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Es sollte der größte Börsengang des Jahres werden. Der Münchner Spezialist für Medizintechnik-Software bläst seinen Börsengang kurz vor der Premiere ab. Investoren hätten die Aktie am unteren Ende der festgesetzten Preisspanne gezeichnet. Von Stefan Riedel

Zwei Tage vor der geplanten Börsenpremiere am 3. Juli im Frankfurter Prime Standard hat der Münchener Medizintechnikspezialist Brainlab sein IPO abgesagt. „Ein Börsengang zu einem späteren Zeitpunkt wird von Brainlab und den veräußernden Aktionären weiterhin geprüft“, endet die kurz gehaltene Pressemitteilung. Gründe für den Rückzieher kurz vor dem IPO nennt das Unternehmen nicht. Zwei Millionen neue Aktien aus einer Kapitalerhöhung sowie bis zu 3,2 Millionen Aktien aus dem Bestand der bestehenden Eigentümer, darunter Firmengründer und Aufsichtsratsvorsitzender Stefan Vilsmeier, wollte Brainlab im Rahmen des IPO platzieren.

Das Unternehmen hatte mit dem Börsengang einen Börsenwert von rund zwei Mrd. EUR angestrebt. Für den Börsenplatz Deutschland hätte es das bis Abstand größte IPO in diesem Jahr bedeutet. Brainlab entwickelt softwarebasierte Produkte für Tumor-Strahlentherapien und chirurgische Eingriffe im Kopf und an der Wirbelsäule. Die Programme wandeln etwa CT-Bilder und Kernspintomografien in 3D-Bilder um. Für Chirurgen bieten sie einen digitalen OP-Saal, der Datenbanken, chirurgischen Instrumente und Messgeräte integriert. Brainlab erzielte im Geschäftsjahr 2023/24 (30. September) 450 Mio. EUR Umsatz und eine operative Marge von 22,4%. Im ersten Halbjahr des laufenden Geschäftsjahres stieg der Umsatz weiter um 14% auf etwa 239 Mio. EUR.

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Bookbuildingspanne in der Kritik

Branchenexperten nennen vor allem einen Grund, warum das Unternehmen mehr oder weniger auf den Tag genau 24 Jahre nach dem ersten Rückzieher sein IPO erneut abgesagt hat. Eine Überzeichnung des Aktienangebots habe sich nur am unteren Ende der Preisspanne abgezeichnet. Das wiederum habe bei allen Anteilseignern, die Aktien aus ihrem Bestand verkaufen wollten, für Verdruss gesorgt. Ebenfalls negativ ist von Marktteilnehmern aufgenommen worden, dass die Privat-Equity-Gesellschaft EMH, neben Firmengründer Stefan Vilsmeier größter Anteilseigner am Unternehmen, entgegen der ersten Ankündigungen sich nicht ganz von seinen Anteilen trennen wollte.

Möglicherweise spielte beim Rückzieher von Brainlab aber auch die Sorge eine Rolle, dass die Aktie nach dem IPO in den darauffolgenden Sommerwochen mit niedrigerer Liquidität unter Verkaufsdruck geraten könnte. Was dann wiederum die Frage aufwirft, weshalb das Brainlab-Management und Firmengründer Stefan Vilsmeier den Börsengang im Monat Juli durchziehen wollten. Wann auch immer Brainlab den nächsten Anlauf an die Börse nimmt, muss das Management sich besser im Markt umhören, welchen Preis die Investoren für das Geschäftsmodell zu zahlen bereit sind. Was wiederum eine bessere Kommunikationspolitik gegenüber dem Markt als in den letzten Wochen erfordert.

Dass hier einiges im Argen lag, meinen auch Investoren, einige hinter vorgehaltener Hand und andere offen. „Ein IPO, das am unteren Ende gepreist wird, ist nicht überragend. Die Bandbreite hätte dann aber eher zwischen 60 und 80 EUR liegen sollen. Da ist offenbar im Vorab irgendwas in der Kommunikation zwischen den Investoren, Banken und dem Unternehmen schiefgelaufen,“ meint Kai Brüning, Senior Portfolio Manager bei Apo Asset Management.

Schlechtes Vorzeichen für weitere IPOs

Vom Börsenflop nicht beeinträchtigt wird das laufende operative Geschäft. Die Emissionserlöse wollte Brainlab für die Expansion in angrenzende klinische Anwendungsbereiche und für den Abbau der Nettoverschuldung verwenden. Das zuletzt starke organische Wachstum sollte das Unternehmen fortsetzen. Weitaus verheerender sind die Auswirkungen für den Kapitalmarkt Deutschland, nachdem Autodoc, ein Onlinehändler für Autoersatzteile, bereits eine Woche zuvor sein IPO abgeblasen hatte. Bislang haben in diesem Jahr nur der schwäbische Elektrotechnikspezialist Pfisterer und die Münchner Softwarefirma Innoscripta einen erfolgreichen Börsengang in Deutschland geschafft. Die Aktie beider Unternehmen sind im Frankfurter Nebenwertesegment Scale gelistet.

Autor/Autorin

Stefan Riedel
Freier Redakteur at Büro für Kommunikation

Stefan Riedel ist freier Autor bei GoingPublic Media und selbständiger Redakteur mit Schwerpunkt Finanzen und Wirtschaft.