erzielen.
- Architecture & Network Solutions (ANS): Der Fokus liegt auf Hochleistungsrechnern (HPC), Controllern, Telematik- und Cybersecurity-Lösungen für die softwaredefinierte Fahrzeugplattform. ANS erzielte 2024 einen Umsatz von 5,6 Mrd. EUR bei einer EBIT-Marge von 7,5%. Mittelfristig werden Margen im mittleren einstelligen Bereich angestrebt.
- Safety & Motion (SAM): AUMOVIO ist Marktführer bei Bremssystemen, Airbag-Steuergeräten und Sensorsystemen. Dieses Segment erwirtschaftete im Jahr 2024 einen Umsatz von 7,5 Mrd. EUR bei einer EBIT-Marge von 3,5%. Das Ziel ist eine Steigerung der Marge in den hohen einstelligen Bereich.
- User Experience (UX): Aufgrund von Transformations- und Ramp-up-Kosten verzeichnet AUMOVIO im attraktiven Wachstumsmarkt für Display-Lösungen und Head-up-Displays eine negative EBIT-Marge von -4,8% bei einem Umsatz von 3,1 Mrd. EUR. Mittelfristig plant das Unternehmen jedoch Margen im mittleren einstelligen Bereich, gestützt durch CPV-Wachstum („Content per Vehicle”) und den Ausbau des Asiengeschäfts.
- Contract Manufacturing (CM): Umfasst Auftragsfertigung vor allem für Schaeffler. Dieser Bereich wird sukzessive zurückgebaut und stellt keinen langfristigen Schwerpunkt mehr dar.
Fundamentaldaten
NNach den schwierigen Jahren während und nach der Corona-Pandemie strebt AUMOVIO ein stabiles Wachstum mit Fokus auf Profitabilität an. Für das Jahr 2025 werden ein Umsatz von 18 bis 20 Milliarden EUR sowie eine adjustierte EBIT-Marge von 2,5–4,0% erwartet. Der Free Cashflow soll positiv ausfallen.
Die langfristigen Ziele sind ambitioniert: Der Umsatz soll mindestens 24 Mrd. EUR betragen, die EBIT-Marge soll 6–8 % und der ROCE soll über 16 % betragen. Treiber hierfür soll das konsequente CPV-Wachstum in allen Segmenten sein. Das positive Verhältnis von Auftragseingängen zu Umsätzen geben Anlass zu vorsichtigem Optimismus.
Margenverbesserungen sollen durch Kostendisziplin erreicht werden. So gab das Unternehmen beispielsweise in den letzten drei Jahren 11,5–12,0% des Umsatzes für Forschung und Entwicklung aus. Dieser Wert soll bis spätestens 2027 unter 10% liegen.
Wesentliche Risiken
Das Automobilgeschäft bleibt zyklisch. So sank der Umsatz 2024 trotz des Marktwachstums bei den verkauften Autos. Ein Rückgang der Fahrzeugproduktion oder schwächere Vorgaben der OEMs wirken sich direkt auf das Volumen und die Preissetzungskraft von AUMOVIO aus. Im Jahr 2024 entfiel rund die Hälfte des Umsatzes auf die fünf größten OEMs und die Bruttomarge ist trotz starker Marktstellung sektortypisch mit 17,7% gering. Es werden nur 3% des Umsatzes im deutlich stabileren Aftermarket-Geschäft erzielt.
Der weltweite Rückruf von BMW-Fahrzeugen aufgrund von Signalproblemen der elektronischen Bremseinheit MK C2 birgt ein zusätzliches rechtliches Risiko. AUMOVIO geht davon aus, dass nur ein kleiner Teil der Bremssysteme ausgetauscht werden muss. Das Unternehmen wäre daher nur für Gewährleistungsansprüche haftbar, bei denen ein Austausch des Bremssystems erforderlich ist und hat entsprechend Rückstellungen im mittleren zweistelligen Bereich gebildet. Die Kosten für den Rückruf lagen für BMW allein im dritten Quartal 2024 im hohen dreistelligen Bereich.
Das autonome Fahren birgt Risiken, da es langfristig zu einer Reduzierung der Fahrzeugproduktion führen könnte. Selbstfahrende Autos können jedoch durch Sharing-Modelle effizienter genutzt werden, was zu einer höheren Auslastung führt. Dadurch würde die Nachfrage nach Fahrzeugkomponenten sinken, obwohl der Elektronikanteil pro Fahrzeug steigen würde.
Bewertung
Ein wesentlicher Vorteil nach dem Spin-Off ist, dass AUMOVIO als einer der wenigen Automobilzulieferer und als einziger OEM-Zulieferer ohne Finanzschulden an die Börse geht. Somit entspricht der Unternehmenswert zum Börsenstart der Marktkapitalisierung.
Der kritische Blick der Börse auf das Zuliefergeschäft lässt sich gut durch das Verhältnis von Unternehmenswert zu Umsatz von 0,63 erkennen. Für höhere Bewertungen wird es darauf ankommen, dass das Management konsequent seine Wachstumstreiber nutzt und gleichzeitig die Organisation optimiert. Aufgrund der geringen Visibilität der Gewinnentwicklung ist eine Schätzung des fairen Wertes schwierig.
Die verbleibende Continental rechnet für dieses Jahr mit einem freien Cashflow von 600 Mio. bis eine Mrd. Euro. Dies deutet darauf hin, dass sich der Markt aktuell zwischen diesen Werten und dem freien Cashflow des Reifengeschäfts von im Durchschnitt 1,6 Mrd. Euro pro Jahr zwischen 2019 und 2024 orientiert. Die Unternehmenswerte der Wettbewerber Pirelli und Michelin werden mit dem 15,6- bzw. 13,6-fachen des freien Cashflows gehandelt. Mit diesen Multiplikatoren und dem derzeitigen Unternehmenswert von 16,4 Mrd. Euro würde sich ein Free Cashflow-Erwartung zwischen 1 und 1,2 Mrd. EUR ergeben. Hier könnte sich ein genauerer Blick durchaus lohnen.
Fazit
Die verbleibende Continental sollte die geringere Größe sowie den Verlust an technologischem Wissen über elektronische Hardware und Middleware, die für die künftige Mobilität entscheidend sind, durch ein größeres Engagement auf dem Ersatzteilmarkt sowie durch deutlich höhere Margen ausgleichen können.
Umgekehrt ist AUMOVIO ein hochgradig zyklisches Geschäft, mit hoher Abhängigkeit von wenigen Kunden und niedrigen Margen. Für eine positive Unternehmensentwicklung muss daher intern fast alles exakt nach dem zum Börsengang kommunizierten Fahrplan laufen, während gleichzeitig auch das makroökonomische Umfeld mitspielen muss. Ein zentraler Erfolgsfaktor ist daher das Management um Philipp von Hirschheydt.
Anleger sollten die Turnaround-Story beobachten, dabei allerdings die strukturellen Herausforderungen für das Geschäftsmodell beachten.
Autor/Autorin
Florian Hainzl
Florian Hainzl ist Diplom-Betriebswirt (FH) und arbeitet als Business Intelligence Entwickler bei einem mittelständischen Hersteller im Bereich Messtechnik. Daneben schreibt er seit 2019 als freier Finanzjournalist für verschiedene Finanz- und Technikmedien wie GoingPublic und Anleger Plus.