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Börsengänge erfreuen sich in jüngerer Vergangenheit wieder zunehmender Beliebtheit. Gerade auch deutsche Start-ups/Private Equity-(PE)-Portfolios wagen sich auf das Parkett, wie jüngst etwa der Berliner Online-Gebrauchtwagenhändler AUTO1, der sich dadurch frisches Kapital von über 1 Mrd. EUR auf dem Kapitalmarkt besorgt hat. Für manche Venture Capital-(VC)-/PE-Investoren dürfte ein IPO nicht selten „Neuland“ sein. Dieser Beitrag gibt einen kurzen Überblick über die rechtlichen Fallstricke für Finanzinvestoren beim Going Public.

IPO-Prozess und Rechtsrahmen

Ein Börsengang ist ein komplexer und dynamischer Prozess, dessen Umsetzung in allen Phasen von der Mitwirkung der beteiligten Altaktionäre abhängt. Rechtlich bewegt sich ein Börsengang auf der Schnittstelle von Gesellschafts-, Kapitalmarkt- und Zivilrecht, begleitet von zahlreichen aufsichtsrechtlichen Regularien. Tatsächlich getrieben wird das IPO aber weniger von den Altaktionären als von den Underwriting Banks und den Marktusancen.

Gesellschaftsrechtliche Maßnahmen

Die Umsetzung des IPO erfordert im Vorfeld diverse gesellschaftsrechtliche Maßnahmen, die sämtlich darauf abzielen, die Gesellschaft „kapitalmarktfähig“ zu machen. Beteiligte Investoren sind insofern dazu angehalten, die erforderlichen Maßnahmen – insbesondere Kapitalmaßnahmen und Satzungsänderungen – im Rahmen von, abhängig von der Ausgangssituation der zu notierenden Gesellschaft, i.d.R. mehreren außerordentlichen Hauptversammlungen zu billigen (in der Praxis regelmäßig durch die Erteilung von Vollmachten). Typische Beschlussgegenstände sind Kapitalerhöhungen (ggf. in Verbindung mit einem Aktiensplit), i.d.R. die Umwandlung von Namens- in Inhaberaktien, verschiedene Ermächtigungen, die marktüblich für gelistete AGs sind, wie z.B. zur Schaffung von genehmigtem und bedingtem Kapital (letzteres für Wandel- und/oder Optionsschuldverschreibungen und ggf. direkt ESOPs) sowie zum Erwerb eigener Aktien. Gleichzeitig werden satzungsmäßig und schuldrechtlich vereinbarte Vorzüge abgeschafft.

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Wird ein Investor Mitglied im Aufsichtsrat der zu notierenden Gesellschaft, treffen ihn neben der vollständigen Vorbereitung und Begleitung dieser Maßnahmen weitere Prüf- und Transparenzpflichten gegenüber der Gesellschaft sowohl aktienrechtlicher Natur als auch bezogen auf den dann anwendbaren Deutschen Corporate Governance Kodex, z.B. CV für die Webseite, die Offenlegung von möglichen sogenannten Related Party Transactions oder die Berücksichtigung des Kriteriums der Unabhängigkeit.

Wertpapierprospekt

Der Wertpapierprospekt ist die wichtigste Grundlage und Informationsquelle für die Anlageentscheidung im Kapitalmarkt. Der Prospekt muss von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) im Rahmen eines mehrstufigen Prospektprüfungsverfahrens gebilligt werden. Im Rahmen der Prospekterstellung werden Altaktionäre daher dazu aufgefordert, Input insbesondere über die im Prospekt offenzulegenden bestehenden Beteiligungs- bzw. Stimmrechtsverhältnisse sowie zur Transparenz von Aufsichtsratsvertretern zu liefern. Vor dem Hintergrund etwaiger Prospekthaftungsrisiken ist hierbei äußerste Sorgfalt geboten.

Verhandlung und Unterzeichnung von Transaction Agreements

Jeder Altaktionär muss sich im Rahmen eines sogenannten Lock-up-Agreements verpflichten, Aktien aus seinem Eigenbestand innerhalb eines Zeitraums von für Investoren üblicherweise 180 Tagen und Managementaktionären 360 Tagen nach Erstnotiz nicht zu veräußern. Ausnahmen davon liegen in der Praxis nur noch im Ermessen der Underwriting Banks.

Sofern ein Altaktionär im Rahmen des IPO (Alt-)Aktien verkaufen möchte (sogenanntes Secondary Offering), sind weitere Vereinbarungen mit den Underwriting Banks zu verhandeln, namentlich das sogenannte Underwriting Agreement, das Pricing Agreement und das Cost Sharing & Indemnity Agreement; in letzterem insbesondere in Umsetzung der sogenannten Telekom-III-Rspr. die nicht vermeidbare Pflicht zur Beteiligung an den IPO-Kosten. Um als Altaktionär dabei eine stärkere Verhandlungsposition zu haben, empfiehlt sich, soweit möglich, eine Abstimmung mit anderen Altinvestoren.

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Stimmrechtsmitteilungen und Directors’ Dealings

Die erstmalige Zulassung der Aktien zum Handel an einem organisierten Markt löst eine erstmalige Meldepflicht bedeutender Stimmrechtsanteile aus (§ 33 Abs. 2 WpHG). Demnach hat jeder, dem in diesem Zeitpunkt 3%, 5%, 10%, 15%, 20%, 25%, 30% etc. der Stimmrechte am Emittenten zustehen, dies dem Emittenten sowie der BaFin unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb von vier Handelstagen mitzuteilen (sogenannte Stimmrechtsmitteilung). Maßgeblich bei der Ermittlung des Stimmrechtsanteils sind nicht nur die Stimmrechte aus Aktien, die dem Meldepflichtigen direkt gehören, sondern auch solche, die dem Meldepflichtigen zugerechnet werden, z.B. von Tochterunternehmen (§ 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpHG), oder bei Verhaltensabstimmung (sogenanntes Acting in Concert, § 34 Abs. 2 WpHG). Im Hinblick auf die verschiedenen deutschen und internationalen Fondsstrukturen der VC- und/oder PE-Investoren kann eine Vielzahl von Zurechnungstatbeständen greifen. Die Stimmrechtsmitteilungen sollten daher auf jeden Fall mit dem zuständigen Stimmrechtsreferat der BaFin abgestimmt und die Beteiligungsstruktur entsprechend im Prospekt dargestellt werden, damit eine einheitliche Einreichung bei den jeweils zuständigen BaFin-Referaten sichergestellt wird.

Die Stimmrechtsverhältnisse sind auch post-IPO im Auge zu behalten, da jede Berührung der oben genannten Schwellen eine weitere Meldepflicht auslöst, z.B. Verwässerungseffekte infolge von weiteren Kapitalerhöhungen oder von IPO-bezogenen Transaktionen, die kurz nach der Handelszulassung vollzogen werden (z.B. auch im Rahmen einer Greenshoe Option).

Da Verstöße gegen die Mitteilungspflichten öffentlich-rechtlich sanktioniert sind, drohen empfindliche Bußgelder insoweit, als die möglichen Bußgeldrahmen deutlich erweitert worden sind und die BaFin Verletzungen von Mitteilungspflichten mittlerweile streng verfolgt. In der Vergangenheit verhängte die BaFin erhebliche Bußgelder selbst bei weniger schwerwiegenden Verstößen.

Meldepflichtig sind ferner Eigengeschäfte von Führungskräften des Emittenten, insbesondere von Vorstands- und Aufsichtsratsmitgliedern (sogenannte Directors‘ Dealings, Art. 19 MMVO). Die Meldepflicht erstreckt sich dabei auch auf mit der Führungskraft in enger Beziehung stehende juristische Personen. Sofern ein Investorenvertreter im Aufsichtsrat sitzt, sollte eine etwaige Meldepflicht auch bereits im Vorfeld geprüft werden.

Sonstige Erfordernisse

Alle Altaktionäre müssen durch die Bereitstellung von Informationen über ihr Depotkonto und die Erteilung von Anweisungen dafür Sorge tragen, dass die Aktien via Clearstream verbucht werden können sowie ggf. einen KYC-Prozess mit den involvierten Banken durchlaufen. Beide Schritte sollten auf der Zeitschiene nicht unterschätzt und daher möglichst frühzeitig anvisiert werden.

Über die Autorinnen:
Dr. Eva Nase ist Partnerin und Stefanie Jahn Associate bei der Sozietät POELLATH. Sie beraten Unternehmen, Gesellschaften und Mitglieder zu allen börsen-, gesellschafts- und kapitalmarktrechtlichen Themen. Dr. Nase ist in nationalen und internationalen Rankings für ihre Expertise im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht sowie für ihre M&A- und Private- Equity-Expertise gelistet.

Autor/Autorin

Stefanie Jahn
Dr. Eva Nase